Klimakrise: Der Spagat zwischen Fatalismus und Verharmlosung!
"Es ist eh alles zu spät!" Derartiger Klimafatalismus begegnet einem neben einer Verharmlosung der Klimakrise immer wieder. Klar ist, dass der menschengemachte Klimawandel ein riesiges Problem darstellt und eine der wichtigsten Herausforderungen des 21. Jahrhundert ist. Doch weder Fatalismus noch die Verharmlosung sind dabei zielführend!
Das berühmte 1,5 Grad Ziel ist mittlerweile vielen Menschen ein Begriff! Doch was es genau bedeutet, wissen schon weniger. Die Erde soll sich im globalen Mittel im Vergleich zu dem vorindustriellen Temperaturen nicht weiter erwärmen als die bekannten 1,5 oder 2 Grad Celsius, um noch schlimmere Folgen der Klimakrise zu vermeiden.
Doch bereits im Jahr 2022 ist die Oberflächentemperatur der Erde bereits gut ein Grad wärmer als unter vorindustriellen Bedingungen zwischen 1880-1900. Es verwundert daher nicht, dass der IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), der wissenschaftliche Sachverständigenrat in Klimafragen, die Chancen sehr gering ansieht, unter den besagten 1,5 Grad Erwärmung zu bleiben.
Bisherige Anstrengungen sind allerdings weit davon entfernt. Experten und Expertinnen warnen, dass der Planet eher auf eine Erwärmung um 2,7 Grad mit dramatischen Konsequenzen zusteuert. Für das Erreichen des 1,5 Grad Ziels müssten laut dem neuesten IPCC-Berichts die weltweiten CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfte sinken. Doch selbst das 2 Grad Ziel ist nur mit enormen Anstrengungen zu erreichen! Also ist "eh alles zu spät"?
Klimafatalismus
Schon Anfang der 2030'er Jahre droht das Überschreiten der 1,5 Grad Grenze. Selbst mit massiven Emissionsminderungen würde es Jahrzehnte dauern, ehe die Temperatur unter die 1,5 Grad Erwärmung zurückgeht. Doch nach dem Corona-bedingten Rückgang steigt die Emissionskurve stattdessen wieder steil nach oben.
„Mit dem 1,5-Grad-Ziel haben wir uns möglicherweise selbst ein Bein gestellt“, sagt Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin gegenüber der Deutschen Presseagentur dpa. „Viele denken an ein Kliff: Wenn es darüber hinausgeht, ist alles vorbei.“ Das könne zu Fatalismus führen, nach dem Motto, dann könne man es auch ganz lassen, wenn es eh schon zu spät sei. „Das Klimasystem gerät bei 1,51 Grad nicht außer Kontrolle“, sagt er.
Auch wenn es für die meisten Gletscher in den Alpen tatsächlich schon zu spät ist, gilt dies für den Klimaschutz insgesamt aber nicht. Wir wissen nicht, wann wir genau welche Kipppunkte auslösen, die die Situation weiter verschlimmern. Die genaue Gradzahl ist dabei zweitrangig. Das Prinzip sollte sein, so schnell und so viel wie möglich das Klima zu schützen. Jedes Zehntel Grad weniger Erwärmung verringert das Risiko von Hitzewellen, Starkniederschlägen und Dürren.
Von Untergangsszenarien hält auch Jochem Marotzke, Direktor des Max-Planck-Instituts für Meteorologie in Hamburg, nichts: „Es wird keine Apokalypse kommen. Das Leben wird gefährlicher, aber dass es auf der Erde gar nicht mehr möglich sein könnte, ist falsch."
Das alles klingt allerdings nach Anstrengung. Laut dem Nachhaltigkeitsforscher und Psychologen Thomas Brudermann von der Universität Graz ist Klimafatalismus hingegen psychologisch unglaublich bequem: Wir können nichts mehr machen, es ist alles zu spät, also machen wir weiter wie bisher. "Auch eine Portion Selbstschutz schwingt beim Klimafatalismus mit", so Brudermann im sozialen Netzwerk Twitter.
Klimaverharmloser
Genauso wenig zielführend ist das Verharmlosen der Klimakrise. Hierbei geht es nicht um das Leugnen, sondern um die Haltung, wie man dem Klimawandel begegnen möchte. "Es gibt eine gefährliche Tendenz in Teilen der deutschen Politik", sagt Matthias Garschagen, Klimaforscher der Ludwig-Maximilians-Universität München. "Manche meinen, wenn wir Technologien wie die Kohlenstoffentnahme aus der Atmosphäre und Lagerung entwickeln, könnten wir es mit der Emissionsreduzierung langsamer angehen - aber das ist falsch. Wir brauchen die Entnahme UND starke Reduzierungen, um unsere Klimaschutzziele überhaupt noch erreichen zu können."
Nebelkerze E-Fuels
Auch das Festhalten am Verbrennermotor ist laut Jochem Marotzke eine "Nebelkerze", da es E-Fuels nur in geringen Mengen geben werde, die für den Flugverkehr gebraucht würden. Auch die berühmte Technologieoffenheit spielt unserer Bequemlichkeit in die Karten. Die Technologien werden das Problem schon lösen, doch sie alleine werden die Mammutaufgabe nicht bewältigen können.
Beide Ansätze sind also nicht zielführend und verhindern so nur wirksamen Klimaschutz. Doch auch der Reflex, dass Klimaschutz nur teuer ist und wehtut, ist falsch. Vielmehr ergeben sich auch positive Effekte für unser Leben und die Gesundheit. "Wenn wir beispielsweise Städte umbauen mit mehr Wasser, mehr Begrünung, mehr Beschattung, wenn Gebäude und Dächer begrünt werden, werden sie auch lebenswerter. Oder wenn wir Flächen, auf denen Futtermais für Schweine für unseren Fleischkonsum angebaut wird, in Auenlandschaften verwandeln würden, hätte das auch einen gesellschaftlichen Mehrwert für die Naherholung", so Matthias Garschhagen. Und Nichtstun kostet auf Dauer deutlich mehr. Klimaschutz sichert mittelfristig also unseren Wohlstand!