Fakt oder Fake? Gab es früher wirklich mehr Schnee?
Viele kennen bestimmt die Behauptung von älteren Menschen, dass früher fast immer und deutlich häufiger als heutzutage Schnee im Winter lag. Doch ist das wirklich so oder handelt es sich hierbei um ein rein subjektives Empfinden?
Frei nach Loriot "Früher war mehr Lametta" aus dem legendären Sketch "Weihnachten bei Hoppenstedts" gehen wir der Frage nach, ob es früher mehr Schnee als heute gab. "Früher war mehr Schnee", sagen auch heute noch oft die Großmutter oder der Großvater zu ihren Enkeln. Da wird gerne von monatelangen tief verschneiten Landschaften berichtet oder dass man im Winter immer mit dem Schlitten zur Schule gegangen sei.
Subjektive Wahrnehmung
Doch auf Grundlage von persönlichen Erinnerungen lässt sich diese Frage nicht beantworten. Und selbst wenn wir beispielsweise eine repräsentative Umfrage unter der älteren Bevölkerungsschicht machen würden, ließe sich daraus keine allgemeingültige Aussage ableiten. Der Grund ist ganz einfach, denn unser Gedächtnis funktioniert nur selektiv.
Unsere Ereignisse und Erfahrungen aus der Vergangenheit werden nicht gleichermaßen im Gehirn gespeichert. Bestimmte Erinnerungen werden dabei ganz tief im Gedächtnis festgehalten, während wir uns andere weniger gut merken können oder gar in Vergessenheit geraten sind. Dabei ist es individuell sehr verschieden, an was wir uns wie gut erinnern können. Die Ereignisse, die für uns aber von besonderer Bedeutung waren oder besondere Gefühle ausgelöst haben, speichern wir leichter ab.
Dazu könnte ein schneereicher Winter gehören, mit dem man besondere Erlebnisse verbindet, wie die Schneemassen in den Straßen, das häufige Schlittenfahren oder dass sogar die Schule das ein oder andere Mal ausgefallen ist. Ein trister und milder Winter führt dagegen bei den meisten zu eher negativen Gefühlen. Diese konkurrierenden Wahrnehmungen und Gedanken in unserem Gehirn sorgen für einen unangenehmen Gefühlszustand, der sogenannten kognitiven Dissonanz. Aus diesem Grund wird eines der beiden Erlebnisse gelöscht oder die Erinnerung daran eher unterdrückt.
Doch genug der Psychologie, kommen wir zu den statistischen Fakten! Denn allein diese bleiben uns und beruhen auf der Auswertung von Wetterstationen und nicht auf den vielleicht romantisierten Erinnerungen aus der Jugend. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat hierzu kürzlich eine Auswertung gemacht.
Die Abbildung vom DWD zeigt dabei die jährliche Entwicklung der über alle Stationen gemittelten Schneedeckentage mit einer Schneehöhe von mindestens 3 Zentimetern an. Unterschieden wird dabei in Stationen unter 300 Höhenmeter (obere Abbildung), mittlere Lagen zwischen 300 und 700 Metern (mittlere Abb.) und höhere Lagen über 700 Meter über dem Meeresspiegel (untere Abb.). Dabei wurden nur Stationen verwendet, die über den gesamten Zeitraum die Schneehöhe gemessen haben.
Wie auch bei anderen Parametern, fällt auch hier die große Variabilität der Schneedeckentage auf. Dies gilt insbesondere in tiefen und mittleren Lagen, während hohe Lagen eine weniger große Bandbreite zeigen. Dies hängt damit zusammen, dass es in höheren Lagen auch bei höheren Temperaturen oft noch schneit.
Deutlich weniger Schnee
Im linearen Trend über den gesamten Zeitraum (1961-2021) fällt dann auch auf, dass die Abnahme der Schneetagezahl in den Hochlagen "nur" rund 30 Prozent beträgt, sie in den mittleren und tiefen Lagen mit 50-65 Prozent bereits einen erheblichen Rückgang erreicht hat. Im Flachland gab es im statistischen Mittel in den 60er Jahren noch 30 Schneetage pro Jahr. Diese Zahl verringerte sich im vergangenen Jahrzehnt auf nur noch bescheidene 10 Tage.
Auffällig hierbei sind die sehr schneearmen Winter seit 2010 im krassen Gegensatz zu den teils sehr schneereichen Wintern in den 60er und auch 80er Jahren. Ein absoluter Ausreißer stellt das Jahr 2010 dar, der auch aufgrund des legendären Dezembers, in tiefen und mittleren Lagen eine absolute Spitzenposition einnimmt.
Zum Schluss soll aber auch noch darauf hingewiesen werden, dass es auch gewisse Unwägbarkeiten bei den Messungen gibt. Insbesondere die zunehmende Automatisierung der Schneehöhenmessung stellt besonders bei Bergstationen eine nicht unerhebliche Problematik da. Aufgrund der exponierten Lage kommt es insbesondere bei starkem Wind und Sturm zu eklatanten Fehlmessungen. Diese können in Zukunft insbesondere in Bezug auf Klimareihen und deren Vergleichbarkeit zu Problemen führen.
Doch zurück zur Ausgangsfrage: Die Aussage, dass es früher mehr Schnee gegeben hat, lässt sich durchaus statistisch belegen! Der Grund ist mit der Klimaerwärmung auch leicht zu begründen. Besonders die 60er und 80er Jahre waren häufig sehr schneereich. Trotzdem ist es natürlich nicht so, dass damals immer Schnee im Winter lag. Auch hier gab es einzelne schneearme Jahre. Das Jahr 2010 hat aber gezeigt, dass es auch heute noch einzelne sehr schneereiche Jahre geben kann.