Kann ein Schmetterling am Amazonas bei uns einen Orkan auslösen?
"Schon der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien kann einen Orkan in Texas auslösen." Viele haben diesen Satz sicher schon einmal gehört. Doch stimmt das wirklich und was steckt hinter diesem sogenannten "Schmetterlingseffekt"?
Gerne werden Meteorologen schon Wochen oder sogar Monate vor dem Fest gefragt, ob es denn in diesem Jahr "weiße Weihnachten" gibt oder nicht. In solchen Fällen müssen seriöse Meteorologen leider passen und können nur etwas über statistische Wahrscheinlichkeiten erzählen. Doch eine Wettervorhersage ist über einen so langen Zeitraum nicht möglich.
Chaostheorie und Schmetterlingseffekt
Doch warum sind der Vorhersage über einen langen Zeitraum überhaupt Grenzen gesetzt? Um das zu verstehen, kommt nun der Meteorologe Edward Lorenz mit seinem "Schmetterlingseffekt" ins Spiel. Im Jahr 1963 stellte Lorenz nämlich fest, dass in einer damals noch sehr einfachen Wettersimulation das Geschehen einen völlig anderen Verlauf nahm, wenn man die Ausgangsbedingungen auch nur ein klein wenig veränderte.
Damit gilt der amerikanische Meteorologe als Begründer der Chaostheorie. Dabei war die Entdeckung des chaotischen Verhaltens dieses Systems eher ein Zufall. Als er sein Modell ein zweites Mal berechnete, wollte er Rechenzeit sparen und gab die Anfangsbedingungen nur mit drei Nachkommastellen anstatt vorher mit sechs Nachkommastellen an. Obwohl die Anfangsbedingungen kaum voneinander abwichen, kam Lorenz nach einer gewissen Zeit zu völlig anderen Ergebnissen.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass winzige Veränderungen in den Ausgangsbedingungen in einem chaotischen System kaum Auswirkungen haben, wie man vermuten könnte, sondern zu enormen Abweichungen führen können.
Grenzen der Wettervorhersage
Und damit sind wir wieder bei den Grenzen der Wettervorhersage. In der Meteorologie wird heutzutage die Vorhersage aus den Rechenergebnissen verschiedener Modelle abgeleitet. Mit Hilfe von komplexen Gleichungen wird dabei der Zustand der Atmosphäre zu einem späteren Zeitpunkt berechnet. Dafür benötigt die Simulation den Anfangszustand (den "Ist- Zustand") in der Atmosphäre.
Dieser Anfangszustand ergibt sich aus den Daten der Wetterstationen, Messungen von Bojen, Schiffen und Flugzeugen, Ballonaufstiegen, aber auch aus Satelliten- und Radardaten. Das Problem an diesen Berechnungen ist, dass die Atmosphäre ein chaotisches System ist.
Das bedeutet, dass schon kleinste Abweichungen in den Anfangsbedingungen zu einer völlig anderen Wetterentwicklung in der Zukunft führen können. Diese Anfangsbedingungen der Atmosphäre für die Wettermodelle lassen sich jedoch nicht exakt bestimmen. Zum einem gibt es nicht für jeden Punkt der Atmosphäre Messungen, zum anderen sind alle Beobachtungen in einem gewissen Rahmen fehlerbehaftet.
Damit werden die Modellrechnungen mit zunehmender Vorhersagezeit immer unsicherer. Denn die kleinste Abweichung beim Anfangszustand potenziert sich, je weiter man in die Zukunft rechnet. Dazu kommt, dass man in einem chaotischen System für eine Verdoppelung der Vorhersagezeit nicht die doppelte Anzahl von Messstellen braucht, sondern ein Vielfaches. Der Begriff des exponentiellem Wachstums ist vielen sicher seit der Corona-Pandemie ein Begriff.
Die Zuverlässigkeit von Wettermodellen hängt dabei stark von der Wetterlage ab. Bei stabilen Wetterlagen funktioniert die Vorhersage bis zu einer Woche schon ganz gut, als grober Trend auch bis zu 10 Tagen. Dagegen ist der Zeitraum bei einer komplizierten Grenzwetterlage oft auf nur wenige Tage beschränkt, wenn überhaupt.
Ensembleberechnungen
Dem Problem mit dem Chaos versucht man dann noch mit sogenannten Ensembleberechnungen zu begegnen. Dabei wird ein Wettermodell mit jeweils leicht variierten Anfangsbedingungen berechnet. Häufen sich dabei bestimmte Wetterentwicklungen, gelten diese als am wahrscheinlichsten. Dazu aber mehr in einem späteren Artikel über Wettermodelle. Dann auch mehr dazu, was Wetter- von Klimamodellen unterscheidet.
Auch in Zukunft wird es daher trotz immer besserer Computer und genaueren Messdaten noch Grenzen bei der Vorhersagezeit geben. Der Mathematiker und Chaosforscher Wladimir Igorwitsch Arnold stellte fest, dass die prinzipielle Grenze von Wettervorhersagen bei zwei Wochen liegt.
Trotzdem sollte man den "Schmetterlingseffekt" als eine Metapher ansehen und nicht allzu wörtlich nehmen. Die Kausalkette, wie der Effekt vom Flügelschlag eines Schmetterlings bis zu einem Sturm mehrere tausend Kilometer entfernt wirken soll, kann wohl kein Meteorologe der Welt angeben. Dazu gibt es einen schönen Satz von Brendan McWilliams vom irischen Wetterdienst: "Ein Schmetterling wird mehr vom Wetter beeinflusst als das Wetter von einem Schmetterling!"