Meteorologische Reiseimpressionen

„Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen“. Wie recht hatte doch der deutsche Dichter Matthias Claudius (1740 bis 1815). Nun, und wenn es sich bei der reisenden Person um einen Meteorologen handelt, dann handelt das Erzählen oft auch von interessanten Wetterphänomenen.

flacher Bodennebel
flacher Bodennebel an einem Spätsommermorgen in Lothringen (Foto: Finn Zizou Neuper)

Aber der Reihe nach. Der Start in den Urlaub ist immer etwas besonders, ja regelrecht magisches. Unbekanntes und Fremdes liegt vor einem. Es herrscht eine Spannung und Freude auf das, was kommen mag. Der zum Teil mühevolle Alltagstrott liegt hinter einem. Das schweißtreibende Packen, ist Geschichte. So geht es mit geschärften Sinnen und einer aufkommenden Leichtigkeit los. Mit Kindern ist das meist abends oder früh morgens, damit die lieben Kleinen noch etwas schlafen und das „Wann sind wir denn endlich da“ oder das „Ich muss mal“ noch ein wenig auf sich warten lässt.

Flacher Bodennebel

Nun, beim Verfasser war das der Morgen und es ging mit leichtem, latent frankophilem Hintergrund in unser westliches Nachbarland. Es herrschte ruhiges Hochdruckwetter und war schon Ende August. Somit war es bereits eine längere Nacht, die sternenklar daherkam. Also konnte man eine recht effektive Ausstrahlung verzeichnen, in der sich die bodennahe Luftschicht zum Teil deutlich abkühlen konnte. Da die Böden und auch Luft vielerorts aber, durch die vorangehende markante Dürre, trocken waren, war Nebel erst einmal eine Seltenheit. Doch als es in der Morgendämmerung – nach kurzem ‚Powernap‘ auf einem grandios versifften Rastplatz – durch Lothringen ging, erblickten die etwas müden Augen der Reisenden wundervolle flache Nebelfelder. So flach, dass Bäume und Sträucher herausragten und die Landschaft wie mit einer dünnen weißen Decke bedeckt schien. Was für eine Stimmung. Nun, was war meteorologisch geschehen?

Die Nebelgebiete befanden sich in einer leichten Senke. Die sich bildende Kaltluftschicht konnte daher nicht abfließen. Dazu handelte es sich bei dem Boden um eine Graslandschaft mit einem kleinen Fluss in der Nähe. In der nunmehr langen Nacht setzte sich erst Tau an den ausgekühlten Grashalmen ab, genauer gesagt vor allem an den Rändern der Grashalme, da dort die Grenzschicht um den Halm am dünnsten ist und der Wasserdampf der Luft die Grenzschicht am besten überwinden und zum Grashalm gelangen kann - aber dazu vor allem im Hebst und Winter evtl. mehr). Nebel war in der Nacht aber noch keiner vorhanden. Erst mit Sonnenaufgang, als die Sonnenstrahlen anfingen die Wiese zu erwärmen, trat die mystisch anmutende Nebelbildung auf die Wetterbühne. Denn nun verdunstete der Tau an den Grashalmen und der unsichtbare Wasserdampf gelangte in die die bodennahe Luftschicht.


Aber das war sprichwörtlich zu viel des Guten. Bei ihren noch kühleren Temperaturen, war die Luft nicht mehr imstande den vielen Wasserdampf zu ‚tragen‘. Die Luft erreichte Sättigung, es folgte Kondensation des Wasserdampfes und damit die sichtbare Nebelbildung. Da der Wind recht schwach und die ausgekühlte Luftschicht recht flach war, beschränkten sich die thermodynamischen Geschehnisse eben nur auf die untersten Luftbereiche und fertig war der flache Bodennebel. Sehr zur Freude der Reisenden, die nun mit einem aparten meteorologischen Erlebnis reicher ihre Reise fortsetzten.

Lokal vereiste Wolken mit Fallstreifen

In der Folge bzw. weiter im Westen, als die Sonne schon ihren Tageshöchststand fast überschritten hatte, richtete sich der Blick auf die langsam aufkommenden am Himmel sichtbaren Hydrometeoransammlungen, sprich Wolken. Und auch hier wurden die Reisenden mit spannenden meteorologischen Besonderheiten beglückt. Ersti handelte es sich weitgehend um Wolken des oberen mittelhohen Stockwerks, deren Hydrometeore sich bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt noch im unterkühlten flüssigen Zustand befanden und damit ein recht ausgeprägt berandetes Aussehen aufwiesen.

vereisende Wolke mit Fallstreifen
durch lokale Vereisung entstehen größere Wolkenpartikel, die die Fallstreifen verursachen (Foto: Malte Neuper)

Doch siehe da, plötzlich zeigte sich eine Wolke mit einem Bart. Diese wies, im Gegensatz zu der sonstigen recht scharfen Oberfläche, eine fasrige Struktur auf, die nach unten aus einem Teil der Wolke heraushing. Die meteorologische Besonderheit, die diesem Phänomen zugrunde liegt, ist - nur grob angerissen - Folgende:

Ohne besondere kleinste Partikel, sogenannte Eiskeime, bleiben die Wolkentröpfchen noch bei sehr niedrigen Temperaturen (bis teilweise -35°C) im unterkühlten flüssigen Zustand. Dazu wachsen diese flüssigen unterkühlten Wolkentröpfchen durch Zusammenstoßen oft nur sehr langsam zu größeren Hydrometeoren. Wenn jedoch Eiskeime vorhanden sind, dann geschieht die Eisbildung schon bei höheren Temperaturen. Allerdings sind diese Eiskeime recht selten. Im vorliegenden Fall kam es lokal – wahrscheinlich durch wenige Eiskeime - eben in einem Bereich der Wolke zur Eisbildung.


Wenn es dann aber ein Nebeneinander von Eiskristallen und unterkühlten flüssigen Wolkentröpfchen gibt, geht das Hydrometeorwachstum deutlich rascher vonstatten. Die Eispartikel wachsen auf Kosten des flüssigen Wassers und werden schnell schwerer, sodass sie beginnen aus der Wolke auszufallen. Ist die Luft darunter aber noch trocken, verdunsten (oder sublimieren) die fallenden Hydrometeore wieder und fertig ist der Bart (Fallstreifen) bzw. insgesamt die faszinierende Wolke.

Sonnenuntergang an der Loire
Sonnenuntergang an der Loire, einfach mal nur genießen (Foto: Malte Neuper)

Nun, aber auch ein Meteorologe sollte manchmal einfach nur genießen und nicht immer an die physikalischen Hintergründe denken. Als am Abend – nachdem das Zelt an der schönen Seite aufgebaut war, unser Zentralgestirn relativ betrachtet, unterging, sorgte ein beeindruckender Sonnenuntergang für einen dieser magischen Urlaubsmomente, der sich ins Gedächtnis regelrecht einbrennt und auf den man später immer wieder – greifbar nah – zurückblickt.