Globale Klimaerwärmung: Warum die Angabe von Anomalien so nützlich ist!
Abweichungen finden in der Meteorologie und Klimatologie häufig Verwendung. Einerseits können sie zwar Verwirrung stiften, sind jedoch andererseits von entscheidender Bedeutung, um z.B. Unsicherheiten zu minimieren.
In der Meteorologie und Klimatologie wird häufig die Abweichung von einem Durchschnittswert eines bestimmten Zeitraums verwendet. Es gibt mehrere Gründe, auf die Abweichungen näher einzugehen. Lassen Sie uns einige davon betrachten.
Zunächst liegt vielleicht das Offensichtliche auf der Hand. Abweichungen bieten einen schnellen Überblick darüber, wie ein bestimmter Monat oder ein Jahr klimatologisch einzuordnen ist. Sehr schnell kann erfasst werden, ob der betrachtete Zeitraum beispielsweise zu warm oder zu kalt war. Das gilt gleichermaßen für Niederschlag - war es nasser oder trockener als üblich? Ebenso kann man schnell erkennen, ob die Abweichung im Rahmen des Normalen liegt oder doch eher außergewöhnlich ist. Ist die Abweichung in einem Datensatz besonders hoch, lässt sich bereits die Aussage, dass dieser Zeitraum besonders außergewöhnlich war. War die Abweichung sogar so hoch wie nie zuvor, kann man gleichzeitig feststellen, dass es beispielsweise noch nie so warm war.
Abweichungen ermöglichen eine schnelle Einordnung, ohne dass die Absolutwerte bekannt sein müssen. Doch hier gibt es natürlich eine große Stolperfalle: die Wahl der Referenzperiode. Bei der Angabe von Abweichungen ist es stets entscheiden, auf welchen Zeitraum sich die Abweichung bezieht. Zum Beispiel ist die Periode von 1961 bis 1990 bereits wärmer als das vorindustrielle Zeitalter. Die aktuellere Referenzperiode von 1991 bis 2020 ist wiederum deutlich wärmer als die von 1961 bis 1990. Eine Abweichung, bezogen auf den Zeitraum von 1961 bis 2020, ist daher augenscheinlich anders als eine Abweichung, bezogen auf 1991 bis 2020.
Daher ist es äußerst wichtig, auf den Zeitraum zu achten, auf die sich eine Abweichung bezieht. Dies kann schnell dazu verwendet werden, um Verwirrung zu stiften oder zu verharmlosen. In Sachen Temperatur mag eine Abweichung, bezogen auf 1991 bis 2020 weniger signifikant erscheinen als eine Abweichung, bezogen auf 1961 bis 1990. Glücklicherweise lassen sich diese leicht ineinander Umrechnen. Man muss lediglich die Differenz der beiden Referenzperioden auf die Anomalie aufschlagen.
Wie repräsentativ ist eine Station?
Es gibt jedoch noch einen weiteren Grund, warum Abweichungen in Betracht gezogen werden, insbesondere bei der Temperatur. Angaben zur Temperaturänderung sind präziser als die Verwendung absoluter Temperaturwerte. Deshalb wird bei den Pariser Klimazielen beispielsweise von der Überschreitung der 1,5°C-Grenze gesprochen und nicht von einer bestimmten Absoluttemperatur.
Natürlich erfolgen Temperaturmessungen an Stationen in Form von absoluten Werten, wie zum Beispiel 15,4°C oder -3.2°C. Allerdings handelt es sich hier um eine Messung an einem spezifischen Punkt. Wurde eine Messung beispielsweise auf einer Bergstation vorgenommen, wird schnell deutlich, dass diese nur für einen kleinen Umkreis Gültigkeit besitzt. Dies liegt am Höhenprofil, wobei wir wissen, dass mit der Höhe die Temperatur im Schnitt alle 100 Meter um 1°C abnimmt. Es gibt Ausnahmen, wie Inversionlagen, auf die wir jetzt nicht weiter eingehen werden. Die gemessene Temperatur der Bergstation wird also für eine Station auf Meereshöhe keine Gültigkeit mehr besitzen. Die jeweils gemessene Temperatur hat also nur einen begrenzten Gültigkeitsbereich, der sehr kleinräumig sein kann.
