Die Bedeutung von Gletschern: Was passiert, wenn sie völlig verschwinden? Klimaexperte Ralf Roschlau kennt die Antwort.

Gletscher, die riesigen Eisflüsse, erstreckten sich vor Jahrtausenden über Berggipfel vom Himalaya bis zu den europäischen Alpen. Der Klimawandel lässt diese lebenswichtigen Wasser- und Kühlquellen verschwinden.

Gletscher - wichtige Teile unserer Ökosysteme

Die Gletscher – noch ein Opfer der Klimaerwärmung

Die Gletscher der Erde sind gewaltige Eisströme. Sie haben dazu beigetragen, das Bild unserer Erde zu formen. Vor einem Jahr ist es Geoforschern gelungen, den bisher ältesten Beleg für einen irdischen Gletscher zu finden. Unter der Leitung der University of Oregon faden sie die Basis für ihre Erkenntnisse in der Pongola Supergroup. Diese Gesteinsformation entstand nach den Schätzungen der beteiligten WissenschaftlerInnen vor rund 2,9 Milliarden Jahren in Südafrika.

Gletscher haben in zweierlei Hinsicht einen besonderen Nutzen. Durch ihre hohe Albedo reflektieren sie das Sonnenlicht und sorgen damit direkt für eine Abkühlung der ankommenden Sonnenhitze. Ferner sind die Gletscher der Erde die Frischwasserquelle für rund zwei Milliarden Menschen.

Gletscher sind auch Kulturgut

Menschen, die in den kalten Klimazonen leben, betrachten die großen Eisströme auch als Teil ihrer Kultur. Ihr Verlust wird somit für diese Menschen nicht nur eine potenzielle Gefahr für deren Frischwasserversorgung, sondern auch zu einem Verlust eines Teils ihrer Geschichte und ihrer Kultur.

Zusammen mit Gletscherforschern, den Glaziologen, betrachten die Bewohner von gletschernahen Regionen „ihre“ Gletscher als eine andere Welt.

Gletscher sind zusammenhängende, riesige Eiskristalle. Sie bestehen nur aus einem einzigen Mineral, und zwar gefrorenem Wasser, was auch ihre Klassifizierung als Gestein erklärt.

Wie bilden sich Gletscher?

Die Ansammlung von Schnee führt zusammen mit der kalten Lufttemperatur zur Bildung von Gletschereis. Ein Gletscher nimmt zu, wenn der jährliche Schneefall die sommerliche Schmelze übersteigt. Ist dies nicht der Fall, wie in den letzten Jahrzehnten, nehmen Gletscher ab.

Die großen Eisströme in den Gebirgen haben sich der während der Eiszeiten rund um den Globus gebildet und angesammelt. Über Tausende von Jahren bewegten sie sich unter ihrem eigenen Gewicht bergab und schufen so gewaltige Schluchten. Beispiele dafür sind das Yosemite Valley in Kalifornien oder die Gletscher in den neuseeländischen Alpen.

Die Welt verzeichnet derzeit noch rund 200.000 Gebirgsgletscher. Wenn diesen in den wärmeren Monaten tauen, schaffen sie damit Frischwasser, das in Bäche und Flüsse fließt. Damit werden gute Ernten möglich. Seit Jahrhunderten sichern sie so die Trinkwasserversorgung für unzählige Gemeinden und Ökosysteme.

Der Klimawandel stört das Ökosystem der Gletscher

Die elementare Frischwasser-Ressource von Gletschern bleibt nur erhalten, wenn das Schmelzwasser jeden Winter durch ausreichend Neuschnee wieder aufgefüllt wird. Genau darin liegt aber der Störfaktor, der zu einer Abnahme der weltweiten Gletschermasse geführt hat. Es wird immer wärmer und in vielen Gebieten reicht die Neuschneemenge nicht aus, um das Gleichgewicht der Gletscher zu erhalten.

