Eine Stradivari und die Suche nach 400 Jahre altem Holz: Wie eine Geige von 1730 mit Südtiroler Fichte restauriert wird
Eine 1730 gefertigte Stradivari wird derzeit von der Geigenbauerin Julia Maria Pasch restauriert. Für die Decke des Instruments sucht sie spezielles 400 Jahre altes Fichtenholz den Südtiroler Wäldern, um den einzigartigen Klang dieser Geige wiederzubeleben.
Die Restaurierung einer Stradivari aus dem Jahr 1730 ist eine besondere Herausforderung. Die Geigenbauerin Julia Maria Pasch aus Wien hat sich der Aufgabe angenommen, dem Meisterinstrument eine neue Decke zu geben, wie der italienische TV-Sender Rai Südtirol nun berichtet. Dabei will Pasch die Geige so originalgetreu wie möglich wiederherstellen – und das beginnt bei der Suche nach passendem Holz.
„Ich habe diese Stradivari hier aus dem Jahre 1730, der die Decke fehlt“, erklärt Pasch den Auftrag gegenüber Rai Südtirol. „Die Decke, die drauf war, hat nichts damit zu tun. Das ist eine altdeutsche Decke, auch ungefähr aus der Zeit. Ich wurde gebeten, für diese Geige eine neue Decke zu machen, die der Stilistik der Stradivari eben ganz ähnlich ist.“
Holz aus der „Kleinen Eiszeit“
Das Holz für die berühmten Stradivaris stammte aus den Bergwäldern rund um den Latemar in Südtirol. Die dort wachsenden Fichten waren durch das kühle Klima der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ geprägt. Dadurch hatten die Bäume besonders enge Jahresringe, was sie ideal für den Geigenbau machte. Stradivari nutzte Fichtenholz, das damals etwa 100 Jahre alt war – heute wären diese Bäume rund 400 Jahre alt.
Die Suche nach solch altem Klangholz führt Pasch direkt in die Wälder des Latemar. Bernd Pardeller, Leiter der Forstaufsichtsstelle Latemar, unterstützt sie bei diesem Vorhaben. Zwar gibt es in den Wäldern vereinzelt noch 400 Jahre alte Fichten in geeignetem Zustand, doch selbst bei einem passenden Baum kann nur ein kleiner Bereich des Stammes für die Decke verwendet werden: Holz mit exakt den richtigen Jahresringen zwischen Kern und Rinde.
„Hier in Latemar, weil wir Nordseite sind und relativ hohe Höhenlage – wir sind auf 1600, 1700 Metern –, kommen wir mit dem Klima ähnlich hin wie zur Zeit der Stradivari“, sagt Pardeller gegenüber Rai Südtirol. „Somit hat das Holz auch fast die Eigenschaften wie das Holz der Stradivari.“
Das seltene Klangholz hat seinen Preis. Ein passender Baum könnte mehr als 10.000 Euro kosten, da der gesamte Stamm gekauft werden muss. Als Alternative prüfen Pasch und Pardeller altes, bereits verbautes Holz aus der Region. Balken von Stadeln oder Hütten aus dem 18. Jahrhundert könnten ebenfalls infrage kommen, sofern sie die benötigten Eigenschaften aufweisen.
Kunst und Handwerk
In der Wiener Werkstatt von Julia Maria Pasch wird die Stradivari derzeit in Einzelteilen restauriert. Es ist ein Prozess, der viel Zeit und Präzision erfordert. „Es ist so, dass heutzutage Holz natürlich dendrochronologisch untersucht wird“, sagt Pasch. „Kulturhistorisch wichtige Güter sind mittlerweile alle dendrochronologisch erfasst – und so eben auch das Holz von Streichinstrumenten. Und jetzt wäre es toll, wenn ich ein Holz finden könnte, das ich verwenden könnte, genau aus dieser Zeit, gefällt ungefähr um 1720. Demnach müssen zumindest Jahresringe ab 1600 vorkommen in diesem Holz.“
Sobald das passende Holz gefunden ist, beginnt die eigentliche Arbeit: Die Decke muss exakt angepasst und das Instrument wieder zusammengefügt werden. Bis die Geige wieder erklingt, wird mindestens ein halbes Jahr vergehen.
Obwohl der Wert der restaurierten Geige durch die neue Decke reduziert wird, bleibt sie ein kulturelles Juwel. Mit einer Fichtendecke aus dem Latemarwald könnte die Stradivari aus dem Jahr 1730 nicht nur ihre historische Bedeutung bewahren, sondern auch die einzigartige Klangqualität wiedererlangen, die sie schließlich zu einem Meisterwerk der Geigenbaukunst macht.