Gefährliche Liebe: Warum Menschen mit Hirnverletzungen besonders leicht Opfer von Online-Betrügern werden

Wer liebt, verliert: Warum Menschen mit Hirnverletzungen besonders leicht Opfer von Liebesbetrügern werden – und wie Betroffene andere schützen.

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Menschen mit einer Hirnverletzung sind oft ein leichtes Opfer von Betrügern.

Liebesbetrüger locken mit falschen Identitäten und schillernden Geschichten, nur um das Vertrauen ihrer Opfer zu missbrauchen – emotional wie finanziell. Allein im letzten Jahr verloren Australier durch solche Betrügereien rund 201 Millionen Australische Dollar. Besonders schwer wiegt dabei nicht der Geldverlust, sondern die emotionale Belastung: Scham, Selbstzweifel und das Gefühl, einem falschen Traum erlegen zu sein.

Besonders Menschen mit erworbenen Hirnverletzungen, etwa durch einen Schlaganfall oder Autounfall, gehören zu den Hauptzielen solcher Maschen. Neue Forschung zeigt, dass sie häufig weniger in der Lage sind, Warnsignale zu erkennen oder sich vor Online-Betrügereien zu schützen. Doch genau diese Gruppe kann auch helfen, das Bewusstsein für solche Gefahren zu schärfen – durch die ehrliche Weitergabe ihrer Erfahrungen.

Wer besonders gefährdet ist

Theoretisch kann jeder Opfer eines Liebesbetrugs werden, doch bestimmte Gruppen sind besonders anfällig. Dazu zählen Menschen mit Behinderungen, insbesondere solche mit erworbenen Hirnverletzungen. Eine Umfrage unter 101 Fachleuten aus Australien und Neuseeland, die mit dieser Personengruppe arbeiten, zeigte: Mehr als die Hälfte der Befragten berichtete von Klienten, die Opfer von Online-Betrug wurden – meist Liebesbetrug.

Liebesbetrüger bauen über Wochen oder Monate eine falsche Romanze auf, oft über soziale Medien, Dating-Plattformen oder sogar Gaming-Apps. Mit Techniken wie „Love Bombing“ (intensive Liebesbekundungen zu Beginn) oder manipulativem Verhalten erzeugen sie ein Gefühl von Vertrautheit und Nähe. Sie spielen gemeinsame Interessen oder ähnliche Lebenserfahrungen vor und präsentieren sich als ideale Partner. Betroffene erkennen häufig nicht, dass sie einer sorgfältig inszenierten Täuschung erliegen.

Eine Betroffene mit Hirnverletzung beschreibt es so: „Es schien alles perfekt: die Liebe, die Versprechen – ich habe die kleinen Ungereimtheiten einfach ignoriert.“

Warum Menschen mit Hirnverletzungen leichte Ziele sind

Etwa 1 von 45 Australiern lebt mit den Folgen einer Hirnverletzung. Solche Verletzungen können verschiedene Bereiche des Gehirns betreffen, was zu Problemen in der Entscheidungsfindung, der Verarbeitung von Informationen oder im Urteilsvermögen führt. Dies erschwert es, Warnzeichen eines Betrugs rechtzeitig zu erkennen oder komplexe Situationen zu durchschauen.

Zusätzlich sind viele Menschen mit Hirnverletzungen sozial isoliert oder erleben Einsamkeit. Die Aufmerksamkeit und Akzeptanz, die Betrüger online bieten, kann daher besonders verführerisch wirken. Die ständige Verfügbarkeit der Betrüger und ihre vermeintliche Zuneigung ziehen Betroffene oft stärker an als andere Menschen.

Hinzu kommt das sogenannte „Frontalhirn-Paradoxon“: Betroffene können zwar erkennen, dass sie auf einen Betrug hereingefallen sind, schaffen es jedoch oft nicht, ihr Verhalten zu ändern. Ein Interviewpartner erklärt: „Ich merke, dass etwas nicht stimmt, und sage mir, ‚Das passiert mir nicht nochmal.‘ Aber dann passiert es wieder.“

Die doppelte Bürde: Scham und Konsequenzen

Neben dem emotionalen Schaden belastet Betroffene oft auch die Reaktion ihres Umfelds. Freunde, Familie oder sogar Behörden begegnen ihnen mit Vorwürfen und Unverständnis. „Man hat mir nur gesagt, wie dumm ich war“, berichtet ein Betroffener. Dieses Urteil verstärkt die Scham und trägt dazu bei, dass Betrugsfälle selten gemeldet werden.

Manchmal ziehen Angehörige oder Betreuer drastische Konsequenzen: Sie schränken den Zugang zu Geld oder dem Internet ein, was für die Betroffenen als zusätzliche Strafe empfunden wird. Dies kann depressive Verstimmungen auslösen oder bestehende verschärfen. Ein Therapeut berichtet: „Seine Depression rührte weniger vom Betrug, sondern von dem Gefühl, nicht mehr selbst über sein Leben bestimmen zu können.“

Wie „Scambassadors“ das Bewusstsein schärfen

Ein Forschungsprojekt hat ein neues Konzept entwickelt, das speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Hirnverletzungen zugeschnitten ist: Die sogenannten „Scambassadors“. Diese „Betrugsbotschafter“ sind Betroffene, die ihre Erfahrungen teilen, um andere aufzuklären und das Stigma zu bekämpfen.

Die „Scambassadors“ geben Workshops, treten in Medien auf und leiten Therapiegruppen. Sie helfen anderen Menschen mit Hirnverletzungen, Warnsignale zu erkennen, und fördern den offenen Austausch über Betrugserfahrungen. Dies entlastet die Betroffenen emotional und hilft, die Gemeinschaft vor zukünftigen Betrügereien zu schützen.

Gemeinsam gegen Betrug

Liebesbetrug ist kein persönliches Versagen, sondern ein Verbrechen, das auf geschickte Manipulation setzt. Besonders wichtig ist es daher, offen über Betrug zu sprechen – ohne Vorurteile oder Schuldzuweisungen. Wer seine eigene Erfahrung teilt, kann anderen helfen, Warnsignale früher zu erkennen.

Am Ende liegt die Schuld immer bei den Betrügern. Doch durch Bewusstsein und Prävention können wir verhindern, dass mehr Menschen in diese emotionalen und finanziellen Fallen tappen.