Boden-Organismen reagieren überraschend auf Erwärmung
Bodenmikroorganismen kontrollieren den Verbleib des organischen Kohlenstoffs im Boden. Die Erd- und damit auch die Bodenerwärmung könnte ihre Aktivitäten beschleunigen und Kohlenstoffvorräte dem Risiko der Zersetzung aussetzen.
Das vorhandene Wissen über mikrobielle Reaktionen auf die Erwärmung basiert auf räumlich sehr begrenzten Messungen. So blieben die zugrunde liegenden Mechanismen bisher weitgehend unerforscht, was Prognosen und Analysen erschwerte.
Ein Forschungsteam der Universität Wien hat in einem Langzeitexperiment die Bodenerwärmung in einem spezifischem Gebiet untersucht. Ziel des Experiments war die Feststellung, wie aktive Populationen von Bakterien und Archaeen auf erhöhte Bodentemperaturen (+6 °C) und den Einfluss von Pflanzenwurzeln reagieren. Das Team untersuchte ein subarktisches Grasland auf Island. Dort begannen vor etwa 50 Jahren durch einen geothermischen Prozess in der vulkanischen Region der Insel eine zunehmende Erwärung der Bodentemperatur. Die geologischen Veränderungen haben so zu einer um einige Grad höheren Bodentemperatur als in den umliegenden Gebieten geführt.
Entgegen früheren Annahmen war ein erhöhtes Gemeinschaftswachstum mit einer größeren Anzahl aktiver Bakterientaxa verbunden und nicht mit allgemein schneller wachsenden Populationen.
Die so ermittelten Ergebnisse enthüllten somit einen Mechanismus, wie Bodenbakterien auf die Erwärmung reagieren, der aus den bisherigen Messungen nicht abgeleitet werden konnte.
Die Bodenkohlenstoff-Klima-Rückkopplung im Visier
Unsere Böden bilden die Grundlage des irdischen Stoff- und Klima-Kreislaufs. Sie sind das größte Reservoir an organischem Kohlenstoff auf der Erde. Inwieweit er dort gespeichert bleibt oder in der Form von Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt, hängt vom Abbau der pflanzlichen Biomasse im Boden durch Mikroorganismen ab. In diesem Zusammenhang interessiert sich die Wissenschaft auf mögliche Rückkopplungsprozesse im Gesamtkomplex des Klimawandels. Bei weiter ansteigenden Temperaturen ist davon auszugehen, dass die mikrobiellen Gemeinschaften im Boden ansteigen und somit mehr Kohlendioxid freisetzen. Dadurch würde der Klimawandel weiter angeheizt, was auch den Freisetzungsprozess der Bodenatmung weiter beschleunigen würde.
»Jahrzehntelang ist man davon ausgegangen, dass diese Reaktion durch erhöhte Wachstumsraten einzelner Bakterienpopulationen in einem wärmeren Klima angetrieben wird«, so Andreas Richter von der Universität Wien, einem der Autoren der Studie.
Die Forschenden gingen durch vergleichende Untersuchungen der Frage nach, wie sich eine Erwärmung auf die mikrobielle Zusammensetzung im Boden ausgewirkt hatte. Sie analysierten dazu die Zusammensetzung der Bakterienarten. Mit modernen Isotopenmarkierungstechniken wurden die Wachstumsraten der Mikroben in den verschiedenen Untersuchungsgebieten festgehalten.
Eine Bestätigung lag auf der Hand, denn die seit mehr als 50 Jahren anhaltende Erwärmung des Bodens hatte das mikrobielle Wachstum wie erwartet erhöht. Allerdings gab es auch Widersprüche der Wachstumsraten bei verschiedenen Bakterienarten, denn grundsätzlich waren diese in wärmeren Böden nicht von denen mit normalen Temperaturen zu unterscheiden.
Wie also kam es dennoch zu der Gesamtzunahme? Eingehende Analysen der Diversität beschäftigten sich mit der Existenz unterschiedlicher Bakterienarten in den Böden. So zeigte, sich, dass die Erwärmung offenbar zuvor schlummernde Spezies aktiviert hatte. Dadurch bauten diese ihre Bestände aus, was letztendlich zum Zuwachs auf Gesamtebene geführt hat.
Statt generellem Zuwachs mehr Diversität
Die Autoren schrieben dazu: »Wir können bestätigen, dass die Bodenerwärmung über mehr als 50 Jahre hinweg das mikrobielle Wachstum auf Gemeinschaftsebene gesteigert hat. Doch während zuvor angenommen wurde, dass dies durch allgemein schnelleres Wachstum verursacht wird, haben wir festgestellt, dass diese Reaktion bei Bakterien durch eine größere Gruppe unterschiedlich aktiver Spezies hervorgerufen wurde.«
Sie betonten die Notwendigkeit weiterer Studien, um auszuschließen, dass es sich bei dem Befund um eine Besonderheit des speziellen Untersuchungsgebietes handeln könnte.
Fazit
Sollten sich die Ergebnisse der Studie als ein grundlegender Mechanismus erweisen, hätte dies eine erhebliche Bedeutung für das Verständnis der mikrobiellen Abbauprozesse im Boden und der klimatischen Rückkopplungsmechanismen. Der Grund dafür: Bodenbakterienarten, die unter erwärmten Bedingungen aktiv werden, können sich funktionell von denen unterscheiden, die bei geringeren Werten aktiv sind.
Laut den Wissenschaftlern sei es eine große Herausforderung, die Reaktion des Bodenmikrobioms auf den Klimawandel vorherzusagen. Der Boden gilt aus diesem Grund in den meisten Klima- und Kohlenstoffkreislaufmodellen als eine »Black Box«.
Diese nun geleistete Arbeit des Forschungsteams der Universität Wien schafft die Voraussetzungen für genauere Vorhersagen des mikrobiellen Verhaltens und der daraus resultierenden Auswirkungen auf den Kohlenstoffkreislauf in einem sich entwickelnden Klimasystem.