Treibeis beeinflusst die Schifffahrtssaison in der Nordwestpassage

Die Transportreedereien hatte bisher angenommen, dass die Nordwestpassage durch den Klimawandel länger eisfrei bleibt und ganzjährig besser befahrbar ist. Eine neue Studie widerlegt diese Annahme. Zumindest für einige Abschnitte scheint durch Treibeis das Gegenteil zu gelten.

Nordwestpassage
Kaum beachtet - und doch so wichtig: Die Nordwestpassage

Ein Team von WissenschaftlerInnen hat in einer Studie aus dem POLARIS-System (Polar Operational Limit Assessment Risk Indexing System) diverse Ergebniswerte abgeleitet. Damit wurden Änderungen der Dauer der Schifffahrtssaison entlang einzelner Abschnitte der Nordwestpassage-Routen von 2007 bis 2021 analysiert.

Große Unterschiede der Routenführung

Die Schifffahrtssaison auf den südlichen und nördlichen Routen der Nordwestpassage ist räumlich und zeitlich sehr unterschiedlich. Insbesondere auf Teilen der nördlichen Route ist die Dauer der Schifffahrtssaison in den letzten 15 Jahren um bis zu 14 Wochen gesunken.

Diese saisonalen Schwankungen, vornehmlich die Verkürzung, haben große Auswirkungen auf die internationale Schifffahrt. Die Auswirkungen davon werden unter anderem bei der Versorgung und den Kosten von Lebensmitteln in vielen arktischen Gemeinden spürbar sein.

Nordwestpassage: eine Schlüsselroute für den internationalen Schiffsverkehr

Die Schifffahrt durch die kanadischen Arktisgewässer gilt weltweit als besonders attraktiv. Die sogenannten Nordwestpassage zeigt sich als praktikable, kürzere und möglicherweise wirtschaftlichere Alternative zu den traditionellen Schifffahrtsrouten zwischen Atlantik und Pazifik, wie zum Beispiel den Panama- oder den Suezkanal. Auf diese Tatsache verweise die AutorInnen in der Einleitung zu ihrer Studie.

Der Klimawandel habe dazu geführt, dass auf verschiedenen Seewegen nördlich des kanadischen Festlands das Eis in der wärmeren Jahreshälfte oft vollständig wegtaut. Damit werden die Passagen auch für Schiffe frei, die nicht die massive Bauweise von Eisbrechern haben.

Das Forschungsteam weist allerdings darauf hin, dass es eher unwahrscheinlich ist, auszugehen, dass dieser Vorteil überall zum Tragen käme. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass die Bedingungen in den analysierten Seegebieten sich ständig ändern würden.

Vier Routen im Fokus

Eine der momentan am häufigsten verwendeten Route führt südlich der Victoria-Insel vorbei und bleibt nahe am kanadischen Festland. Würden die Schiffe dagegen einen Weg nördlich der Insel nehmen können, wäre diese Alternativroute ca. 500 Kilometer kürzer. Diese Nordumfahrung ist seit 2007 in den Sommermonaten zum Teil eisfrei.

Das Meereis in der Arktis hat im Laufe der Satellitenaufzeichnungen erheblich abgenommen, was insbesondere in den Sommermonaten der Fall ist. So hat sich in der kanadischen Arktis die Meereisfläche zwischen 1968 und 2016 um 5–20 % pro Jahrzehnt reduziert. Damit habe sich die Zahl der Schiffspassagen durch die kanadische Arktis seit 1990 vervierfacht.

Eisarten zeigen erhebliche Abweichungen

Das arktische Meereis hat sich von einem ganzjährigen Eis zu einem saisonalen gewandelt. So wurde aus älterem und dickerem Eis ein überwiegend jüngeres und dünneres Eis. Dies hat in der Seeschifffahrt zu der Überzeugung geführt hat, dass die Routenführung durch Kanadas Nordwestpassage rentabler wird.

Schiffsklasse und untersuchte Routen

Die Analyse basierte auf Schiffe der Polarklasse PC 7, die durch bis zu 70 Zentimeter dickes Eis fahren können. Innerhalb den beiden genannten Schiffsrouten untersuchten die WissenschaftlerInnen vier Stellen, an denen besonders häufig Eis die Durchfahrt behinderte.

Eine dieser Passagen führt im Westen der Banks-Insel entlang, der westlichsten Insel im kanadisch-arktischen Archipel und nördlich von der Victoria-Insel gelegen. Konnten PC-7-Schiffe diesen Bereich im Jahr 2007 noch 27 Wochen lang passieren, waren es 2021 nur noch 13 Wochen – also 14 Wochen weniger.

Nordöstlich der Banks-Insel, sank der Durchfahrtszeitraum von 6,5 auf 2 Wochen, wobei diese Stelle im Jahr 2018 sogar für weniger als eine Woche passierbar war.

Lediglich für die Meerenge Prince Regent-Inlet, die östlich der Victoria-Insel liegt, stieg im Untersuchungszeitraum die Anzahl der Wochen, in denen sie für PC-7-Schiffe passierbar war, und zwar um 4,5 Wochen.

Frühere Studien der Nordwestpassage hatten die Hoffnung auf mehr eisfreie Durchfahrten erweckt. Man hatte auf ausschließlich „junges Eis“ in der Passage gesetzt, also Eis, das im Sommer taut und im Winter wieder gefriert.

Von der Forschungsgruppe nachgewiesen wurde dagegen eine hohe Menge an „altem Eis", das aus dem Norden in die Schifffahrtswege driftet. Dies führt dazu, dass die erhoffte Erleichterung der Nordwestpassage nicht so stattfindet, wie prognostiziert und die Route seltener befahrbar ist.

Neue Studie liefert wichtige Erkenntnisse

Die Ergebnisse und Messungen lassen Schlüsse auf die durch den Klimawandel wärmer werdende Arktis. Als direkte Folge treibt älteres und dickeres Eis, das sich aus der arktischen Eisschicht löst, nach Süden. So entstehen künstliche Flaschenhälse entlang bestimmter Routenabschnitte der Nordwestpassage, was letztendlich die Dauer der möglichen Durchfahrbarkeit verkürzt.

Die Studie untermauert, dass sich sowohl die Wissenschaft als auch die Wirtschaft, in diesem Fall die Schiffstransport-Logistik, nicht auf Annahmen verlassen kann, mit denen wärmer und eisfreier werdende Ozeane auf den Arktisrouten auch besser passierbar sind.

Link zur Studie:

Cook, A.J., Dawson, J., Howell, S.E.L. et al. Sea ice choke points reduce the length of the shipping season in the Northwest Passage. Commun Earth Environ 5, 362 (2024). https://doi.org/10.1038/s43247-024-01477-6

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