Petrichor – oder die Sehnsucht nach dem Duft des Regens
Ja, es wird in den nächsten Tagen teilweise heiß, aber was viel gravierender ist, ist die anhaltende Trockenheit. Denn diese sorgt nicht nur unmittelbar für die bestehende hohe bis sehr hohe Waldbrandgefahr, sondern eben auch in langer Sicht für deutliche Ernteeinbußen. Regen ist essentiell für unser Leben.
Nicht umsonst wurden früher Regentänze durchgeführt und sogar Oper jeglicher Form gebracht um den Regengott zu besänftigen und ihn zur Regenerzeugung zu animieren. Nun wissen wir mittlerweile, dass es sich dabei um – sagen wir mal – recht abergläubische Zeremonien handelte und kein Regengott dafür verantwortlich ist, ob es regnet oder nicht. Es ist einfach Physik. Aber wenn wir schon beim Menschlichen sind, so ist purer Sonnenschein für den geneigten Wetterliebhaber doch mit der Zeit ziemlich nervtötend. Was bietet der Regen nicht für ein Detailreichtum, so dass man ihm nicht anders als mit einer großen Faszination begegnen kann? Ein spannender Aspekt ist beispielsweise der Duft des Regens, oder Petrichor, wie dieser international gültig benannt wurde.
Petrichor - Der Duft des Regens
Petrichor ist der Geruch, der entsteht, wenn nach einer Trockenperiode der Regen einsetzt. Der Geruch wird als würzig oder erdig beschrieben und allgemein als angenehm, wohlriechend empfunden. Evtl. beruht letzteres auf der evolutionären Tatsache, dass die menschlichen Kulturen seit jeher abhängig vom Regen waren und der Duft eben ggf. mit dem Ende der Existenzbedrohenden Trockenheit verbunden war.
Das Wort Petrichor selbst ist ein Kunstwort aus den griechischen Wörtern „petra“, was Stein bedeutet, und „ichor“, was sich in der griechischen Mythologie auf die goldene Flüssigkeit bezieht, die in den Venen der Unsterblichen, also der Götter fließt.
Erschaffen wurde dieser Ausdruck 1964 von zwei australischen Wissenschaftlern (Isabel Bear und Richard G. Thomas – Ehre, wem Ehre gebührt). Zwar wurde der seit jeher bekannte Regenduft schon im 19ten Jahrhundert erforscht, aber erst jene beiden Wissenschaftler vom australischen Forschungsinstitut CSIRO kamen dem Phänomen detaillierter auf die Spur. Dazu dampfdestillierten sie trockene Steine und setzten damit ein gelbfarbiges Öl frei, das vorher in Felsen und Boden eingeschlossen war und letztlich für den einzigartigen „Regen-„ Geruch verantwortlich ist.
Die Quelle dieses Öls ist eine Kombination aus Ölen: Zum einen scheiden bestimmte Pflanzen in Trockenzeiten eine Flüssigkeit aus, wodurch letztlich signalisiert werden soll, dass das Wurzelwachstum und die Samenkeimung gestoppt werden sollen. Aus der Flüssigkeit bilden sich Aerosole (Schwebstoffe), die wiederum in tonhaltiger Erde und Steinen absorbiert werden. Hier sorgen dann chemische Prozesse (unter anderem durch bodenbewohnende Bakterien) für eine weitere Veränderung der Substanz.
Freisetzung der Duftstoffe
Ein Teil davon wird schon während der Trockenperiode abgesondert, aber dieser ist so gering, dass man ihn nicht wahrnimmt. Steigt nun aber die Luftfeuchtigkeit (oder der Taupunkt), was oft ein erstes Anzeichen für die Möglichkeit von Regen ist, dann werden die Poren von Gestein und Erde mit Feuchtigkeit eingeschlossen, wodurch ein etwas größerer Teil der Öle in die Luft abgegeben wird. Daher glauben einige Menschen schon vor dem Regen diesen riechen zu können.
Setzt dann aber der Regen wirklich ein, dann wird ein noch größerer Teil des Öls in die Luft abgegeben und Petrichor ist nun für fast alle Menschen deutlich wahrnehmbar. Dabei fangen Regentropfen, die auf den staubigen oder lehmigen Boden landen, winzige Luftbläschen an der Oberfläche ein, die dann nach oben schießen und aus dem Tropfen platzen. Hierbei werden die Duftaerosole in die Luft geschleudert, wo sie dann vom Wind verteilt werden und letztlich in unser Reichorgan gelangen können.
In Bezug auf das Tropfenspektrum, so sorgt ein leichter bis mäßiger Regen mit kleineren Tropfen anscheinend für den kräftigsten Geruch. Bei starkem Regen unterdrückt die Fallgeschwindigkeit der großen, etwas abgeplatteten Regentropfen die Bildung von Blasen, wodurch die Freisetzung von Aerosolen behindert wird.
Nun, angesichts der aktuell herrschenden Regenarmut, aber auch weil Regen generell so ein faszinierendes vielschichtiges Phänomen ist, hoffen wir, dass wir bald mal wieder Petrichor genießen dürfen. Was gibt es Schöneres als einen herrlichen, mäßig starken Sommerregen?
Bzw. es gilt der Satz, der gerne Bob Marley zugeschrieben wird: „Manche Leute spüren den Regen. Andere werden einfach nass.“, wobei man im Bezug auf Petrichor eben „spüren“ durchaus mit „riechen“ ersetzen kann.