Wie Wüstenameisen das Magnetfeld nutzen, um ihr Gehirn zu "kalibrieren

Wüstenameisen nutzen das Magnetfeld der Erde, um sich zu orientieren und ihr Navigationssystem zu kalibrieren. Eine neue Studie zeigt, wie dieser Prozess das Nervensystem der Tiere beeinflusst.

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Wüstenameisen kalibrieren ihr Navigationssystem, das stark vom Erdmagnetfeld abhängt, bereits nach dem Schlüpfen.
Wüstenameisen kalibrieren ihr Navigationssystem, das stark vom Erdmagnetfeld abhängt, bereits nach dem Schlüpfen.

Wüstenameisen (Cataglyphis nodus) nutzen das Magnetfeld der Erde zur Orientierung und Kalibrierung ihres Navigationssystems.

Diese bemerkenswerte Fähigkeit, die zuvor bekannt war, wurde in einer aktuellen Studie eines Teams der Julius-Maximilians-Universität Würzburg genauer untersucht.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich das Magnetfeld nicht nur als Orientierungshilfe im Raum dient, sondern auch tiefgreifende Veränderungen im Nervensystem der Tiere hinterlässt.

Lernläufe und Magnetfeld als Navigationshilfe

In ihrer frühen Lernphase, bevor die Ameisen ihr Nest verlassen, erkunden sie die Umgebung durch sogenannte Lernläufe.

Während dieser „Pirouetten“, bei denen sie immer wieder kurze Pausen machen und dabei exakt in Richtung des Nestes schauen, kalibrieren sie ihr Navigationssystem, das stark vom Erdmagnetfeld abhängt.

Diese Lernläufe sind entscheidend für die spätere Navigation.

Verarbeitung der Magnetinformationen im Ameisenhirn

Die neue Studie, veröffentlicht in PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences), zeigt, dass die Magnetinformation hauptsächlich in zwei Bereichen des Ameisenhirns verarbeitet wird:

im sogenannten Zentralen Komplex, der für die räumliche Orientierung zuständig ist, und in den Pilzkörpern, die als Lern- und Gedächtniszentrums fungieren.

Forscher konnten nachweisen, dass Ameisen, die in einem manipulierten Magnetfeld lernten, deutliche Veränderungen im Nervensystem zeigten, etwa eine reduzierte Anzahl synaptischer Verbindungen in den betroffenen Gehirnregionen.

Fehlerhafte Magnetfelder stören den Lernprozess

Die Wissenschaftler untersuchten junge Ameisen, die noch keine Lernläufe durchgeführt hatten, und setzten sie verschiedenen Magnetfeldbedingungen aus, darunter auch fehlerhafte Felder, die chaotische Richtungen anzeigten.

Ameisen, die solchen fehlerhaften Feldern ausgesetzt waren, wiesen weniger synaptische Verbindungen auf, was auf eine Störung des Lernprozesses hinweist. Im Gegensatz dazu zeigte die Gruppe, die unter natürlichen Magnetfeldbedingungen lernte, eine Zunahme der synaptischen Verbindungen und deutliche neuroanatomische Veränderungen.

Magnetische Informationen als Referenzsystem für das Gedächtnis

Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Magnetfeld der Erde nicht nur als Kompass zur Orientierung dient, sondern auch als Referenzsystem für das räumliche Gedächtnis.

Die Forscher betonen, dass die Ergebnisse wertvolle Einblicke in die neuronale Plastizität des Gehirns und die Art und Weise geben, wie multisensorische Reize die Gehirnreifung und die Navigation beeinflussen.

Nächste Schritte der Forschung: Sinnesorgan und neuronale Bahnen

Die nächsten Schritte der Forscher zielen darauf ab, das Sinnesorgan zu identifizieren, das die Ameisen für die Wahrnehmung des Magnetfelds nutzen, sowie die neurologischen Bahnen, über die diese Information weiterverarbeitet wird.

Diese Entdeckungen könnten nicht nur unser Verständnis der Tiernavigation erweitern, sondern auch neue Erkenntnisse für die neurowissenschaftliche Forschung bringen.

Quellenhinweis:

- Grob, R., Müller, V. L., Grübel, K., Rössler, W., & Fleischmann, P. N. (2024). Importance of Magnetic Information for Neuronal Plasticity in Desert Ants. PNAS. DOI: [10.1073/pnas.2320764121](https://doi.org/10.1073/pnas.2320764121)