In vielen Regionen hat das Phänomen der Gletscherabnahme bereits zu einer Anhäufung von Dürren geführt. Als Beispiel dafür dienen die südamerikanischen Gletscher in den Anden, die sich über Bolivien und Peru erstrecken. Sie haben seit den 1980er Jahren bereits über die Hälfte ihrer Eismasse verloren. Die Folge davon ist eine permanente Wasserknappheit für die Landwirtschaft und die gesamte Bevölkerung.

Einzelne Zunahme von Gletschern gelten als temporär

Eine Anomalie für Glaziologen sind die Gletscher im Hochgebirge des Karakorum. Die Region gilt als die zweithöchste Gebirgsregion der Welt. Sie grenzt an Afghanistan, Pakistan, Indien und China. Glaziologen haben herausgefunden, dass dort einige Gletscher jedes Jahr etwas größer werden. Die WissenschaftlerInnen führen den Gletscherzuwachs im Karakorum auf einzigartige, regionale Wettermuster zurück. Langfristig werde nach deren Meinung der Klimawandel aber auch das Karakorum-Gebirge einholen – und den Gletscherzuwachs umkehren.

Rekordschmelze in den Alpen

In den europäischen Alpen ist das Abschmelzen der Gletscher besonders dynamisch. So verloren die Gletscher in den Schweizer Skigebieten in den Jahren 2022 und 2023 rekordverdächtige zehn Prozent ihres Volumens. Eine identische Menge an Gletschereis war vorher bereits in den 30 Jahren zwischen 1960 und 1990 verschwunden.

Glaziologen stufen schon einen Rückgang von zwei Prozent Gletschereis pro Jahr als "extrem" ein.

Die Gründe für diese extreme Abnahme der europäischen Alpengletscher sind offensichtlich:

extreme Hitzetage, deutlich weniger Schnee und eine langanhaltende Sommerschmelze. 2022 und 2023 gelten in Europa als heißeste Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. In 2024 setzt sich der Hitzetrend fort, was keine gute Nachricht für die Gletscher in unseren Alpenregionen ist.

Wie können Gletscher gerettet werden?

Auch bei diesem Thema gibt es technologische Ansätze. So haben Forscher in der Schweiz ein Kabelsystem entwickelt, mit dem Gletscherschmelzwasser „recycelt“ werden kann, um damit eine neue, reflektierende Schneeschicht zu schaffen. Der Dokumentarfilm "Saving Glaciers" behandelt diese Versuche ausgiebig.

In anderen Ansätzen werden reflektierende Planen, auch Geotextilien genannt, über Gletscherflächen gespannt, um so das Eis im Sommer vor dem Schmelzen zu schützen.

Das besonders große Problem dieser Methode ist die quantitative Umsetzbarkeit, den die Gletscher bedecken, meist quadratkilometergroße Flächen, wie zum Beispiel der norwegische Jostedalsbreen, der größte europäische Gletscher. Er erstreckt sich über mehr als 500 Quadratkilometer.

In einer Studie, in der die Bemühungen zur Bekämpfung der Gletscherschmelze in den Alpen untersucht wurden, kamen Forscher zu dem Schluss, dass es viel zu kostspielig wäre, die mehr als 250.000 Quadratkilometer Berggletscher der Welt mit solchen Methoden zu schützen.

Im Himalaya laufen Versuche mit künstlichen Mini-Gletschern, den sogenannten Eis-Stupas. Im Winter wird Wasser aus hoch gelegen Zuflüssen gefroren und das gefrorene Eis wird aufgetürmt. Dadurch entstehen künstlichen Eishügel, die dabei helfen sollen, mit der durch den Gletscherrückgang verursachten Wasserknappheit besser fertig zu werden.

Wie bei vielen anderen Problemzonen des Klimawandels bleibt als vielversprechendste Lösung die rasche und drastische Verringerung der Treibhausgasemissionen. Allerdings schätzen Glaziologen, dass selbst bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis zum Ende dieses Jahrhunderts die Hälfte der bestehenden Gletscher verschwunden sein wird