Einerseits ist also das Höhenprofil dafür verantwortlich, andererseits gibt es nicht genügend Messstationen, um jede lokale Temperaturdifferenz zu erfassen. Jede Messstation liefert daher nur für einen begrenzten Gültigkeitsbereich einen absoluten Wert. Daher wird schnell klar, dass eine Durchschnittstemperatur nicht einfach aus den Stationsdaten abgeleitet werden kann. Als Zwischenschritt muss zunächst ermittelt werden für welche Fläche dieser Absolutwert Gültigkeit besitzt. Dies birgt Unsicherheiten. In einer Studie aus dem Jahr 1999 wurde die globale durchschnittliche Temperatur für den Zeitraum von 1961 bis 1990 mit 14,0 ± 0,5°C angegeben. Das bedeutet, dass sie innerhalb einer Unsicherheitsbereichs von 1°C bekannt. Sie könnte also in diesem Zeitraum bereits 15°C betragen haben, aber genauso gut auch 13°C.
Allerdings konnte bereits nachgewiesen werden, dass die klimatische Änderung der Temperatur deutlich präziser bestimmt werden kann. Monatliche globale Durchschnittstemperaturen können bereits auf plus minus wenige Hundertstel °C genau bestimmt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Abweichungen der Monatsmitteltemperaturen großräumig korrelieren. Datenanalysen haben gezeigt, dass dies für einen Radius von über eintausend Kilometer Gültigkeit besitzt. Das bedeutet, dass ein ungewöhnlich warmer oder heißer Sommer höchstwahrscheinlich nicht nur im bayerischen Flachland, sondern auch in den höheren Lagen der Alpen auftritt.
Weniger Unsicherheit bei Änderungen
Aus dieser Aussage lässt sich leicht ableiten, dass zur Berechnung der globalen Durchschnittstemperatur weniger Messstationen erforderlich sind. Sie sollten nur innerhalb des Korrelationsradius von ungefähr 1000km liegen. Bis auf wenige Ausnahmen in der Arktis ist dies global erfüllt und ermöglicht eine präzise Erfassung der Veränderung der globalen Temperatur.
Wie gut dies funktioniert wird schnell bei Betrachtung der verschiedenen Datensätzen der Klimazentren ersichtlich. Jeder Datensatz wird leicht unterschiedlich berechnet, und wenn man Absolutwerte der Datensätze miteinander vergleichen würde, gäbe es erhebliche Unsicherheiten. Wenn jedoch die Veränderungen verglichen werden, zeigt sich eine hohe Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Datensätzen.
Man kann es sich vielleicht mit einem anderen Beispiel verdeutlichen. Angenommen, Sie haben eine Waage, die mit einer Genauigkeit von ±5% misst und 70kg anzeigt. Das bedeutet, dass ihr tatsächliches Gewicht irgendwo zwischen 66,5kg und 73,5 kg liegen könnte. Sie wiegen sich einige Monate später erneut und die Waage zeigt jetzt 72kg an, also eine Veränderung von 2 ± 5%kg bzw. 2 ± 0.1kg. Obwohl sie ihr genaues Gewicht also nur auf ± 3,6 kg genau kennen, wissen sie auf 0,1kg genau, wie viel sie zugenommen haben. Nicht richtig wäre es anzugeben, dass sie jetzt 72 ± 0,1kg wiegen würden. Die Unsicherheit beim absoluten Gewicht liegt jetzt bei ± 3,6kg. Nutzlos wäre zudem eine Angabe von 70 ± 3,5kg und 72 ± 3,6kg. Aufgrund der Unsicherheit wüssten sie in Wahrheit gar nicht mal, ob sie tatsächlich zugenommen hätten. Gleiches gilt, wenn sie eine andere Waage verwenden oder sich dazu parallel auf einer anderen Waage wiegen würden. Absolute Werte zu vergleichen wäre einfach zu unsicher. Viel sicherer ist es, Veränderungen anzugeben.
Dies gilt in ganz ähnlicher Weise für die globale Durchnittstemperatur, da hier die Kenntnis über die Änderungen aus einem stabilen Klima heraus viel wichtiger sind, als die über eine ungenaue Absoluttemperatur. Manche mögen es vielleicht nicht glauben wollen, aber Veränderungen bringen mehr Sicherheit.