Vor Eichen weichen und Buchen suchen? - ein gefährlicher Trugschluss
Nachdem innerhalb labiler Luft in den nächsten Tagen zunächst besonders im Süden Deutschlands einige Gewitter auftreten, weitet sich die Gewitteraktivität zum Freitag weiter nach Norden aus. Eine Gefahr, die oft in den Wetterberichten nicht explizit genannt wird, ist bei Gewittern immer der Blitzschlag.
Allein in Deutschland werden jährlich etwa 30 bis 50 Menschen vom Blitz getroffen, wobei dieses für etwa 3 bis 7 Menschen auch tödlich endet.
"Vor Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen"?
Im Zuge des Schutzes vor Blitzen geistert leider noch immer die sogenannte Volksweisheit: „Vor Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen“ herum.
Nun, zu allererst muss eindringlich gesagt werden, dass der Spruch richtiggehend lebensgefährlich ist. Bei Gewitter gilt: Weg von Bäumen. Oder wie es der US-amerikanische Wetterdienst so prägnant ausdrückt: „When thunder roars, get indoors“. Auf Deutsch also: „Wenn es donnert, geh nach drinnen“ und zwar bis wirklich kein Donner mehr zu hören ist. Denn einzelne Blitze können auch weit entfernt (bis zu 30 km) von der eigentlichen Gewitterwolke (quasi aus heiterem Himmel) einschlagen. Wo kein Haus in der Nähe ist, tut es auch ein Auto, sofern es nicht vollkommen aus Plastik ist (Stichwort Faraday’scher Käfig). Auf freiem Feld sucht man sich dagegen möglichst eine Mulde und hockt sich mit eng beieinanderstehenden Füßen hin. Im Haus gilt ubrigens noch: Nicht Duschen oder Baden, Computer und Fernseher - wenn möglich - ausstöpseln und dann am Fenster das Gewitter genießen.
Doch zurück zum bekannten Spruch „Vor Eichen sollst Du weichen, Buchen sollst Du suchen“. Einen Grund muss er ja haben. Schon Goethe lässt beispielsweise den Prometheus sagen: „Bedecke deinen Himmel, Zeus, mit Wolkendunst und übe, dem Knaben gleich, der Disteln köpft, an Eichen dich und Bergeshöhen!“. Die Eiche galt im Volksglauben seit jeher als besonders blitzgefährdet.
Unterschied zwischen Buchen und Eichen
Nun, es gibt verschiedene interessante Erklärungsansätze, wie der Spruch zustande gekommen ist:
In den 1950er Jahren vermutete man die Ursache in der unterschiedlichen Wurzeltiefe der beiden Baumarten. Während die Buche sich eher flach unter dem Boden ausbreiten, dringt die Wurzel der Eiche eher senkrecht und tief ins Erdreich ein. Die Eiche soll somit die kürzeste Verbindung mit dem Grundwasser herstellen, die dann auch der Blitz sucht. Somit sollte der Blitz, wenn er eine Wahl zwischen den verschiedenen Baumarten hat, die Eiche bevorzugen. Aber das ist nur ein gefährlicher Trugschluss, denn der Blitz schlägt verhältnismäßig ebenso oft in Buchen wie in Eichen ein und gefährdet ist man unter beiden Baumarten. Allerdings bleibt später der Einschlag in Buchen zumeist unbemerkt.
Aus diesem Grund dachte man eben anfangs, dass der Blitz Eichen bevorzugen würde. Die Ursache darin liegt in der Tatsache, dass bei einem Gewitterregen die durchnässte, glatte Buchenrinde nämlich eine Wasserbahn bildet. Diese kann die Elektrizität gut leiten und wird so ein natürlicher Blitzableiter, der deutlich sichtbare Beschädigungen und Zerstörungen des vom Blitz getroffenen Baums verhindert. Dabei ist in der Tat schon beobachtet worden, dass Menschen unter einer Buche vom Blitz erschlagen wurden, obwohl der Baum keine Beschädigungen aufwies.
Blitzwirkung bei Eichen
Bei der Eiche liegen die Verhältnisse anders. Die knorrige, rissige Rinde lässt keine durchgehenden Wasserbahnen zu und daher entsteht kein „Blitzableiter“. Der Weg des geringsten Widerstandes, den sich der Blitz sucht, verläuft durch das wasserleitende Splintholz und die äußeren Jahresringe. Durch die Hitze verdampft hier das Wasser schlagartig und der Stamm platzt deutlich sichtbar auf.
Nach dem Gewitter sieht man also bei Eichen deutlich den Einschlag, während man bei Buchen kaum etwas erkennt.
Abschließend sei noch erwähnt, dass diese Erklärung gar nicht mal so neu ist, wie es teilweise gerne behauptet wird. Zwar gab es – wie geschrieben – in den 1950ern auch andere Erklärungen, aber die anerkannte Erklärung mit der Sichtbarkeit des Einschlags findet sich bereits in einer Studie Anfang der 1930er Jahre von einem - mir leider nicht näher bekannten - Professor Walter aus Hamburg.