Wolkentheater – der Kulisseneffekt
Nun hält der Frühling Einzug in unsere Lande. Die Sonne (eigentlich eher die kurzwelligen Strahlungsflussdichten, aber geschenkt) gewinnt an Stärke und die Natur macht einen regelrechten Entwicklungssatz. Himmelstechnisch ist das kollektive Bild - mit dem der Frühling assoziiert wird -meist eines mit einem locker bewölkten blauen Himmel.
Blauer Himmel? Ja klar. Man denke nur an das wohl bekannteste deutsche Frühlingsgedicht vom oft als ‚Biedermeierdichter‘ bezeichneten Eduard Mörike (1804-1875), das er mit etwa 25 Jahren zu Papier brachte:
Er ist's
Frühling lässt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohl bekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist's!
Dich hab' ich vernommen!
Zwar kommen in diesem nicht die oben erwähnten, lockeren, weißen und vertikal sich nur wenig in die Höhe erstreckenden Schönwetterquellwolken vor, aber wenn man es - so wie der Verfasser dieses Artikels – nicht so mit der Genauigkeit der ‚Leseauffassung' hat, dann wird in der viertletzten Zeile beim raschen Lesen durch eine meteorologisch gefärbte Brille schnell aus dem ‚Wollen‘ ein ‚Wolken‘. Und wenn das so gelesen wird, dann passt auch der Übergang zum eigentlichen Thema dieses Artikels. Dem sogenannten Kulisseneffekt, wie er oft bei nur locker verteilter Cumulus humilis Bewölkung, also eben den eher flachen Schönwetterquellwolken auftritt. – Gut, es gab auch schon mal zielstrebendere Einleitungen in ein Thema, aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
Der Kulisseneffekt bei Wolken
Doch jetzt endlich zum Thema. Was ist der Kulisseneffekt?
Der Begriff kommt – wie man unschwerlich vermuten kann – aus dem Theater, wo man den Kulisseneffekt gerne zur perspektivischen Darstellung verwendet.
In der Meteorologie wird der Begriff für die perspektivische Verzerrung, durch die die Wolken in Richtung Horizont dichter erscheinen, verwendet. Wenn man bei nur locker verteilter Bewölkung schräg in Richtung Himmel blickt - also eher in Richtung Horizont - dann hat man den Eindruck, dass die Wolken dort viel dichter sind, als genau über einem, wo der blaue Himmel sogar dominiert. Mit anderen Worten: Im Umfeld erscheint der Himmel wolkiger, über einem dagegen heiter. Der Grund liegt in der Tatsache, dass man die Bewölkung quasi auf den Himmel projiziert. Wie hoffentlich in der Abbildung zu sehen - werden durch den schrägen Blickwinkel die Lücken zwischen den Wolken immer enger bzw. wird der Öffnungswinkel immer geringer bis man letztlich in Richtung Horizont keinen Blick mehr auf den blauen Himmel darüber hat.
Generell tendiert man dann dazu den Bedeckungsgrad zu überschätzen, wenn man den Kulisseneffekt nicht berücksichtigt, also den Bedeckungsgrad über den gesamten Himmel schätzt. Um den verfälschenden Kulisseneffekt zu verringern schätzt man generell den Bedeckungsgrad eher nur in dem Bereich um 45° um den Zenit über einem (also um die Senkrechte).
Anzumerken im Zusammenhang mit dem Kulisseneffekt ist noch, dass nicht nur locker verteilte Schönwetterquellwolken durch diesen dichter erscheinen, als sie es wirklich sind. Der Kulisseneffekt sorgt auch dafür, dass man den Eindruck hat, dass Gewitter häufig um einen herumziehen, was besonders unter Meteorologen, die es eigentlich besser wissen müssten, zu größeren Frustrationen führt, will doch diese Spezies das Gewitter - trotz aller existentiellen Bedrohung – überwiegend gerne leibhaftig erfahren.
Nun, aber für das Erste halten wir uns an die locker verteilten Cumulus humilis und genießen fröhlich den Frühling mit seinem blauen Band.