Visuelle Unordnung: Ablenkungen beeinflussen die neuronale Verarbeitung im Gehirn, so eine neue Studie

Visuelle Unordnung stört die Verarbeitung im Gehirn, besonders bei Reizen am Rand des Sichtfelds. Eine neue US-Studie zeigt nun, wie solche Ablenkungen den neuronalen Informationsfluss beeinflussen und die Wahrnehmung erschweren.

Visuelle Unordnung
Bereits ältere Studien belegen, dass visuelle Unordnung die Wahrnehmungsfähigkeit einschränkt. Bild: rawpixel/Pixabay

Unsere Umwelt ist selten frei von Ablenkungen. Selbst wenn wir uns auf ein bestimmtes Objekt konzentrieren, gibt es immer periphere Reize, die unser Blickfeld füllen. Die „visuelle Unordnung“ erschwert es häufig, Objekte klar zu erkennen, besonders wenn sie sich nahe bei anderen befinden.

Visuelles Gedränge (Visual Clutter) bezeichnet die visuelle Überfrachtung eines Raumes oder Bildes durch zu viele Objekte, Informationen oder Details, meist im peripheren Sichtfeld. Frühere Studien konnten nachweisen, dass visuelle Unordnung unsere Wahrnehmungsfähigkeit stört und zu einem Gefühl von Überforderung führen kann.

Eine aktuelle Studie von Forschern der Yale University, die in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht wurde, zeigt nun, wie die Unordnung den Informationsfluss im Gehirn beeinflusst. Demnach fällt es uns in Situationen, in denen viele Reize nahe beieinanderliegen, schwerer, diese auseinanderzuhalten.

In alltäglichen Situationen, wie beim Autofahren, konzentriert man sich zwar auf das Auto vor einem, doch die Aufmerksamkeit kann auf ein anderes Fahrzeug auf der Nachbarspur gerichtet sein. In solchen Fällen erhält das Gehirn detaillierte Informationen aus dem zentralen Sichtfeld, während die relevanten Informationen aus der Peripherie kommen.

Was passiert im Gehirn bei visueller Unordnung?

Ein weiteres Beispiel ist das Lesen eines Wortes aus dem Augenwinkel, wobei bestimmte Buchstaben den Erkennungsprozess stärker stören als andere. So wird der Buchstabe „t“ in „cat“ im peripheren Blickfeld eher den Buchstaben „a“ überlagern als der benachbarte Buchstabe „c“, auch wenn beide gleich weit entfernt sind.

Die Yale-Forscher wollten nun herausfinden, was im Gehirn passiert, wenn visuelle Unordnung das Sichtfeld überlagert. Dazu trainierten sie Makaken, eine Primatenart mit einem visuellen System ähnlich dem des Menschen. Die Affen fixierten dabei die Mitte eines Bildschirms, während visuelle Reize sowohl im Zentrum als auch am Rand ihres Sichtfelds präsentiert wurden.

Während der Aufgabe wurde die Aktivität der Neuronen im primären visuellen Kortex, der für visuelle Verarbeitung zuständig ist, gemessen. Die Forscher entdeckten, dass die Position der störenden Reize im Gesichtsfeld zwar nicht die Art und Weise beeinflusste, wie Informationen zwischen den Neuronen weitergeleitet wurden, dafür aber die Stärke des Informationsflusses veränderte.

Die zentrale Erkenntnis war also, dass das Gehirn trotz Überlagerung durch periphere Reize den Informationsweg zwar beibehält, jedoch die Verarbeitungsgeschwindigkeit darunter leidet. Die Studienautoren verglichen den Prozess mit einem Telefonbaum, bei dem Nachrichten von Person zu Person weitergegeben werden. In einer Umgebung mit visueller Unordnung bleibt die Reihenfolge des „Telefonbaums“ im Gehirn konstant, doch die Übertragung der Informationen verläuft langsamer oder weniger effizient.

Außerdem hängt es vom konkreten Ort der Verarbeitung im Gehirn ab, wie schnell oder langsam die Informationen verarbeitet werden. „Zum Beispiel würde ein visuelles Durcheinander an einem Ort die Informationen in einer bestimmten Schicht des primären visuellen Kortex weniger stark beeinflussen als ein Durcheinander an einem anderen Ort“, erklärt Monika Jadi, Assistenzprofessorin für Psychiatrie an der Yale School of Medicine und Co-Autorin der Studie.

„Wir wussten bereits, dass in den einzelnen visuellen Bereichen komplexe Berechnungen stattfinden, deren Ergebnisse dann an den nächsten Bereich der visuellen Hierarchie weitergeleitet werden, um die gesamte Berechnung der Objekterkennung abzuschließen“, so Jadi.

Visuelle Hierarchie
Informationsverarbeitung im peripheren Sichtfeld (visuelle Hierarchie). Bild: Xu et al., 2024

Die Ergebnisse schließen eine Lücke beim Verständnis der neuronalen Grundlagen der Wahrnehmung. Die Untersuchung wirft auch neue Fragen zur Rolle der Aufmerksamkeit in der visuellen Verarbeitung auf.

Die Forscher wollen in zukünftigen Studien untersuchen, wie das Gehirn solche Aufmerksamkeitsverlagerungen kompensiert und wie sie den Informationsfluss im visuellen Kortex beeinflussen. Die Studie liefert neue Einblicke in die Funktionsweise des visuellen Systems und zeigt, wie visuelle Unordnung die neuronale Effizienz beeinträchtigt.

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Quelle:

Xu, X., Morton, M. P., Denagamage, S., Hudson, N. V., Nandy, A. S., & Jadi, M. P. (2024): Spatial context non-uniformly modulates inter-laminar information flow in the primary visual cortex. Neuron. https://doi.org/10.1016/j.neuron.2024.09.021