Darmmikrobiota: Forschende entdecken, wie der Zuckerstoffwechsel in der Darmflora gesteuert wird
Forschende haben einen RNA-gesteuerten Mechanismus entdeckt, der es dem Bakterium B. thetaiotaomicron ermöglicht, sich im Darm an wechselnde Nahrungsbedingungen anzupassen. Die Entdeckung könnte neue Therapieansätze für Darmerkrankungen und Infektionen eröffnen.
Forschende des Helmholtz-Instituts für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI) in Würzburg haben gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen einen wichtigen Mechanismus in der Darmmikrobiota entschlüsselt. Im Zentrum steht das Bakterium Bacteroides thetaiotaomicron, das entscheidend zur menschlichen Verdauung beiträgt.
Die Studie, die in Nature Communications veröffentlicht wurde, belegt, wie das Darmbakterium seinen Zuckerstoffwechsel an wechselnde Nahrungsbedingungen anpasst. Die Entdeckung könnte neue Wege für therapeutische Ansätze eröffnen.
Die Mikrobiota des Darms ist ein komplexes, dynamisches System, das entscheidend für die menschliche Gesundheit ist. Die mikrobiellen Gemeinschaften müssen sich ständig an schwankende Nahrungsbedingungen anpassen, um ihre Funktion aufrechtzuerhalten.
Bedeutung für die Darmbesiedlung
Eine zentrale Rolle spielt dabei Bacteroides thetaiotaomicron, eine häufig vorkommende Bakterienart, die spezielle Genabschnitte aufweist, sogenannte Polysaccharide Utilization Loci (PULs). Diese speziellen Abschnitte im Erbgut bestimmter Bakterien enthalten die Baupläne für Enzyme und andere Proteine, die komplexe Mehrfachzucker spalten und verwerten können.
Die Experimente zeigen, dass das Fehlen bestimmter Proteine die Fähigkeit von B. thetaiotaomicron, den Darm erfolgreich zu besiedeln, deutlich einschränkt. „Diese Studie erweitert unser Verständnis der RNA-koordinierten Stoffwechselkontrolle, die für die Überlebenschancen dominanter Mikrobiota-Spezies entscheidend ist“, sagt Ann-Sophie Rüttiger, Erstautorin der Studie und Doktorandin im Labor von Alexander Westermann.
Künftige Studien sollen die Struktur der Proteine und deren Mechanismen der RNA-Bindung detaillierter untersuchen. Zudem plant das Team, die funktionellen Ähnlichkeiten mit anderen RNA-bindenden Proteinen zu analysieren. Ziel ist es, zentrale Steuerungspunkte in der Mikrobiota zu identifizieren, die sich therapeutisch nutzen lassen.
Potenziale für neue Therapien
Das bessere Verständnis der RNA-basierten Steuerungsmechanismen in der Darmmikrobiota könnte neue Ansätze zur Behandlung von Infektionskrankheiten, Darmerkrankungen und zur allgemeinen Gesundheitsförderung ermöglichen. „Unsere Ergebnisse bieten einen vielversprechenden Ansatz, dieses mikrobielle Konsortium besser zu verstehen und für neue Behandlungsstrategien nutzbar zu machen“, fasst Westermann zusammen.
Ebenfalls am HIRI wird auch über Antibiotikaresistenzen in der Darmmikrobiota geforscht. So haben die Forschenden beispielsweise letztes Jahr herausgefunden, dass ein kleines RNA-Stück in B. thetaiotaomicron die Antibiotikaempfindlichkeit beeinflusst.
„Die RNA-Biologie von Bacteroides und anderen Mitgliedern der Darmmikrobiota ist vergleichsweise wenig erforscht. Projekte wie dieses legen den Grundstein für zukünftige Studien und stellen eine wichtige Ressource für weitere Forschungsarbeiten dar“, sagt Westermann. Die Forschung zeigt, wie fundamental molekulare Mechanismen für die Anpassungsfähigkeit der Mikroben sind – und wie sie genutzt werden könnten, um die menschliche Gesundheit zu fördern.
Quellenhinweis:
Rüttiger, A. S., Ryan, D., Spiga, L., Lamm-Schmidt, V., Prezza, G., Reichardt, S., Langford, M., Barquist, L., Faber, F., Zhu, W., & Westermann, A. J. (2025): The global RNA-binding protein RbpB is a regulator of polysaccharide utilization in Bacteroides thetaiotaomicron. Nature Communications. https://doi.org/10.1038/s41467-024-55383-8
Ryan, D., Bornet, E., Prezza, G., Alampalli, S. V., de Carvalho, T. F., Felchle, H., Ebbecke, T., Hayward, R., Deutschbauer, A. M., Barquist, L., & Westermann, A. J. (2024): An expanded transcriptome atlas for Bacteroides thetaiotaomicron reveals a small RNA that modulates tetracycline sensitivity. Nature Microbiology. https://doi.org/10.1038/s41564-024-01642-9