Gesteigertes Selbstbewustsein: China und die Welternährungsorganisation FAO!
China will die USA als Weltmacht ablösen und positioniert sich entsprechend weltweit. Wir schauen auf die Rolle Chinas in der Welternährungsorganisation.
Ganz in der Nähe des berühmten Kolosseums in Rom befindet sich das Hauptquartier der UN-Welternährungsorganisation, international unter der Abkürzung FAO (Food and Agriculture Organization) bekannt. Sie ist weltweit für Fragen der Ernährung und der Landwirtschaft zuständig. Als die größte Sonderorganisation der UNO sammelt die FAO in Rom und den Länderbüros Daten zum Agrarbereich und konzipiert Projekte für eine bessere Ernährung. In Anbetracht der Folgen der Klimaveränderungen und der wachsenden Weltbevölkerung ist die Arbeit der FAO wichtiger denn je.
Seit vier Jahren wird die FAO von dem Chinesen Qu Dongyu geführt. Dieser hat in seiner Amtszeit in der FAO-Zentrale einiges verändert, was auch eine gemeinsame Recherche des BR, MDR, RBB und SWR bestätigt hat. Bereits während der Wahl warf die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner China unlautere Methoden bei der Postvergabe vor. Nach ihrer Aussage sickerte durch, dass gerade afrikanische Staaten ein Foto von ihrem Wahlzettel in der Wahlkabine machen sollten, während die Wahl stattfand. Unter Beobachtern des Wahlprozesses wurde das als Hinweis gedeutet, dass China mehreren Staaten Angebote für ihre Stimme unterbreitet haben könnte.
China wird selbstbewusster
China kommuniziert deutlich, dass es die USA als Weltmacht ablösen will. Die erhöhte Präsenz Chinas innerhalb von UN-Organisationen unterstreicht das. Worin begründet sich aber das explizite Interesse Chinas an der FAO? Mareike Ohlberg, eine Expertin für chinesische Außenpolitik, unterstrich in einem Interview, dass Ernährung in erster Linie ein zentrales Element der chinesischen Regierung selbst sei. Eine gesicherte Ernährung sei ein essentieller Faktor für die innere Sicherheit im Land. China war über viele Jahre in der UN eher passiv und zurückhaltend. Nun nutze das Land aber seine gestiegene Bedeutung als Weltmacht und baue folglich seinen Einfluss und seine Macht bei verschiedenenUN-Organisationen aus.
Umbau der FAO
Nach seinem Amtsantritt baute der neue chinesische Generaldirektor die FAO personell um. Er besetzte zentrale Abteilungen mit chinesischen Direktoren. Vor seiner Wahl waren zwei Direktorenposten von Chinesen besetzt, nun sind es sechs. Einer dieser Direktoren ist zuständig für den Bereich Pflanzenschutz — und damit auch für den Umgang mit Pestiziden. In diesem Bereich ist die Veränderung innerhalb der FAO in den vergangenen Jahren besonders sichtbar. Aus internen Unterlagen der FAO, zu denen das genannte Rechercheteam Zugang hatte, ging unter anderem hervor, dass seit 2020 Dutzende Lieferungen problematischer Pestizide in Ländern Asiens und Afrikas freigegeben wurden.
Solche Genehmigungen gab es nicht nur für Insektizide, die auch in Notfällen – zum Beispiel bei Heuschreckenplagen – eingesetzt werden, sondern unter anderem auch für sogenannte Herbizide und Fungizide. Diese werden gegen Unkraut und Pilzbefall eingesetzt. Viele der von der FAO zur Lieferung freigegebenen Pestizide beinhalten Wirkstoffe, die in der EU wegen ihrer Toxizität nicht mehr zugelassen sind.
Chinesische "Officer" in der FAO
Ein interner Mitarbeiter, der seit vielen Jahren in der FAO arbeitet, erhob gegenüber dem Rechercheteam schwerwiegende Vorwürfe gegen die chinesische Führung: Diese »…instrumentalisiere die UN-Organisation für geopolitische Zwecke«. Die Recherche zeigt außerdem den Einsatz chinesischer "Officer" in der FAO auf. Dabei handelt es sich um Chinesen, die als Mitarbeiter in der FAO sitzen, deren Gehälter aber von China bezahlt werden. Dies ist allerdings nicht so ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick scheint, denn auch andere Staaten bezahlen "Officer" aus ihren Heimatländern. Das Regime in Peking allerdings überprüft seine Mitarbeiter "streng" auf ihre "politische Ideologie". So müssen diese regelmäßig über ihre Arbeit in der FAO an die chinesische Botschaft in Rom berichten.
Nach vier Jahren Amtszeit steht in Kürze die Neuwahl des FAO-Generaldirektors an. Wählen dürfen die Vertreter der Mitgliedsstaaten. Zwei mögliche Gegenkandidaten aus dem Irak und Tadschikistan haben ihre Kandidatur inzwischen zurückgezogen. Qu Dongyu wird also aller Voraussicht nach als Generaldirektor wiedergewählt werden – und weiterhin die Geschicke der FAO lenken.
Die gefährliche Wechselwirkung
Was die Recherche nicht erwähnt, ist die Tatsache, dass China auch bei politischer Einflussnahme wie bei diesem Beispiel einen großen Lehrmeister kopiert, und zwar die USA. Die Vereinigten Staaten haben mit ihrer neoliberalen und unökologischen Landwirtschaftspolitik der vergangenen Jahrzehnte zu einem fatalen Siegeszug der intensiven Landwirtschaft geführt. Auch bei uns in Europa war der „American way of agriculture“ durchaus ein Vorbild, zumindest bis zum allmählichen Einzug von ökologischeren bzw. traditionelleren Landwirtschaftsformen.
Das Erbe hinterlassen wir, wie auch beim Klimawandel, den künftigen Generationen. Unkontrollierter Pestizideinsatz und Monokulturen mit ausgelaugten Böden haben nichts mit Land zu tun, sondern mit Wirtschaft. Meeres- und Gewässerverunreinigungen durch Überdüngung und unfruchtbare Böden sind die Folgen. Das weiß auch die FAO !
Nationen mit Weltmachtstreben denken und handeln offensichtlich nur kurzfristig und nicht mit Blick auf die nächsten Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Auch China macht dies trotz aller kultureller Intelligenz nicht anders. Schade!