Wissenschaftler erforschen fallende Eiskristalle: Neue Einblicke in die Bewegungsmuster und deren Bedeutung
Eiskristalle fallen stabil, zickzackförmig, spiralförmig oder übergehend – je nach Form und Strömung. Diese Bewegungsmuster sind entscheidend für Fernerkundung und Klimamodelle und geben neue Einblicke in atmosphärische Prozesse.
Eiskristalle sind komplexe Strukturen, die eine Schlüsselrolle in der Atmosphäre spielen. Ihre Orientierung und Bewegungsmuster beeinflussen nicht nur ihr Wachstum und ihre Niederschlagsbildung, sondern auch ihre Wechselwirkungen mit elektromagnetischer Strahlung, was weitreichende Folgen für Fernerkundungstechnologien und optische Effekte haben kann.
Eine neue Studie der britischen University of Reading hat nun das Fallverhalten von Eiskristallen in einem Fluid untersucht, um die komplexen Bewegungsmuster dieser Kristalle zu simulieren.
Das Forscherteam um Leiterin Jennifer R. Stout, Doktorandin am Department für Meteorologie, entdeckte in seinen Experimenten vier Hauptbewegungsregime: stabil, zickzackförmig, spiralförmig und übergehend. Jedes dieser Muster spiegelt ein charakteristisches Verhalten der Kristalle wider, das durch Faktoren wie Form und Luftströmung bestimmt wird.
Für die Untersuchung der Eiskristallbewegungen wurden im Labor mittels 3D-Druck hergestellte Eiskristallmodelle in einer Flüssigkeit zum Fallen gebracht. Diese Partikel, zwischen 1 und 3 cm groß, wiesen unterschiedliche Formen und Flächenverhältnisse auf. Einige Modelle zeigten leichte Asymmetrien, die jedoch das allgemeine Fallverhalten nicht beeinflussten.
Um atmosphärische Bedingungen nachzustellen, wurden diese Analoga in einem Acryltank mit Wasser-Glycerin-Mischungen getestet. Durch die Variation von Dichte, Viskosität und Partikelgröße konnten verschiedene Luftströmungen simuliert werden.
Stabilität und Zickzack-Bewegungen
Die stabile Bewegung ist durch eine horizontale Ausrichtung der größten Dimension des Kristalls gekennzeichnet. In diesem Modus treten weder Schwankungen in der Geschwindigkeit noch in der Orientierung auf. Solche Partikel bewegen sich kontrolliert und gleichmäßig durch das Medium.
Im Gegensatz dazu beschreibt das zickzackförmige Verhalten eine schwingende Bewegung in einer konstanten vertikalen Ebene. Die Neigungswinkel der Kristalle folgen dabei einer Sinuskurve. Solche Bewegungen treten bei einfacheren Formen häufiger auf, was zeigt, dass die Geometrie entscheidend für die Stabilität ist.
Spiralförmige und übergehende Bewegungen
Im spiralförmigen Regime neigen sich die Eiskristalle konstant und drehen sich kontinuierlich um die vertikale Achse. Dabei bleiben die Winkel der Neigung meist zwischen 7° und 28°, was eine quasi-stabile Bewegung darstellt. Diese Rotationen sind das Ergebnis von periodischen Oszillationen um die Hauptachsen der Partikel und führen dazu, dass der Massenschwerpunkt eine Kreisbahn beschreibt.
Übergangsbewegungen kombinieren Merkmale von Zickzack- und Spiralmustern. Die Partikel schwingen dabei hin und her, während sie gleichzeitig eine Rotationskomponente entwickeln. Diese Mischformen treten häufig bei spezifischen Reynolds-Zahlen und Partikelformen auf.
Ein zentraler Befund der Studie ist, dass die Verteilungen der Neigungswinkel oft nicht den herkömmlichen gaußschen Modellen entsprechen. Stattdessen weisen instabile Bewegungen auf komplexere Mechanismen der Partikelorientierung hin. Durch die Ergebnisse werden bisherige Annahmen infrage gestellt, was weitreichende Folgen für Fernerkundungsanwendungen haben könnte, die auf entsprechenden Modellen basieren.
Einfluss von Strömung und Partikelform
Die Experimente zeigten, dass instabile Bewegungen stark von der Form der Eiskristalle und der Reynolds-Zahl abhängen.
Beispielsweise beginnen massive hexagonale Platten bei Re = 237 zu schwingen, während dendritische Formen selbst bei Reynolds-Zahlen über 1000 stabil bleiben. Spiralförmige Bewegungen hingegen wurden bei höheren Reynolds-Zahlen häufiger beobachtet, was auf eine große Abhängigkeit von den aerodynamischen Eigenschaften der Kristalle hinweist.
„Das Auftreten instabiler Bewegungen ist wahrscheinlicher bei höheren Flächenverhältnissen, die weniger komplexen Formen entsprechen wie zum Beispiel ursprüngliche hexagonale Platten“, erklärt Projektleiterin Jennifer R. Stout, Hauptautorin der Studie.
Die detaillierte Analyse des Fallverhaltens von den Eiskristallanaloga liefert wertvolle Erkenntnisse zu deren mikrophysikalische und optische Eigenschaften. Weil sie dabei helfen, die Orientierung und Bewegung von Eiskristallen präziser zu modellieren, sind die Resultate ebenfalls von Bedeutung für Fernerkundungssysteme.
Die Ergebnisse tragen zum besseren Verständnis von atmosphärischen Prozessen bei und erhöhen die Genauigkeit von Klimamodellen. Zukünftige Forschung könnte sich darauf konzentrieren, wie diese Bewegungsmuster in realen atmosphärischen Bedingungen auftreten und welche Rolle sie bei der Bildung von Niederschlag und Wolken spielen.
Quellenhinweis:
Stout, J. R., Westbrook, C. D., Stein, T. H. M., and McCorquodale, M. W. (2024): Stable and unstable fall motions of plate-like ice crystal analogues, Atmos. Chem. Phys., 24, 11133–11155. https://doi.org/10.5194/acp-24-11133-2024