Bio-Engineering: Baumblätter als Grundlage für Elektronikkomponenten
Ein Team von Wissenschaftlern hat sich von Bäumen und deren Blättern
inspirieren lassen, um „grünere“ Elektronikbauteile herzustellen.
Auf der Suche nach Ideen für ein grünen, technologischen Fortschritt hat ein Forscherteam einen Weg gefunden, die in der Elektronikindustrie herkömmliche Leiterplatte (PCB), wie sie in unzähligen elektronischen Geräten eingesetzt wird, durch eine biologisch abbaubare Alternative aus Baumblättern zu ersetzen.
Ziel: mit Rohstoffen sparsam umgehen und Elektronikschrott vermeiden
Über die Ergebnisse der neuen Studie hat vor wenigen Tagen Science Advances berichtet. Die Forscher selbst bezeichnen ihre Entdeckung als »Leaftronics«, einem Kunstwort, zusammengesetzt aus dem englischen Wort für "Blatt" (leaf) und der Abkürzung »tronics« als Abkürzung für "Elektronik".
Das Forscherteam will mit seinem Ansatz dazu beitragen würde, unzählige Millionen Tonnen Elektroschrott, den die Menschheit jedes Jahr produziert, zu vermeiden oder zumindest deutlich zu reduzieren.
Vielversprechende Idee
Ein Materialwissenschaftler und Ingenieur an der Tsinghua-Universität, der an der Entwicklung biologisch abbaubarer Elektronik arbeitet, aber nicht an der Studie beteiligt war, bezeichnete die Ergebnisse der Studie als „ziemlich aufregend“ und „sehr vielversprechend.“
Elektronische Abfälle sind überall zu finden und nehmen aufgrund der technologischen Entwicklung exponentiell zu. Im Jahr 2022 wurden durch die Hersteller von elektronischen Komponenten weltweit 62 Millionen Tonnen Elektroschrott produziert. Nach Schätzungen der Industrie wird diese Zahl bis 2030 um mehr als 30% ansteigen.
Dieser Anstieg sei auch damit begründet, dass moderne Elektronik oft als Wegwerfartikel konzipiert ist, sagte Rakesh Nair, Postdoktorand und Ingenieur am Institut für Angewandte Physik der TU Dresden, einer der Autoren der Studie.
so Nair.
Leiterplatten (PCBs), also die Platten, an denen elektronische Komponenten befestigt sind, machen bis zu 60% des Elektroschrotts aus. Sie bestehen typischerweise aus extrem hartem Kunststoff oder Fiberglas, das mit Epoxid angereichert ist. Dieses Substrat ist nicht recycelbar und stellt das Kernproblem bei Elektroschrott dar.
Diese Tatsache betonte auch Hans Kleemann, Experimentalphysiker an der TU Dresden und Nairs Berater.
so Kleemann.
Das Forscherteam dachte zuerst daran, Papier als Ersatz für das Plattenmaterial zu verwenden. Abschreckend war aber die Menge an Wasser und Schadstoffen, die benötigt würden, um geeignete Papiere zu erzeugen.
Als er den großen Magnolienbaum in der Nähe seines Instituts betrachtete, fand Nair eine naheliegende Lösung, indem er versuchen könnte, dessen Blätter als Alternative zu benutzen.
Die Blätter des Magnolienbaum seien biologisch abbaubar, aber trotzdem hart genug, um sogar großen Stürmen zu widerstehen. Die Blätter erhalten ihre Stärke aus ihrem "Skelett", einem stark verzweigten Netzwerk von feinen Harzen aus einer holzartigen Verbindung namens Lignocellulose.
Um ein Magnolienblatt in Leiterplattenmaterial zu verwandeln, zog Nair es zunächst bis zu seinem Skelett ab, indem er die Zellen des Blattes entfernte. Dann füllte er die so entstandenen Leerräume des Skeletts mit Ethylcellulose, einem zähen und biologisch abbaubaren Polymer.
Die so entstandene flexible Leiterplatte widerstanden alle Arten von Fertigungsprozessen, wie sie in der Elektronik Anwendung finden, einschließlich des Laserschneidens von Formen in die Boards, des Aufdruckens von Schaltkreisen auf den Boards selbst mittels kommerziell genutzten Silberfarben und dem Auflöten von Bauteilen.
Prozessorientierter Ansatz
Nair legte sogar sein Testblatt in die hochmoderne physische Dampfabscheidungsmaschine des Teams um damit Materialschichten für Leuchtdioden herzustellen. Das Resultat waren Leuchtdioden auf der Basis von „Leaftroncis“.
Das System ist nicht nur gut schneidbar, sondern auch an der richtigen Stelle von den aufgebrachten Komponenten trennbar. So konnte das Team die teuren Metall- und Schaltungskomponenten entfernen, indem es die biologisch abbaubare Leiterplatte in ein Ultraschall-Säurebad legte. Das Blattmaterial selbst begann nach nur einem Monat mit seinem Abbau in einem Komposthaufen.
Auch bei der Produktion würden die »Leaftronics« viel geringere Emissionen als normale Leiterplatten verursachen, wie die Forscher berechneten. In Nairs Vorstellung stünde eine Elektronikfertigungs- und Recyclinganlage neben einem Magnolienwald. So würden die Blätter nachhaltig gesammelt, zu »Leaftronics« konvertiert, dann getrennt und recycelt werden können.
Clara Santato, eine physikalische Chemikerin am Montréal Polytechnic, sieht in dem Verfahren sehr sinnvolle Schfritte in Richtung nachhaltiger Elektronik.
Santato zeigte sich von dem Team um Nair aufgezeigten Wegen sehr begeistert, stellt allerdings auch fest, dass ihrer Meinung nach eine Technologie nicht ausreichen werde, um die Nachhaltigkeitsprobleme der Elektronikindustrie zu beheben.
so Santato gegenüber Science Advances
Fazit
Wie bei jeder neuen Technologie wird die größte Herausforderung darin bestehen, Elektronikhersteller davon zu überzeugen, das »Leaftronics«-Verfahren zu testen und zur Marktreife zu bringen. Obwohl die Magnolienblätter in Labortests gut abgeschnitten haben, reicht das möglicherweise nicht aus, um die Produzenten zu einem Wechsel zu bringen.
Aufgrund ihrer biologischen Abbaubarkeit wird »Leaftronics« möglicherweise nicht alle Branchennormen erfüllen.
Aktuelle PCB-Materialien sind in Bezug auf Robustheit praktisch unschlagbar. Sie sind der eindeutige Maßstab für aktuelle Regeln in Bezug auf elektronische Bauteile.
Eventuell müssen [Regulierer] die Vorgaben [für Stabilität] um 5 Prozent senken, damit »Leaftronics« in diesen Markt gelangen könne, so Hans Kleemann in Science Advances.