Könnte schmelzendes Eis der Antarktis inaktive Vulkane beeinflussen?

Mehr als 100 Vulkane verstecken sich unter der Eisdecke der Antarktis oder stoßen bereits durch sie hindurch. Ein Forschungsteam untersucht kurzfristige und langfristige Bedrohungen am Beispiel von zwei magmatischen „Blackboxen“ des antarktischen Kontinents.

Pixabay-Bild-Mount Erebus
Forscher beginnen Untersuchungen von Vulkanen in der Antarktis

Es ist weitgehend unbekannt, dass die Antarktis nicht nur ein Kontinent des ewigen Eises, sondern ein Kontinent des verborgenen Feuers ist. Einer der mehr als 100 unter der Eisdecke verborgenen Vulkane ist der 3800 Meter hohe Mount Erebus. Seine Entfernung von nur 40 Kilometern von der McMurdo-Station, der größten Forschungsbasis der Antarktis, macht ihn für die dort lebenden Forscherinnen und Forscher durchaus bedrohlich.

An einem anderen Vulkan, dem Mount Waesche, soll untersucht werden, ob dieser aufgrund des antarktischen Eisverlustes seine vulkanische Aktivität wieder aufnehmen könnte.

Die Studie zielt auf unmittelbare und langfristige Bedrohungen der gesamten Vulkantätigkeit in der Antarktis.

Sensoren – Informationsmechanismen zur Gefahrenlage

Das Forschungsteam hat entlang des Randes von Mount Airbus eine große Anzahl Sensoren installiert. Diese sollen dabei helfen, die vulkanischen Aktivitäten zu verstehen, die der noch aktive Erebus für McMurdo und die daneben liegende Neuseelands Scott Base darstellt.

Mount Erebus ist nur 20 Minuten mit einem Helikopterflug von McMurdo entfernt. Dies hat es den Wissenschaftlern, die seit den 1960er Jahren den Vulkan und den Lavasee untersucht haben, ermöglicht, sehr viele Informationen zu erhalten. Der aktive Vulkan wirft aus seinem Inneren immer wieder Brocken aus geschmolzenem Gestein heraus.

Seismometer in der Nähe des Gipfels haben viel über Erebus‘ Magmastrukturen verraten. Starke Winde haben die Instrumente von einem leichten Grollen von tieferem Magma zu einem ohrenbetäuben Geräuschpegel anschwellen lassen. Einer der Autoren der Studie, Rick Aster, Geophysiker an der Colorado State University sagte dazu

Wir schauen nur auf die Spitze eines magmatischen Systems, das sich vielleicht 150 Kilometer in den Mantel des Vulkans hinein erstreckt.

Nun wurden durch die Forscher neue Seismometer angebracht, die Wind geschützt sind. Ihre Daten in Echtzeit überwachen den Mount Erebus auch in der Dunkelheit des antarktischen Winters.

Lavaseen – das eigentliche Rätsel

Vulkane behalten selten über einen längeren Zeitraum einen offenen Lavasee, geschweige denn über Jahrzehnte, wie dies beim Mount Erebus der Fall ist. In solch seltenen Fällen sind Lavaseen ein Eruptionsventil, mit dem der Vulkan seinen eigenen Druckaufbau entlastet. Bei Erebus haben die Forscher jedoch langfristige Druckschmelzzyklen verfolgt, welche die Flanken des Vulkans spürbar erweitern oder zusammenziehen. Für die Forscher bedeutet dieses Phänomen eine Lücke im Verständnis der magmatischen Vorgänge.

Der 20 Meter breite Lavasee des Mount Erebus gibt selbst Rätsel auf. Seine Veränderung kann zu riesigen Gasblasen führen, die am Ende den gesamten See überspannen. Wenn eine Blase die Oberfläche durchbricht, explodiert sie und wirft Lavabrocken nach oben, die mehr als einen Kilometer entfernt landen können. Die Forscher erhoffen sich mit den neuen seismischen Stationen Erkenntnisse darüber, warum sich der Lavasee von großer Aktivität bis zu Jahren der Ruhe verändert und warum Erebus früher heftiger ausbrach. Ein besseres Verständnis dazu könnte auch helfen, Modelle anderer antarktischer Vulkane zu interpretieren.

Schlummernde Antwort

Der Vulkan Mount Waesche, von dem nicht genau bekannt ist, ob er nur schlummert oder sogar permanent erloschen ist, könnte eine Antwort auf die drängendste Frage in der antarktischen Vulkanologie geben:

Wenn das Eis immer schneller schmilzt, werden dann die Vulkane aktiver?

Die Gedanke hinter dieser Frage ist einfach: Da das Gewicht der Vulkane angehoben wird, werden die in Magma gefangenen Gase wie die Kohlensäure einer entkorkten Flasche Champagner freigesetzt, was die Eruptionen antreibt.

Eine solche Dynamik wurde bei Vulkanen in Island und dem pazifischen Nordwesten der USA gesehen. Die Theorie dahinter: sobald sich Gletscher zurückziehen, nimmt die vulkanische Aktivität zu. In der Antarktis wurden bisher keine Beweise für diesen Zusammenhang gefunden.

Im letzten Jahrzehnt besuchte ein Team die Region um den Mount Waesche, der etwa 1500 Kilometer von der McMurdo-Station entfernt liegt. Sie testete Lavagestein aus der Zeit, als er zuletzt aktiv war, vermutlich vor mehr als 100.000 Jahren. Laboranalysen ergaben, dass die Gesteine von mehr als 50 verschiedenen Eruptionen stammten, von denen fast 90 Prozent zwischen Eiszeiten auftraten, in denen die Temperaturen ähnlich warm waren, wie heute. Auch die Eisschilde waren in diesen Perioden vermutlich dünner. Die Korrelation zwischen abnehmendem Eis und zunehmender vulkanischer Aktivität war für die Forscher überraschend.

Nun werden die Forscher nach Mount Waesche zurückkehren und nach weiterem Lavagestein suchen. Sie erhoffen sich davon eine Bestätigung, ob der übermäßige Verlust von Eis den Vulkan aktiviert hat. Das Team will in den kommenden Jahren weitere Vulkane besuchen, um ihre Reaktion auf die Eisschmelze zu erkunden.

Den Wissenschaftlern ist noch unklar, wie schnell Vulkane auf schrumpfendes Eis reagieren würden bzw. ob überhaupt eine solche Reaktion stattfindet. Ein einzelner Vulkan, der unter dem Eis ausbräche, würde nicht viel zusätzliches Schmelzen der Eisfläche verursachen. Wenn viele Vulkane ein hohes Eruptionsverhalten zeigen würden, könnte eine Rückkopplungsschleife greifen. Es gäbe dann schnelleren Eisverlust, was zu mehr Vulkanismus führen würde. Diese würden verstärkt ausbrechen, was noch mehr Eisverlust und einen daraus resultierendem Meeresspiegelanstieg nach sich ziehen würde.

Sollten diese aus heutiger Sicht theoretischen Annahmen zutreffen, würden die menschengemachten Treibhausgasemissionen sogar die abgelegensten Vulkane des Planeten beeinflussen.

Quellenhinweis:

https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0377027322002347