Chhaupadi: Noch immer werden Millionen Frauen in Nepal durch abergläubische Praktiken isoliert und gefährdet
In Nepal werden noch immer 8,8 Millionen Frauen und Mädchen während ihrer Periode in winzigen Menstruationshütten untergebracht. Regelmäßig gibt es Todesopfer – wegen Unterkühlung, Infektionen oder durch Schlangenbisse.
Die Praxis des Chhaupadi, menstruierende Frauen in winzige Schuppen zu verbannen, bleibt trotz gesetzlicher Verbote in Nepal weit verbreitet. Womanepal zufolge werden aktuell noch immer 8,8 Millionen Frauen und Mädchen durch abergläubische Stimatisierung während der Periode diskriminiert. Die Tradition steht in scharfem Gegensatz zu den Fortschritten in der öffentlichen Gesundheitspolitik und zeigt die Diskrepanz zwischen Theorie und Realität auf, wie nun in einem Kommentar des International Journal of Public Health zu lesen ist.
Die Chhaupadi-Hütten, oft nicht mehr als baufällige Lehmverschläge oder baufällige Tierställe, verfügen oft über kein Fenster, keine Tür und kein Licht, erklärt Animesh Ghimire in ihrem Kommentar. In den Hütten sind Frauen während ihrer Menstruation Gefahren wie Unterkühlung, Infektionen und Tierangriffen ausgesetzt. Regelmäßig kommt es zu Todesfällen wegen Schlangenbissen oder durch Erstickung, weil die Frauen bei Minusgraden ein Feuer in der Hütte gemacht haben.
Vom Schulbesuch ausgeschlossen
Ein UN-Bericht aus dem Jahr 2011 legt nahe, dass Fälle von körperlicher Misshandlung und Vergewaltigung durch marodierende Männergruppen in Chhaupadi-Hütten aufgrund der Stigmatisierung viel zu selten gemeldet werden. Nicht selten berichten Mädchen davon, dass sie von Betrunkenen dazu gezwungen werden, die Hütte zu verlassen und die Nacht im Freien zu verbringen, wo sie den Angriffen von Tieren schutzlos ausgeliefert sind.
Die Isolation geht über das Physische hinaus: Frauen und Mädchen werden aus sozialen und bildungsrelevanten Kontexten wie vom Schulbesuch ausgeschlossen. Auf die schwere landwirtschaftliche Arbeit dürfen sie dennoch nicht verzichten.
Auch unter der Geburt
Chhaupadi ist nicht nur auf die Zeit der Menstruation beschränkt, sondern wird auch während der Geburt eines Kindes praktiziert. Diese Praxis ist eng mit dem hinduistischen Glauben verbunden, der die körperlichen Ausscheidungen während der Menstruation und der Geburt als religiös unrein betrachtet.
Nicht nur die Entbindung muss im Schuppen stattfinden, sonders Chhaupadi wird auch nach der Geburt verlangt, im Wochenbett. Frauen und ihre Neugeborenen müssen nach der Geburt des Kindes 10 bis 14 Tage im Exil bleiben. Nicht selten versterben die Neugeborenen.
Armut und ein Mangel an Bildung verschärfen das Problem zusätzlich. Ironischerweise ist die Praxis unter Frauen in städtischen Gebieten kaum verbreitet, bleibt jedoch in abgelegenen Regionen wie Karnali tief verankert. Die Kluft zwischen städtischen und ländlichen Regionen ist ein Zeichen der sozioökonomischen Ungleichheiten im Land.
Die Praxis ist eine fundamentale Verletzung der Menschenrechte, die eine rigorose Abschaffung erfordert. Nur Bildungsinitiativen können langfristige Verhaltensänderungen bewirken, besonders in Form von Sexualaufklärung, die Menstruationshygiene thematisiert und kulturelle Mythen hinterfragt.
Quellenhinweis:
Ghimire, A. (2024): Menstrual Exile: Nepal’s Chhaupadi and the Policy-Practice Divide, International Journal of Public Health, 69. https://doi.org/10.3389/ijph.2024.1608202