Droht ein Jahrhundertwinter? Über Sinn und Unsinn solcher Prognosen!
Alle Jahre wieder tauchen in vielen Medien die Prognosen für den kommenden Winter auf. Gerne droht dann angeblich wieder ein "Jahrhundertwinter" mit viel Eis und Schnee. Doch was hat es mit diesen Jahreszeitenvorhersagen auf sich? Und wie hat sich eigentlich der Winter statistisch gesehen entwickelt?
Selten wurde dem bevorstehenden Winter so mit Spannung entgegen gesehen wie in diesem Jahr. Aufgrund der Energiekrise wünschen sich vielleicht auch eingefleischte Schnee- und Kälteliebhaber diesmal lieber einen milden Winter. Und wer wüsste nicht jetzt schon gerne, was uns in den kommenden Monaten vom Wetter erwartet.
Die Wettervorhersage reicht normalerweise drei bis fünf Tage in die Zukunft, bei stabilen Wetterlagen auch länger. Deswegen macht es auch wenig Sinn, in seiner Wetter-App zu schauen, wie viel Grad und welches Wetter einen in zwei Wochen erwartet! Aber bedeutet das im Umkehrschluss, dass Jahreszeitenvorhersagen Humbug sind? Ganz so einfach ist es dann doch nicht.
Was sind Jahreszeitenvorhersagen?
Jahreszeitenvorhersagen geben eine Prognose darüber ab, mit welcher Wahrscheinlichkeit die kommenden drei Monate zum Beispiel trockener oder feuchter, wärmer oder kälter als im langzeitlichen Mittel werden. So ist das German Climate Forecast System (CFS) ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Hamburg, des Max-Planck-Instituts für Meteorologie und des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Und auch die Nationale Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA (Wetterbehörde USA) veröffentlicht schon seit vielen Jahren regelmäßig Karten mit den berechneten Abweichungen vom Klimamittel für die kommenden Monate.
Statt detaillierter Aussagen gibt eine Jahreszeitenvorhersage Auskunft über jahreszeitlich gemittelte Trends. Es geht um Aussagen zu Wahrscheinlichkeiten, mit denen Abweichungen gegenüber dem Langzeitklima erwartet werden. Das heißt, es wird nach Signalen gesucht, die vom bekannten Klima abweichen. Auf dieser breiten Basis können Aussagen über Trends getroffen werden, die sich allerdings maßgeblich von der herkömmlichen Wettervorhersage unterscheiden.
Doch was sagt jetzt eine prognostizierte Temperaturabweichung von 0,5 bis 1 Grad "zu warm" für die Monate Dezember, Januar und Februar aus, wie sie zum Beispiel Anfang September vom Vorhersagemodell des DWD vorhergesagt wurden? Nicht wirklich viel, denn einerseits handelt es sich hierbei nur um experimentelle Prognosen von Wissenschaftlern und zweitens sagen Abweichungen über so einen langen Zeitraum nichts über die Schwankungsbreite der Temperaturen aus. Denn auf wochenlangen strengen Dauerfrost mit viel Schnee und Eis könnte daraufhin eine wochenlange extrem milde Südwestströmung mit neuen Temperaturrekorden folgen. Im Durchschnitt wäre dann der Winter vielleicht genau im Mittel oder sogar leicht zu warm.
Ob wir im Winter eisige Wochen mit strengem Frost und viel Schnee bekommen oder mildes und sehr windiges Wetter, ist einzig und allein von den sich einstellenden Großwetterlagen abhängig. Und wie sich diese dann entwickeln ist selbst für die kommenden zwei Wochen noch völlig offen. Jahreszeitenvorhersagen dienen daher nur groben klimatologischen Trends, die Gegenstand intensiver Forschung und Weiterentwicklung sind.
Entwicklung der Winter in Deutschland
Schon alleine aufgrund der Erwärmung durch die Klimakrise wird ein extrem kalter Winter zunehmend seltener und immer unwahrscheinlicher. Daher schauen wir uns mal einige Parameter an, die die Entwicklung der Winter in Deutschland verdeutlichen. So hat sich die Durchschnittstemperatur hierzulande im Mittel im Vergleich der Referenzperioden 1961-1990 (0,2 Grad) zu 1991-2020 (1,4 Grad) um 1,2 Grad erhöht (Quelle DWD).
Schaut man sich die Entwicklung der Frost- (Tiefstwert unter 0°C) und Eistage (auch Höchstwert nicht über 0°C) an, erkennt man an allen Stationen einen deutlichen Rückgang. Die Zahl der Eistage ging zum Beispiel in Frankfurt a.M. von 16 (1961-1990) auf nur noch 10 (1991-2020) zurück. Im vergangenen Winter gab es hier sogar keinen einzigen Dauerfrosttag.
Die Kältesumme ist ebenfalls ein guter Indikator, um die Strenge eines Winters einordnen zu können. Hierzu werden alle Werte aufaddiert, in denen die Mitteltemperatur (Mittel aus Minimum und Maximum) im negativen Bereich lag. In der Grafik vom DWD ist eine Auswahl von Stationen zu finden. Auch hier am Beispiel von Frankfurt ist die Kältesumme von 119 Kelvin (1961-1990) auf nur noch 64 Kelvin (1991-2020) im Mittel der jeweiligen 30 Jahre zurückgegangen. Und in den letzten zehn Jahren addierte sich die Summe nur noch auf 30 Kelvin auf. Zum Vergleich: Im Eiswinter 1962/63 betrug die Kältesumme nach heutigen Verhältnissen unvorstellbare 443 Kelvin!
Auch in anderen Parametern ist der Erwärmungstrend deutlich zu erkennen. Wie aber der kommende Winter wirklich wird, kann auch heute noch keiner seriös vorhersagen. Und sollten sich die saisonalen Vorhersagen des DWD auf einen leicht zu milden oder die Prognosen des Europäisches Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) auf einen durchschnittlichen Winter doch bewahrheiten, käme dies vielen angesichts der vielen Mildwinter der letzten 10 Jahre ausgesprochen kalt vor.