Intelligentes Metafluid: Programmierbares, fließendes Material für Robotik & Co. entwickelt
US-Forscher haben ein Metafluid entwickelt, das sowohl intelligent als auch programmierbar ist. In Zukunft könnte das neuartige Material bei Robotern, hydraulischen und pneumatischen Systemen sowie in speziellen Schaltungen zur Anwendung kommen.
Die Suche nach immer neuen Materialien für Technik und Wissenschaft hat im letzten Jahrzehnt große Fortschritte gemacht. Dabei wurden im Materialdesign immer mehr Materialien für ganz bestimmte Zwecke und Funktionalitäten entworfen – sogenannte Metamaterialien.
Wie jüngste Forschungen zeigen, weisen jedoch auch unverbundene Bausteine in einem flüssigen Medium großes Potenzial auf. Denn im Gegensatz zu festen Metamaterialien haben Metafluide die Fähigkeit, zu fließen und sich an die Form ihres Behälters anzupassen, ohne dass die Bestandteile besonders angeordnet werden müssten.
In einem jüngst in Nature erschienen Artikel stellen Forscher der Harvard John A. Paulson School of Engineering and Applied Sciences (SEAS) ein programmierbares Metafluid aus stark deformierbaren kugelförmigen Kapseln vor. Ziel der Untersuchung war es, eine Flüssigkeit zu entwickeln, die sich je nach Kapseldesign hinsichtlich Kompressibilität, optischem Verhalten und Viskosität verändern lässt.
Dafür entwarfen die Wissenschaftler eine Suspension aus elastomeren, stark verformbaren, mit Luft gefüllten kugelförmigen Kapseln in einer nicht komprimierbaren Flüssigkeit.
Die Experimente wurden zunächst mit zentimetergroßen Kapseln aus 3D-gedrucktem Silikonkautschuk durchgeführt. Dazu wurden die Kapseln in einen Behälter mit Wasser gegeben und durch zusätzliches Wasser der Druck im Behälter erhöht. Dadurch konnten die Wissenschaftler beobachten, ab welchem Druck sich die Elastomerschale verformt oder sogar reißt. Nach den Druck- und Volumentests führten die Forscher Experimente mit geänderter Anzahl, Größe und Material der Kapseln durch, beispielsweise im Mikrometerbereich mit Polydimethylsiloxan (PDMS).
Ein hydraulischer Robotergreifer, der mit dem Metafluid betrieben wurde, sollte dann anschließend im Versuch eine Glasflasche, ein Ei und eine Blaubeere aufnehmen. Ein normales Hydrauliksystem hätte zusätzliche Sensoren oder eine externe Steuerung benötigt, um den Druck zum Greifen anzupassen, damit die Gegenstände nicht zerquetscht werden. Das Metafluid jedoch konnte durch die verformbaren Kapseln den Druck kompensieren.
Adel Djellouli, wissenschaftlicher Mitarbeiter in Materialwissenschaft und Maschinenbau am SEAS, Hauptautor der Studie.
Wichtigste Erkenntnis für die Wissenschaftler: Das Einknicken der Schalen führt zu einem starken Anstieg der Viskosität der Suspensionen bei ebenmäßigen (laminaren) Strömungen. Die Verformung der Kapselschalen ist dafür verantwortlich, dass das Fluid ein nichtlineares Verhalten bei Druckänderungen aufweist und sich dem Druck anpasst.
Insbesondere bei Hydraulikanwendungen oder hydraulischen Stoßdämpfern, anpassungsfähigen Greifern oder rekonfigurierbaren Logikgattern, demnach auch bei Robotersystemen, könnte sich ein solches Metafluid als nützlich erweisen, ebenso bei optischen Elementen mit schaltbaren Eigenschaften.
Das entwickelte Metafluid könnte ebenfalls vielversprechend bei der Anwendung in Geräten sein, bei denen die Eigenschaften der verwendeten Flüssigkeiten, wie etwa die Viskosität, erweitert werden müssen.
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Quelle:
Djellouli, A., Van Raemdonck, B., Wang, Y. et al.: Shell buckling for programmable metafluids. Nature 628, 545–550 (2024). https://doi.org/10.1038/s41586-024-07163-z