Aberglaube: Wissenschaftler konnten erstmals den Nutzen abergläubischer Überzeugungen nachweisen – für die Psyche
Haben schwarze Katzen, Leitern und Freitag, der 13., doch einen tieferen Sinn? Ja, sagen nun Wissenschaftler und verweisen auf den psychologischen Nutzen abergläubischer Gedanken und Handlungen.
Während manche Menschen an Glücksbringer und Rituale glauben, um das Schicksal zu beeinflussen, betrachten andere solche Praktiken als überholt. Doch neueste Forschungsergebnisse legen nahe, dass Aberglaube uns psychologisch unterstützen kann – auch wenn wir wissen, dass er keinen Einfluss auf die Ergebnisse unseres Handelns hat.
Prominente Beispiele verdeutlichen, wie tief Aberglaube noch in der Gesellschaft verwurzelt ist. So ließ etwa der ehemalige neuseeländische Premierminister John Key drei weiße Kaninchen auf seinen Hubschrauber malen, ein Ritual, das er selbst als „massiv abergläubisch“ bezeichnet. Ähnlich verhält es sich bei Sportlern wie Rafael Nadal, der vor jedem Aufschlag eine feste Abfolge von Bewegungen ausführt. Popstars wie Taylor Swift und Rihanna halten ebenfalls an symbolischen Handlungen fest, um ihr Glück zu beeinflussen.
Neuseeländische Forscher haben nun experimentell untersucht, welche kognitiven Mechanismen dem Aberglauben zugrundeliegen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Quarterly Journal of Experimental Psychology veröffentlicht.
„Vorsicht ist besser als Nachsicht“
In dem Experiment wurde die Fähigkeit von 371 Studenten getestet, zwischen tatsächlicher Kausalität und Zufall unterscheiden zu können. Die Teilnehmer spielten ein Spiel, bei dem sie durch das Klicken auf eine Schaltfläche ein Ergebnis erzielen konnten, das jedoch auch unabhängig von ihrem Handeln eintreten konnte. Die Aufgabe war herauszufinden, ob sie das Ergebnis selbst verursacht hatten.
„Wir haben getestet, ob Menschen den Unterschied zwischen Ergebnissen, die sie verursacht haben, und Ergebnissen, die sie nicht verursacht haben, erkennen können, und das hat uns etwas über die kognitiven Wurzeln des menschlichen Aberglaubens verraten“, erklärt Stephanie Gomes-Ng, leitende Forscherin am Department of Psychology der Auckland University of Technology und Hauptautorin der Studie.
Die Ergebnisse zeigten, dass die meisten Teilnehmer zu etwa 80 % richtig lagen. Interessanterweise neigten sie jedoch besonders bei positiven Ergebnissen dazu, diese auf ihre eigenen Handlungen zurückzuführen – selbst wenn dies objektiv nicht der Fall war. Diese kognitive Voreingenommenheit könnte erklären, warum abergläubisches Verhalten so weit verbreitet ist.
„Bei genauerem Hinsehen erfüllt diese Voreingenommenheit jedoch einen wichtigen Zweck, da sie sicherstellt, dass wir keine potenziellen Zusammenhänge zwischen unseren Handlungen und deren Ergebnissen übersehen“, so Stephanie Gomes-Ng. „Mit anderen Worten: Vorsicht ist besser als Nachsicht.“
Warum werden wir abergläubisch?
Aberglaube basiert auf der menschlichen Fähigkeit, Ursache und Wirkung zu erkennen – ein entscheidender Mechanismus, der bereits im Säuglingsalter beginnt. Schon kleine Kinder lernen, dass ihre Handlungen Folgen haben, wie etwa das Ziehen an der Tischdecke.
Doch diese Fähigkeit hat auch ihre Schwächen: Wenn auf eine Handlung ein positives Ergebnis folgt, neigen wir dazu, einen kausalen Zusammenhang herzustellen – selbst wenn dieser rein zufällig ist. Trage ich Glückssocken und meine Lieblingsmannschaft gewinnt, kann dies leicht dazu führen, dass ich an die Kraft der Socken glaube.
„Diese Neigung könnte der Schlüssel zur Erklärung dafür sein, warum wir abergläubisch sind: Etwas, das ich getan habe, hat etwas verursacht, auch wenn ich nicht sicher sein kann, was es war“, schlussfolgert Sarah Cowie, Verhaltensforscherin und Direktorin des Behaviour Lab der University of Auckland und Mitautorin der Studie. „Und es deutet darauf hin, dass das Wissen, dass Aberglauben nicht real ist, uns nicht davon abhält, uns abergläubisch zu verhalten.“
Psychologischer Nutzen von Aberglauben
Denn die Bereitschaft, eigene Handlungen mit positiven Ergebnissen in Verbindung zu bringen, mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, erfüllt jedoch wichtige psychologische Funktionen. Aberglaube kann das Selbstwertgefühl und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten steigern. Rituale und Glücksbringer vermitteln ein Gefühl der Kontrolle, was in stressigen Situationen beruhigend wirken kann.
Zudem gibt es Hinweise darauf, dass abergläubisches Verhalten die Leistung verbessern kann. Es bietet ein mentales Sicherheitsnetz und ermutigt dazu, Risiken einzugehen, die andernfalls vermieden würden.
Obwohl wir also wissen, dass Aberglaube sich nicht auf die reale Welt auswirkt, zeigt die Forschung, dass er dennoch psychologische Vorteile hat. Die Fähigkeit, positive Ergebnisse unseren Handlungen zuzuschreiben, stärkt das Wohlbefinden und hilft uns, Herausforderungen zu meistern.
Quellenhinweis:
Gomes-Ng, S., Cowie, S., & Elliffe, D. (2024): When is a causal illusion an illusion? Separating discriminability and bias in human contingency judgements. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 0(0). https://doi.org/10.1177/17470218241293418