Zauberhafte Strahlenbüschel
Sie haben schon etwas Magisches. In alten religiösen Darstellungen werden sie oft verwendet um etwas Göttliches oder Himmlisches darzustellen. In Barockkirchen findet man teilweise auch plastische, von Engeln umschwirrte Wolkendarstellungen mit diesen Phänomenen, die in den Bereich der atmosphärischen Optik eingliedern lassen. Die Rede ist von Strahlenbüscheln.
Auch wenn der Name dem ein oder anderen nicht so geläufig ist, so hat sicherlich jeder schon einmal dieses Phänomen wissentlich erlebt. Denn Strahlenbüschel sind gar nicht mal so selten und wenn die Strahlen an den Rändern von Haufenwolken hervor- oder durch ein Loch in einer Stratocumulusdecke durchbrechen, dann sind sie bestimmt so eindrucksvoll genug, um sogar einem Wolkenverächter aufzufallen.
Im Englischen werden sie als ‚crepuscular rays‘ bezeichnet, was sich vom Lateinischen ‚crepusculum‘ ableitet, das – jetzt wird ein Schuh draus - im Deutschen die ‚Abenddämmerung‘ ist. Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Strahlenbüschel im Deutschen teilweise als Dämmerungsstrahlen bekannt sind. Das bringt wiederum zum Ausdruck, dass das Phänomen vor allem bei einer tiefstehenden Sonne, also während der Dämmerung zu beobachten ist. Doch wie entstehen sie genau? Der Beantwortung dieser Frage sollen nun die folgenden bescheidenen Zeilen dienen.
Entstehung der Strahlenbüschel
Strahlenbüschel treten auf, wenn Objekte wie Wolken (oder auch Berggipfel) die Sonnenstrahlen teilweise abschatten. Somit haben wir mehr oder weniger in enger Nachbarschaft Bereiche durch die die Sonnenstrahlen durchkommen und solche, die eben im Schatten liegen. Wenn nun in der Luft ausreichend feuchte oder auch trockene Dunstpartikel, bzw. Staubpartikel vorhanden sind, dann werden die durchdringenden Sonnenstrahlen an den Partikeln gestreut und für uns Beobachter werden die Strahlen sichtbar. Das ist in etwa so wie (früher), wenn in einer verrauchten Disko ein Scheinwerferspot umherwanderte. Auch dieser wurde als langer Kegel sichtbar, wie er über die Köpfe der Tanzenden umherschweifte, da das Licht an den Rauchpartikeln halt mal so richtig gut gestreut wurde. Oder auch wenn in einem staubigen Raum mit nur halbherzig heruntergelassenem Rollladen (also eigentlich in der klassischen Teenagerbude) noch einzelne Sonnenstrahlen durch die Lücken des Rollladens dringen und im Zimmer an den zahlreichen umherschwirrenden Staubteilchen als spannende Strahlen sichtbar werden. Wie auch immer…
Nun in der Atmosphäre sind es zwar auch teilweise Staubteilchen, aber das eher seltener. In den meisten Fällen sind es klitzekleine Wassertröpfchen, die noch zu wenige sind um als Wolken in Erscheinung zu treten, aber immerhin das Licht ausreichend streuen. Von den Strahlen recht deutlich abgegrenzt sind dazu die Schattenbereiche und somit ist der oft imposanten Strahlenfächer bzw. sind die zauberhaften Strahlenbüschel fertig.
Die Strahlenbüschel scheinen dabei von einem Punkt hinter der Wolke auszugehen und sich dann zum Betrachter hin auszuweiten. Aber das ist nur eine optische Täuschung. Denn in Wirklichkeit verlaufen die Strahlen parallel und das Auseinanderlaufen - bzw. anders herum betrachtet – dass sie zur Sonne zu konvergieren, basiert auf dem gleichen visuellen/perspektivischen Effekt, der parallele Eisenbahnschienen in der Ferne zusammenlaufen (zu konvergieren) zu lassen scheint. Nun – nebenbei bemerkt – ist dieser Satz grammatikalisch sicherlich noch ausbaufähig, aber sei es drum.
Gegendämmerungsstrahlen
Am besten und eindrucksvollsten lassen sich Strahlenbüschel (oder eben die wirklichen Dämmerungsstrahlen) beobachten, wenn die Sonne tief steht, also beizeiten der Dämmerung. Hierbei haben sie ein rotes oder gelbes Aussehen, weil das blaue Licht von der Sonne durch Luftmoleküle selektiv aus dem Strahl weggestreut gestreut wird, wie es auch beim Abendrot der Fall ist. Doch das ist jetzt nicht die allzu große Neuigkeit. Das werden die meisten eh erwarten. Was aber noch bei der Dämmerung auftreten kann und schon selten beachtet wird, sind die sogenannten Gegendämmerungsstrahlen (engl. ‚anti-crepuscular rays‘). Dabei handelt es sich um Lichtstrahlen, die ebenso von Staub und Dunst gestreut werden und scheinbar aber zum "antisolaren" Punkt (dem Ort am Horizont gegenüber dem Punkt, an dem die Sonne untergeht) zusammenlaufen. Diese Gegendämmerungsstrahlen stammen auch von der Sonne, aber überqueren den gesamten Himmel zum gegenüberliegenden Horizont. Gegendämmerungsstrahlen sind also was für die wahren Kenner. Denn meist bleibt der Blick gen untergehende Sonne gerichtet und nicht zum aufkommenden Abendhimmel. In diesem Sinne. Wenn Sie mal abends prächtige Strahlenbüschel erblicken, dann drehen Sie sich auch mal um. Evtl. erblicken Sie dann auch die Gegendämmerungsstrahlen und zu den 25 Wolkenguckpunkten, greifen Sie direkt noch 20 Zusatz-Wolkenguckpunkte ab.