Schwefelbakterien als Klimaakteure? Diese Rolle spielen sulfatreduzierende Bakterien im globalen Kohlenstoffkreislauf

Tief im Meeresboden wirken unsichtbare Helfer: Sulfatreduzierende Bakterien zersetzen organische Substanzen und beeinflussen so den globalen Kohlenstoffkreislauf. Ihre besondere Stoffwechselstrategie macht sie unverzichtbar für Ozeane und Klima.

Bakterienkultur
Proteine sind die molekularen Werkzeuge von Bakterien. Welche Proteine aktiv sind, analysieren die Forschenden mit verschiedenen Methoden. Nach der ersten Trennung des Molekülmixes sammeln sich ähnliche Proteine in blauen Bändern in einem speziellen Gel. Bild: Universität Oldenburg/Matthias Knust

Sulfatreduzierende Bakterien bauen organische Substanzen in sauerstofffreien Zonen der Erde ab, besonders im Meeresboden. Eine Familie dieser Mikroorganismen, die Desulfobacteraceae, zersetzt alle möglichen komplexen Verbindungen, bis hin zu Kohlendioxid.

Desulfobacteraceae sind eine Familie sulfatreduzierender Bakterien innerhalb der Klasse Deltaproteobacteria.

Aktuelle Forschungen unter der Leitung der Universität Oldenburg zeigen nun, warum diese Bakterienfamilie so erfolgreich ist. In einer Studie, die in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht wurde, untersuchte ein Team um Dr. Lars Wöhlbrand und Prof. Dr. Ralf Rabus die Stoffwechseleigenschaften verschiedener Vertreter der Desulfobacteraceae.

Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass alle untersuchten Arten über zentrale metabolische Elemente verfügen, die durch bestimmte Proteine ergänzt werden, um unterschiedliche organische Substanzen abbauen zu können. Dieses modulare System könnte erklären, warum diese Bakterienfamilie so effektiv ist.

Sulfat zum Atmen

„Die Sulfatreduzierer führen ein Leben am thermodynamischen Limit“, erläutert Prof. Dr. Ralf Rabus, Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine und Molekulare Mikrobiologie am Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg. Anstelle von Sauerstoff nutzen die Bakterien Sulfat zum Atmen. Obwohl sie dabei nur einen Bruchteil der Energie aerober Bakterien gewinnen, zersetzen sie dennoch einen Großteil des organischen Materials am Meeresboden.

Schätzungen zufolge übernehmen sulfatreduzierende Bakterien in küstennahen Gewässern und Schelfgebieten im Meeresboden mehr als die Hälfte des Abbaus. Ihre Aktivität wird beispielsweise im Watt sichtbar, wo das Sediment bereits wenige Millimeter unter der Oberfläche keinen Sauerstoff mehr enthält. „Als Folge bildet sich übelriechender Schwefelwasserstoff und es entstehen die markanten Ausfällungen von schwarzem Eisensulfid“, so Rabus.

Forscher
Die Mikrobiologen Ralf Rabus (l.) und Lars Wöhlbrand sind Experten für sulfatreduzierende Bakterien, die in sauerstoffarmen Sedimenten leben. Bild: Universität Oldenburg/Matthias Knust

Um die globale Verbreitung und Funktion der Desulfobacteraceae besser zu verstehen, führte das Forschungsteam eine umfassende Literaturstudie durch. Dabei zeigte sich, dass diese Bakterien weltweit in allen Meeresgebieten zwischen Arktis und Antarktis vorkommen, insbesondere unter sauerstoffarmen oder sauerstofffreien Bedingungen.

Einige davon sind Spezialisten, die nur bestimmte Verbindungen abbauen.

In Experimenten wurden sechs unterschiedliche Stämme von Desulfobacteraceae kultiviert. „Einige davon sind Spezialisten, die nur bestimmte Verbindungen abbauen, andere können ein sehr breites Spektrum an Stoffen verwerten. Manche sind klein und kugelförmig, andere länglich oder sogar fadenförmig“, berichtet Hauptautor Dr. Lars Wöhlbrand.

Den Mikroben wurden 35 Nahrungsangebote gemacht, von einfachen Gärungsprodukten bis hin zu langkettigen Fettsäuren oder schwer abbaubaren aromatischen Verbindungen. Insgesamt wurden 80 unterschiedliche Testbedingungen angewendet. Anschließend analysierten die Forscher, welche Gene beim Abbau dieser Stoffe aktiv wurden und welche Proteine dabei zum Einsatz kamen.

Insgesamt verwendeten die verschiedenen Arten sehr ähnliche molekulare Werkzeuge, um die Substanzen zu zerlegen. Für den zentralen Stoffwechsel nutzen alle sechs untersuchten Arten den gleichen, besonders energiesparenden Weg. Daraus lässt sich schließen, dass die Desulfobacteraceae wie ein Team agieren und deswegen unter unterschiedlichen geochemischen Bedingungen und an verschiedenen Orten verschiedene Ausgangsstoffe zersetzen können.

„Es gibt nicht die eine dominierende Schlüsselart“, sagt Rabus. Vielmehr funktionieren die Bakterien als Gemeinschaft, in der alle zusammenarbeiten. Diese Flexibilität könnte erklären, warum die Desulfobacteraceae weltweit zu den am weitesten verbreiteten Sulfatreduzierern gehören.

Außerdem wurde untersucht, ob sich spezifische genetische Module in Sedimentproben nachweisen lassen. Tatsächlich wurden entsprechende Gene in nahezu allen untersuchten Sedimentproben gefunden – von Flachwasserzonen über Tiefseeregionen bis hin zu Gebieten wie nährstoffreichen Flussmündungen, Tiefseequellen oder dem sauerstoffarmen Schwarzen Meer. Demnach sind Desulfobacteraceae für den Abbau von Kohlenstoff besonders wichtig.

Weil der Sauerstoffgehalt der Meere aufgrund von Überdüngung und globaler Erwärmung seit etwa 1960 abnimmt, wird der Anteil der Mikroben am Kohlenstoffabbau in küstennahen Gebieten künftig voraussichtlich noch zunehmen.

Die Studie liefert wertvolle Informationen zur Funktionsweise der Desulfobacteraceae im globalen Kohlenstoffkreislauf. Sie macht deutlich, dass die Mikroben in künftigen Klimamodellen und Umweltstrategien berücksichtigt werden sollten, um ein umfassenderes Verständnis biogeochemischer Prozesse in den Ozeanen zu erlangen.

Quellenhinweis:

Wöhlbrand, L., et al. (2025): Key role of Desulfobacteraceae in C/S-cycles of marine sediments is based on congeneric catabolic-regulatory networks. Science Advances, 11, eads5631.