Zwillinge im All: Was die NASA bei Scott und Mark Kelly über Genetik, Gesundheit und Raumfahrt lernte

Ein NASA-Experiment mit den Zwillingen Scott und Mark Kelly zeigt, wie stark und doch anpassungsfähig der Körper im All ist.

nasa, astronauten, experimente
Spannende Experimente im Weltall. Die NASA untersucht die Anpassungsfähigkeit des Körpers im Weltall.


Als Scott Kelly 2015 für ein Jahr zur Internationalen Raumstation (ISS) aufbrach, war es mehr als eine Langzeitmission:
Es war ein einzigartiges Wissenschaftsexperiment. Scott hatte einen genetisch identischen Zwillingsbruder, Mark Kelly, der auf der Erde blieb und als direkte Vergleichsperson diente.

Die NASA konnte so erstmals untersuchen, wie extreme Bedingungen im All den menschlichen Körper verändern – und das im Vergleich zu einer fast identischen genetischen Kopie unter irdischen Bedingungen. Während Scott im All arbeitete, trainierte und lebte, unterzog sich sein Bruder denselben medizinischen Tests am Boden. Dieses „Zwillings-Experiment“ bot der Wissenschaft eine seltene Gelegenheit, die körperlichen und genetischen Auswirkungen der Schwerelosigkeit, Strahlung und Isolation zu analysieren.

Die erstaunliche Anpassungsfähigkeit des Körpers

Schon länger ist bekannt, dass Raumfahrten Muskel- und Knochenschwund, Schlafstörungen und Verdauungsprobleme verursachen können. Doch die Studie zeigte noch viel mehr. Scotts Telomere – die Enden der Chromosomen, die mit dem Alterungsprozess verbunden sind – verlängerten sich überraschend während seines Aufenthalts im All, nur um nach seiner Rückkehr schnell und dauerhaft zu schrumpfen.


Auch seine Genexpression veränderte sich, insbesondere bei Genen, die mit dem Immunsystem zusammenhängen. Die gute Nachricht: Viele dieser Veränderungen verschwanden wieder, nachdem Scott zur Erde zurückkehrte. Der menschliche Körper zeigte eine beeindruckende Fähigkeit, sich an die Belastungen des Alls anzupassen und nach der Rückkehr zu regenerieren.

Risiken, die bleiben – und offene Fragen

Doch nicht alle Effekte waren vorübergehend. Wissenschaftler stellten auch Veränderungen an Scotts Blutgefäßen fest, etwa an der Halsschlagader und der Netzhaut. Solche Veränderungen könnten langfristige gesundheitliche Risiken wie Sehstörungen oder Schlaganfälle begünstigen.

Scott Kelly ist ein ehemaliger US-amerikanischer Astronaut und Navy-Pilot, der für seine außergewöhnliche Ausdauer und seine Rolle bei einem der spannendsten medizinischen Experimente der Raumfahrtgeschichte bekannt wurde. Geboren 1964 in Orange, New Jersey, verbrachte er insgesamt 520 Tage im All, davon 340 Tage am Stück auf der Internationalen Raumstation – ein Rekord für einen US-Astronauten.


Auch die Frage, wie kosmische Strahlung und langfristige Isolation auf Psyche und Krebsrisiko wirken, bleibt ungeklärt. Bisherige Erkenntnisse stammen von einer einzigen Person im All – zu wenig, um verlässliche Aussagen für zukünftige Marsmissionen zu treffen. Die NASA sieht die Kelly-Zwillingsstudie daher als Ausgangspunkt für weitere Forschungen, die die Sicherheit und Gesundheit von Astronauten auf längeren Reisen gewährleisten sollen.

Ein persönliches Abenteuer mit Folgen

Für Scott Kelly war die Mission nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine zutiefst persönliche Erfahrung. In seinem Buch „Endurance“ beschreibt er die körperlichen Strapazen und die Herausforderung, nach 340 Tagen Schwerelosigkeit wieder auf der Erde anzukommen. Übelkeit, Erschöpfung und Muskelbeschwerden begleiteten seine Rückkehr.

Dennoch wurde er zu einem wichtigen Botschafter für Raumfahrtforschung und teilt seine Erfahrungen seither in Vorträgen und Veröffentlichungen. Auch Mark Kelly, der sich währenddessen zahlreichen Untersuchungen unterzog, unterstützte das Projekt aus Überzeugung – und half damit, die Grundlagen für kommende Weltraum-Abenteuer zu legen.

Die nächsten Schritte Richtung Mars

Die NASA plant bereits Langzeitmissionen zum Mars in den 2030er Jahren. Die Kelly-Zwillingsstudie liefert dazu wertvolle Hinweise: Der Körper kann sich anpassen, aber bestimmte Risiken bleiben bestehen. Besonders die Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System, die Augen und das Immunsystem müssen weiter untersucht werden.


Ebenso wichtig sind psychologische Faktoren – Isolation, Monotonie und der fehlende Kontakt zur Erde könnten auf lange Sicht schwer wiegen. Die Forschung an den Kelly-Zwillingen war nur der Anfang. Sie zeigt: Reisen zu fernen Planeten sind möglich – aber nur, wenn wir die körperlichen und mentalen Grenzen des Menschen wirklich verstehen und respektieren.