Was passierte mit dem Methan aus den Nordstream-Explosionen?

Die Sprengung der Nordstream-Pipelines im September 2022 ließ große Mengen an Erdgas in die Atmosphäre entweichen. Aber auch im Meerwasser passierte einiges, denn das schädliche Treibhausgas Methan löste sich im Meerwasser.

Unterwasser-Pipeline
So sahen die Pipelines aus, bevor sie 2022 gesprengt wurden..


Ein Team von WissenschaftlerInnen der schwedischen Universität Göteborg und des Alfred Wegener Instituts -Helmholtz-Zentrums für Polar- und Meeresforschung hat untersucht, wo und wieviel Erdgas sich nach den Explosionen im Wasser der Ostsee verteilte. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen wurde nun veröffentlicht.

Die Nordstream-Explosionen

Am 26. September 2022 ereigneten sich in kurzer Folge vier Explosionen am Grund der Ostsee nahe Bornholm. Die Detonationen zerstörten beide Röhren der Erdgaspipeline Nordstream 1 sowie eine Röhre der Nordstream-2-Pipeline. Die absichtliche Sprengung erfolgte durch bisher Unbekannte, stand aber zweifelsfrei mit dem Krieg in der Ukraine im Zusammenhang. Beide Pipelines waren zum Zeitpunkt der Sprengung nicht aktiv in Betrieb, waren jedoch unter Druck mit Methangas gefüllt. Nach der Zerstörung der Pipelines trat das Methan aus.

Zunächst entstand eine riesige Gasblasenbildung im Meer. Nach einem Bericht der schwedischen Küstenwache hatte die Methangasblase einen Durchmesser von ca. 900 Metern. Die freigesetzte Menge an Methan in die Ostsee und die Emissionen in die Atmosphäre waren seither Gegenstand von Schätzungen. Es wurde vermutet, dass in der etwa einwöchigen Anfangsphase des Lecks zwischen 100.000 und 500.000 Tonnen Gas mit einer Rate von 500 Tonnen pro Stunde ins Meer gelangten. Die Abmessungen deuten auf eine mögliche Freisetzung von 100.000 Tonnen aus jeder Detonationsstelle während der ersten 7 bis 8 Tage hin. Eine Studie der über Satelliten geschätzten Belastung ergab in diesem Zeitraum eine Emission von 220.000 Tonnen in die Atmosphäre.

Unklare Datenlage

Zunächst war es sehr unklar, wieviel des ausgetretenen Methangases im Ozean blieb. Aus Studien an natürlichen Methanquellen am Meeresgrund, aber auch aus Methanaustritten aus alten Bohrlöchern war bekannt, dass ein Teil des Erdgases sich im Meerwasser löst und daher nicht oder nicht sofort in die Atmosphäre gelangt.

Das Forschungsteam hat die räumliche Nähe der Universität Göteborg genutzt, um innerhalb einer Woche, also sehr zeitnah nach der Explosion, vor Ort Analysen und Messungen durchzuführen. Die Forschenden entnahmen Wasserproben aus verschiedenen Tiefen und Entfernungen von den Gaslecks, mit denen sie Isotopen-Analysen durchführten. Durch die Tatsache, dass das fossile Erdgas aus der Pipeline eine andere Isotopenzusammensetzung hat als das natürlich aus den Meeresboden-Sedimenten austretende Methan, konnte die natürliche Ursache von der durch die Explosion herbeigeführten Ursache unterschieden werden.

Bis zu 50.000 Tonnen Methan blieben im Wasser

Die Auswertungen ergaben, dass sich ca. eine Woche nach den Explosionen der normale Methangehalt des Ostseewassers im Umfeld der Pipeline-Lecks stellenweise vervierfacht hatte.

Wie die ForscherInnen ermittelten, hatten sich im Untersuchungsgebiet von rund 300 Quadratkilometer Größe und bis in eine Tiefe von rund 50 Metern rund 800 bis 4.500 Tonnen Methan im Meerwasser gelöst. Allerdings schätzte das Team, dass diese Berechnungen nur neun Prozent der gesamten Methanblase erfassen.

Hochgerechnet auf die gesamte Austrittszone müssen sich demnach allein in dieser ersten Phase bis zu 50.000 Tonnen Methan im Ostseewasser gelöst haben. Allerdings setzt sich der Austritt fort, nachdem keine Gasblasen an der Meeresoberfläche mehr sichtbar waren. Der Prozesse der Methan-Lösung im Meerwasser unterhalb der Wasseroberfläche ging nach dieser ersten Woche weiter.

Nach Schätzungen der Wissenschaftler könnte dies dazu geführt haben, dass minimal ca. 27 und maximal ca. 86 Prozent der Gesamtaustrittsmenge im Meerwasser verblieben.

Verteilung des Methangases im Wasser und am Meeresgrund

Überraschend für die WissenschaftlerInnen war, wie sich dieses Erdgas im Wasser verteilte: Aus den Messungen ging hervor, dass zunächst selbst im nahen Umfeld der Pipelines kein fossiles Erdgas aus den Leitungen am Grund der Ostsee gemessen werden konnte. Dort fand sich nur natürliches, aus mikrobiellem Abbau stammendes Methan. Das änderte sich erst oberhalb der Halokline, einer Grenze zwischen zwei unterschiedlich salzigen Wasserschichten in rund 50 bis 60 Meter Tiefe.

Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass die Wucht der Explosion stark genug war, um das Gas aus den zerstörten Röhren der Nordstream-Pipeline sofort bis über die Halokline zu katapultieren. Dadurch blieb das Tiefenwasser zunächst von dem ausgetretenen Methangas unkontaminiert.

Dies änderte sich erst im folgenden Winter, in dem die Kälte des Wassers zu einer Angleichung der Temperaturen in den verschiedenen Wasserschichten führte und damit die Durchmischung ermöglichte. So verteilte sich das gelöste Erdgas relativ gleichmäßig in der gesamten Wassersäule.

Und was passiert mit der Lebenswelt in der Ostsee?

Die Folgen der Methanfreisetzung auf die Meeresökologie nach den Nordstream-Sprengungen ist derzeit noch unklar. Forschungen an natürlichen Methan-Austritten und nach der Ölkatastrophe durch den Blow-Out der Ölplattform Deepwater Horizon im Golf von Mexiko zeigen aber, dass es viele marine Mikroorganismen gibt, die Methan abbauen. Sie tragen damit als natürliche Reinigungsmechanismen dazu bei, die Konzentration des Methans im Meerwasser zu verringern.

So hatte auch das Forschungsteam drei Monate nach den Explosionen bereits erste Anzeichen für einen Anstieg der bakteriellen Aktivität und Mikrobendichte im Umfeld der Lecks festgestellt. Es ist allerdings noch offen, ob und wenn ja wie sich der erhöhte Erdgasgehalt des Ostseewassers auf andere, größere Meeresbewohner ausgewirkt hat.

Links zum Forschungsbericht
Scientific Reports, 2024; doi: 10.1038/s41598-024-63449-2