Studie zur weltweiten Klimapolitik: Was wirklich wirkt fasst Klimaexperte Ralf Roschlau zusammen

Ein internationales Forschungsteam hat 1.500 Politikmaßnahmen aus 41 Ländern und allen Kontinenten einer ausführlichen Prüfung unterzogen. Die Ergebnisse wurden nun im renommierten Fachjournal Science veröffentlicht.

Welche politischen Maßnahmen führen zur Reduzierung der Treibhausgase?

Beispiellose Analyse klimapolitischer Maßnahmen der letzten 20 Jahre

Internationale Ökonominnen und Ökonomen haben durch die Auswertung einer großen und internationalen Anzahl von Politikmaßnahmen erreicht, dass die Entscheidungen der letzten 20 Jahre ein detailliertes Bild zur Wirksamkeit von Politikinterventionen liefern.

Die Entwicklung des Ausstoßes von menschengemachten Treibhausgasen in diesem Zeitraum zeigt, dass mit der überwiegenden Mehrzahl der politischen Maßnahmen keine Emissionsreduktion im erforderlichen Ausmaß erzielt wurde.

Nur wenige positive Beispiele

Das Forscherteam hat nur 63 Fälle erfolgreicher Klimapolitik identifiziert, die zu nennenswerten Emissionsminderungen von durchschnittlich 19 Prozent geführt haben. Diese Erfolgsfälle haben eine Gemeinsamkeit, die offensichtlich den entscheidenden Unterschied ausmacht. Diese aufgeführten Politikpakete haben erfolgreich auf die Hebelwirkung von Steuer- bzw. Preisanreizen gesetzt.

Viele Diskussionen – wenig Wirksamkeit

Politik und Wissenschaft diskutieren zusammen mit den großen Industrieverbänden permanent darüber, welche Politikmaßnahmen beim Klimaschutz wirken und welche nicht. Wissenschaftlich analysiert wurde bislang jedoch lediglich die Wirkung einzelner Politikinstrumente, während hunderte andere umgesetzte Maßnahmen von keiner Seite der Beteiligten ausreichend evaluiert wurden.

Diese Bewertungslücke soll durch die neue Studie jetzt geschlossen werden. Die Leitung des Projektes lag beim Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) und beim Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC). Weitere Verbände und Universitäten haben ihre Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in das Forschungsteam eingebacht, darunter die Universität Oxford, die Universität Victoria und die Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD).

Bewertungstool

Der „Climate Policy Explorer“ wurde am 22. August der Öffentlichkeit vorgestellt und ist unter dem Link am Ende dieses Artikels aufrufbar. Dieses „Dashboard“ begleitet die Studie und bietet einen Überblick über deren Ergebnisse, Analyse und Methoden.

Der Leitautor Nicolas Koch vom PIK und MCC erklärte dazu:

„Wir haben uns systematisch wirksame politische Maßnahmen angeschaut, die bislang selten untersucht wurden. Unser Ansatz liefert insbesondere neue Erkenntnisse zur wirksamen Kombination von Klimapolitikinstrumenten.“

Daraus werden nach seiner Aussage bewährte Best-Practice-Beispiele abgeleitet, die sich quer durch die Sektoren Gebäude, Strom, Industrie und Verkehr ziehen. Prägend für die Ergebnisse sei die Tatsache, dass die Studie sowohl die Industrieländer als auch die oft vernachlässigten Entwicklungsländer berücksichtige.

Die Ergebnisse würden verdeutlichen, dass viele Maßnahmen nicht automatisch viel helfen, sondern es vielmehr auf den richtigen Mix der Maßnahmen ankäme. So reiche es zum Beispiel nicht, alleine auf Subventionen oder Regulierung zu setzen. Die Studie habe gezeigt, dass nur im Zusammenspiel mit preisgestützten Instrumenten, wie etwa CO2- und Energiesteuern, die Emissionen wirklich maßgeblich gesenkt werden könnten.

Verbote für Kohlekraftwerke im Stromsektor oder von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren im Verkehr seien Beispiele hierfür. Die Forschenden fanden keinen Fall mit deutlicher Emissionsreduktion, wenn das Verbot allein eingeführt wurde.

