Nachrichten aus den Ozeanen der Erde: Wie ist der Zustand der Meere?
Dr. Antje Boetius leitet das Alfred-Wegener-Institut (AWI). Zusammen mit anderen Wissenschaftlern forscht sie speziell zu den Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltmeere und Polarregionen.
Ozeane - unsere Meere auf der Kippe
In ihrem Vortrag wies Boetius zunächst auf die Rolle der Ozeane beim Klimagleichgewicht und dem gesamten ökologischen bzw. biologischen Spektrum auf der Erde hin. Sie sagte dazu:
Die Meere sind das wahre Herz der Erde
71 Prozent der Erdoberfläche sind von Meereswasser bedeckt. Die Ozeane der Welt speichern 93 Prozent der zusätzlichen Erwärmung und nehmen mehr als ein Viertel des CO₂ aus der Atmosphäre auf. Ohne diese Wärmespeicher wäre es um 40 Grad heißer.
Für die Wissenschaft steht fest, dass die CO₂ -Speicherfähigkeit von Ozeanen und Land mit zunehmender Erwärmung abnimmt. Dazu Boetius:
Wenn die Wälder brennen und der Boden und Moore austrocknen, entweiche immer mehr CO₂ in die Atmosphäre. Das Klima heize sich weiter auf. Dadurch entstehe ein Teufelskreis.
Der sprunghafte Anstieg der Ozeantemperatur in den letzten Jahren stellt die Wissenschaft derzeit vor ein großes Rätsel. Die Nordsee sei etwa im Durchschnitt um 2,2 Grad zu warm und habe zu einem völligen Umzug von Fischen geführt, so Boetius.
Mit dem Wärmephänomen El Niño alleine ließe sich das nicht erklären. Eine Kombination aus geringerer Kühlung durch Schwefelpartikel (die Schifffahrt wird sauberer), weniger Saharastaub und veränderte Winde gilt als wahrscheinlichster Grund.
Das AWI-Institut veröffentlicht dazu in wenigen Monaten eine wissenschaftliche Veröffentlichung, in der eine etwas andere Hypothese verfolgt wird. Boetius dazu:
Gesundheitscheck des Erdsystems
Der Bericht "Gesundheitscheck des Erdsystems" des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zeige, dass die Ozeanversauerung wohl bald als siebte von neun planetaren Grenzen überschritten wird.
Viele Lebewesen könnten sich daran zwar anpassen, wie Boetius erklärte. Wenn aber Erwärmung, Verschmutzung und Versauerung zusammenkämen, würde diese Anpassung nicht mehr funktionieren. Die Folge: Artensterben in großem Umfang.
Von Wechselwirkungen in den Meeren
Es gibt laut Boetius Wechselwirkungen zwischen Ozean, Atmosphäre und Eis. Sie erklärte dies in ihrem Vortrag am Beispiel eines Cocktails:
Die "Eiswürfel" der Erde sind die abnehmenden Eisflächen in der Arktis und der Antarktis. Zudem reflektiere das Meereis wie ein Spiegel das Sonnenlicht. Je heller eine Oberfläche, desto stärker der Kühlungseffekt (Albedo-Effekt).
Schwinden die Eisflächen, beginne eine teuflische Feedbackschleife:
Laut Boetius werden Meere und Landflächen bereits immer dunkler.
Zum Klimajournalismus
Für Boetius gebe es zu wenig Berichte über Menschen, die die Klimakrise erleben und die selbst direkt an Lösungen arbeiten. Die Blindheit in unserer Gesellschaft gegenüber dem Leid in anderen Ländern findet sie verstörend. Das Ausblenden von Tatsachen frustriere sie ganz persönlich. Bereits heute verursachen die Folgen des Klimawandel viele menschliche Opfer. Auch das Artensterben sei eine Folge der Klimaveränderungen.
Unsere Gesellschaft brauche eine gute Balance zwischen Apokalypse und Utopie, so Boetius. Mehr Berichterstattung wünscht sich die Meeresbiologin auch über die Selbsterholungskraft der Natur, wenn man ihr ihren Lauf lasse.
Sie forderte deutlich mehr Engagement der Gesellschaft, um die politischen Entscheider von der Dringlichkeit des notwendigen Handelns zu überzeugen.
Dazu gehöre auch eine kritische Einordnung von Falschinformationen, die oft von politischen Parteien oder Lobbyverbänden zum Beispiel gegen den Ausbau erneuerbarer Energien in Umlauf gebraucht werden:
Ich werde in den kommenden Wochen diesen Artikel um die dann vorliegende wissenschaftliche Einschätzung des AWI ergänzen. Im Fokus stehen dann die möglichen Gründe für die Meereserwärmung.
Quellenhinweise:
Planetarer Gesundheitscheck der Erde
Die atlantische Umwälzzirkulation (AMOC)
Terra X Doku-Reihe: Überleben - mit Antje Boetius