Der Mensch hat 600 Vogelarten ausgerottet und mit ihnen ihre Funktion in der Natur

Die menschliche Expansion hat verheerende Auswirkungen auf die Tierwelt, insbesondere auf Vögel. Eine neue Studie zeigt: Das Schlimmste steht uns noch bevor.

vogel, aussterben, natur
Immer mehr Vogelarten sterben aus und der Mensch trägt daran einen großen Anteil.


In den letzten 130.000 Jahren hat der Mensch bereits rund 600 Vogelarten ausgelöscht. Doch das wahre Ausmaß dieser Verluste wird oft unterschätzt. Mit jeder ausgestorbenen Vogelart geht nicht nur ein Tier verloren, sondern auch eine wichtige Funktion im Ökosystem, wie die Bestäubung von Pflanzen, die Kontrolle von Schädlingen oder das Beseitigen von Aas. Und das Schlimmste: Die Forscher befürchten, dass sich die Situation in den nächsten 200 Jahren drastisch verschlimmern könnte.

Mehr als nur Zahlen: Vögel als Ökosystem-Diener

Die Zahlen sind erschreckend. Seit dem Ende des Pleistozäns sind mindestens 610 Vogelarten verschwunden. Der überwiegende Teil dieser Verluste (562 Arten) ist direkt auf den Menschen zurückzuführen. Jagen, die Zerstörung natürlicher Lebensräume und die Einführung invasiver Arten wie Katzen und Ratten haben das Sterben der Vögel beschleunigt. Besonders betroffen sind Inselarten, da sie sich in Abwesenheit von Menschen entwickelten und daher besonders anfällig für Veränderungen sind.

Doch das Aussterben betrifft nicht nur die Tiere an sich. Mit ihnen verschwinden auch essenzielle Funktionen, die für das Gleichgewicht der Ökosysteme von großer Bedeutung sind. Ein Beispiel ist der Dodo, der auf Mauritius lebte und eine einzigartige Rolle in der Verbreitung von Samen großer Früchte spielte. Mit seinem Aussterben gibt es kaum Ersatz für diese Aufgabe. Ähnlich verhielt es sich mit den Moas in Neuseeland, die als große Pflanzenfresser ebenfalls eine zentrale Rolle in ihrem Lebensraum innehatten.

Dramatische Verschlechterung seit dem 16. Jahrhundert

Besonders beunruhigend ist, dass sich das Tempo des Aussterbens seit dem 16. Jahrhundert, der Zeit der großen Entdeckungsreisen, massiv beschleunigt hat. Die Aussterberate stieg um das 28-fache. Forscher schätzen, dass der Mensch die natürliche Rate des Vogelsterbens mittlerweile um das 100-fache erhöht hat. Diese Entwicklung führt dazu, dass immer mehr Wissenschaftler davon ausgehen, dass wir uns in einer Phase des „sechsten Massensterbens“ befinden – der ersten, die ausschließlich durch menschliches Handeln verursacht wurde.

Neben den klassischen Faktoren wie Jagd und Habitatzerstörung kommen heute noch weitere Gefahren hinzu. Der Klimawandel und die zunehmende Mobilität des Menschen, die das Einschleppen invasiver Arten erleichtert, setzen den ohnehin gefährdeten Vogelarten zusätzlich zu. Besonders problematisch wird es, wenn mehrere dieser Faktoren gleichzeitig auftreten.

Die Folgen für Ökosysteme sind gravierend

Die Forscher warnen davor, dass das Verschwinden von Vogelarten gravierende Auswirkungen auf ganze Ökosysteme hat. So fehlen in einigen Regionen bereits jetzt wichtige Arten, die Früchte verbreiten oder Aas beseitigen. Auf den hawaiianischen Inseln hat der Verlust von fruchtfressenden Vögeln dazu geführt, dass sich die Entwaldung verschärft, da keine Vögel mehr da sind, um Samen zu verbreiten.

Ein weiteres Beispiel ist die Situation in Indien und Bangladesch, wo der dramatische Rückgang von Aasfressern wie Geiern zu einer Zunahme von Tierkadavern und damit verbundenen Krankheiten wie Tollwut geführt hat. Auch ohne das völlige Aussterben der Geier haben die schrumpfenden Populationen bereits ihre ökologischen Funktionen eingebüßt.

Der drohende Verlust von Artenvielfalt

Die Studie schätzt, dass das Ökosystem weltweit bereits 20 % seiner funktionalen Vielfalt durch das Verschwinden von Vogelarten verloren hat. Dieser Wert könnte in den kommenden 200 Jahren auf 27 % ansteigen, wenn das Aussterben weitergeht. Besonders gefährdet sind Arten, die eine einzigartige Funktion in ihrem Ökosystem erfüllen und für die es keinen natürlichen Ersatz gibt.

Die Wissenschaftler sprechen von einem düsteren Zukunftsszenario: Sollte die derzeitige Rate des Aussterbens anhalten, könnte fast ein Fünftel der Vogelarten, die vor der menschlichen Expansion existierten, in den nächsten zwei Jahrhunderten verschwinden. Mit jeder weiteren Art geht nicht nur ein Tier verloren, sondern auch eine wichtige Rolle im Netzwerk der Natur. Ohne sie drohen gravierende Konsequenzen für die Biodiversität und die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme.

Dringender Handlungsbedarf

Angesichts dieser erschütternden Prognosen ist es dringend erforderlich, Maßnahmen zum Schutz der verbliebenen Vogelarten zu ergreifen. Ohne nachhaltigen Schutz und globale Anstrengungen zur Rettung dieser Arten drohen schwerwiegende Konsequenzen für die Natur und letztendlich auch für den Menschen selbst.

Die Studie fordert dazu auf, nicht nur das Aussterben an sich zu bekämpfen, sondern auch die wichtigen ökologischen Funktionen der Vögel zu schützen. Es reicht nicht, einzelne Arten zu retten – es geht darum, die Balance und das Gleichgewicht in den Ökosystemen zu bewahren.