Erst im Tandem mit Steuer- bzw. Preisanreizen hätten die Maßnahmen zum Erfolg geführt, wie es etwa für Großbritannien bei der Kohleverstromung oder in Norwegen bei Autos aufgezeigt wurde.

1.500 Maßnahmen aus zwei Jahrzehnten - 63 Erfolgsbeispiele

Die Evaluierung von Politikmaßnahmen hat die Jahre zwischen 1998 bis 2022 berücksichtigt. Insgesamt enthält die Studie die stattliche Anzahl von 1.500 Politikinterventionen. Die Forschenden arbeiteten dabei mit einer neuen Datenbank der OECD, die die bisher umfassendste Bestandsaufnahme der weltweit umgesetzten Klimapolitik darstellt.

Auch diese Datenbank habe ich am Ende dieses Artikels verlinkt. Sie stellt einen innovativen Ansatz dar, der Methoden des maschinellen Lernens mit etablierten statistischen Verfahren kombiniert.

Dadurch wurde es dem Forschungsteam ermöglicht, erstmals eine detaillierte Analyse aller erfassten Politiken zu erstellen. So erfolgte die Identifikation derjenigen Maßnahmen, welche Emissionsreduktionen im großen Rahmen erzielten.

Die Leitautorin Annika Stechemesser vom PIK und MCC erklärte dazu:

„Auch wenn es schwierig bleibt, die Wirkung einzelner Maßnahmen in einem Mix genau zu entschlüsseln, gewnnen wir aus unseren 63 Erfolgsfällen systematische Erkenntnisse darüber, welche Maßnahmen sich gut ergänzen und wie der Erfolg von Instrumenten vom Sektor aber auch vom Entwicklungsstand der Länder abhängt“

Die Forschenden vertreten die Meinung, dass dieses Orientierungswissen von großer Bedeutung sei, um Politik und Gesellschaft bei der Transformation zur Klimaneutralität zu unterstützen.

Beispiele aus dem Climate Policy Explorer

Im Industriesektor zeige das Beispiel China, wie nach der Einführung von Emissionshandelssystemen im Pilotprojekt nach einigen Jahren effektiv Emissionen reduziert werden konnten. Entscheidend waren hier jedoch auch der Abbau von Subventionen auf fossile Brennstoffe und stärkere Finanzierungshilfen bei Energieeffizienzmaßnahmen.

Im Stromsektor stellten die Forschenden deutliche Emissionsreduktionen in Großbritannien heraus, die sowohl auf die Einführung eines CO2-Mindestpreises zurückgeführt werden können, aber auch Teil eines breiteren Politikmixes mit Subventionen für erneuerbare Energien und einem Ausstiegplan aus Kohlekraftwerken waren.

Die USA seien ein Beispiel für erfolgreiche Emissionsreduktionen im Verkehrssektor, die unter anderem auf Steueranreize und Subventionen für umweltfreundliche Fahrzeuge als auch auf CO2-Effizienzstandards zurückgeführt wird.

In Deutschland werde für den Verkehr die Ökosteuerreform ab 1999 und die Einführung der LKW-Maut in 2005 als Erfolgsfall identifiziert.

Gute Beispiele – oder weiterhin politischer Streit?

Die Beschlüsse zu Maßnahmen gegen den Klimawandel erfordern breitesten, politischen Konsens.

Alleine schon die Tatsache, dass in Deutschland zumindest zwei Parteien mit Wählerpotenzial über 10% die Klimaveränderungen als solche und deren Auswirkungen im Speziellen bestreiten, unterstreicht, dass dieser Konsens in unserem Land noch nicht vollumfänglich vorhanden ist.

Es bleibt abzuwarten, ob sich nach Veröffentlichung dieser Studie und deren Grundlagen beziehungsweise Tools irgendetwas an diesem nicht vorhandenen Konsens ändert.

Link zur Studie Studie Climate Policies

Link zum interaktiven "Climate Policy Explorer" Climate-Policy-Explorer

Link zum OECD- Data Explorer OECD-Data-Explorer