Ausdünnung von Zirruswolken gegen die globale Erwärmung? Über das umstrittene Cirrus Cloud Thinning (CCT)
Die Zirruswolkenmodifikation soll den wärmenden Effekt von Zirruswolken reduzieren, indem Eiskeimbildungspartikel in die Atmosphäre eingebracht werden. Die Technik könnte potenziell zwar zur klimatischen Abkühlung beitragen, jedoch bestehen auch Risiken wie „Overseeding“ und unvorhersehbare Wechselwirkungen mit anderen Wolkenarten.
Weil sie langwellige Wärmestrahlung zurück zur Erdoberfläche reflektieren, tragen Zirruswolken weit oben in der Troposphäre zur globalen Erwärmung bei. Anders als andere Wolkenarten kühlen sie nicht durch Sonneneinstrahlung, sondern verstärken den Treibhauseffekt. Die Methode des Cirrus Cloud Thinning (CCT) versucht daher, diesem Effekt entgegenzuwirken.
Das CCT setzt auf die Ausdünnung von Zirruswolken, indem künstliche Eiskeimbildungspartikel (INPs) in die Atmosphäre eingebracht werden (Seeding). Diese INPs fördern die Entstehung weniger, aber größerer Eiskristalle. Diese Kristalle fallen schneller aus den Wolken aus, verkürzen deren Lebensdauer und verringern deren wärmende Wirkung.
Temperatursenkung um 1,4 Grad Celsius möglich?
Die Methode könnte besonders in Regionen mit geringen natürlichen INP-Konzentrationen wirksam sein, etwa in den hohen Breiten der südlichen Hemisphäre, wie verschiedene Studien nahelegen. Wie Modellrechnungen zeigen, hätte CCT vor allem im Winter dort den stärksten Effekt. Auch sind in diesen Gegenden andere Wolkentypen seltener, weswegen es damit auch weniger Wechselwirkungen gäbe.
Die Forschung sieht in CCT theoretisch das Potenzial, die globale Durchschnittstemperatur um bis zu 1,4 Grad Celsius zu senken. Dazu müsste die Technik großflächig und präzise angewandt werden, etwa durch spezielle Flugzeuge, die das Impfmaterial ausbringen. Auch Drohnen werden diskutiert, stoßen aber aufgrund der notwendigen Flughöhen von 7 bis 14 Kilometern an technische Grenzen.
Dennoch sind die Herausforderungen nicht von der Hand zu weisen: Eine Überdosierung der INPs könnte das Gegenteil bewirken und zur Bildung dickerer, langlebigerer Zirren führen, die das Klima zusätzlich erwärmen – das sogenannte Overseeding ist eine der größten Risiken von CCT. Modellstudien zeigen, dass die Schwelle für solche negativen Effekte stark variieren kann, was die Unsicherheit weiter erhöht.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Wechselwirkungen mit anderen Wolkentypen. Während einige Studien nahelegen, dass Mischphasenwolken durch CCT abnehmen und so zusätzliche Kühlung bewirken, zeigen andere das Gegenteil. Die Modellierung dieser Prozesse bleibt eine große wissenschaftliche Herausforderung.
Auch mögliche Nebenwirkungen auf das globale Klima sind nicht zu unterschätzen. CCT könnte den tropischen Regenwaldgürtel verschieben, was die Niederschlagsmuster in wichtigen Regionen beeinflussen würde. Zudem könnten extreme Wetterereignisse wie Starkregen häufiger auftreten, da die veränderte Strahlungsbilanz die Konvektion verstärkt.
„Ein weiteres Problem besteht darin, dass CCT auf lokaler Ebene mit der Absicht angewendet werden könnte, in bestimmten Gebieten Klimaänderungen hervorzurufen“, heißt es im Geoengineering Technologie‑Briefing der Heinrich-Böll-Stiftung. „Solche lokalen Einsätze könnten jedoch negative Auswirkungen auf benachbarte Regionen außerhalb der eigentlichen Zielregion haben und möglicherweise schwerwiegende Konflikte auslösen.“
Dem Briefing zufolge lassen sich Klimaereignisse aller Wahrscheinlichkeit nach nicht eingrenzen: „Ein Land, das eine Hitzewelle vermeidet, könnte andernorts eine Überschwemmung verursachen.“
Die praktische Umsetzung von CCT steht also noch ganz am Anfang. Obwohl es technisch einfacher wäre als andere Formen des Climate Engineering, etwa die Aerosolinjektion in die Stratosphäre, fehlen belastbare Studien zur Effektivität der Methode. Die Idee bleibt vorerst ein Konzept, das auf Modellierungen und Laborstudien basiert.
Zirruswolken sind eine der am wenigsten verstandenen Komponenten des Klimasystems, was die Bewertung von CCT zusätzlich erschwert. Zwar deuten einige Studien auf ein erhebliches Potenzial zur Abkühlung des Planeten hin, doch gibt es auch andere Untersuchungen, die keine oder sogar negative Effekte prognostizieren.
In einer Zeit, in der der Druck zur Eindämmung der globalen Erwärmung wächst, könnte CCT eine vielversprechende, wenn auch risikobehaftete Ergänzung sein. Bevor die Methode jedoch ernsthaft in Betracht gezogen wird, sind weitere Forschung und eine sorgfältige Abwägung der potenziellen Vor- und Nachteile erforderlich.
Quellenhinweise:
Schorr, T. (2024). Assessing the Potential of Cirrus Cloud Thinning through Cloud Chamber Experiments and Parcel Model Simulations. Doctoral dissertation, Karlsruher Institut für Technologie (KIT). https://doi.org/10.5445/IR/1000168905
Gasparini, B. & Quante, M. & Lohmann, U. (2023). Ausdünnung von Zirren, um dem Klimawandel entgegenzuwirken? In: Warnsignal Klima: Hilft Technik gegen die Erderwärmung? Climate Engineering in der Diskussion, 256–263. https://doi.org/10.25592/warnsignal.klima.climate.engineering.39