Zwischenbericht der Weltklimakonferenz COP 29 in Baku

Die Vorzeichen der Konferenz haben sich bestätigt. Nach einer entscheidungslosen und diskussionsreichen ersten Woche wurden zahlreiche Themen auf das nächste Jahr verschoben. Meine anwesenden Journalistenkolleginnen und - kollegen berichten von hohem Frustpotenzial.

Stillstand oder RÜckschritt : wie wird die COP 29 enden?

Alle Vermutungen haben sich bestätigt. Die politische Unsicherheit, der Vereinigten Staaten nach der Wahl des zukünftigen Präsidenten und die Zusammensetzung seiner Regierungsmannschaft überschattet die Konferenz von Baku. Verstärkt durch das Ende der aktuellen Bundesregierung kommen auch aus Europa wenig Impulse.

China und Indien als bevölkerungsreichste Länder, sehen sich als Opfer der von den reichen Ländern verursachten Klimakrise und verweigern bisher jede Beteiligung an Finanzierungmaßnahmen für die Staaten, die von der Erderwärmung am stärksten betroffen sind.

Der düstere Zustand der COP-Verhandlungen wurde in der vergangenen Woche von Ilham Aliyev, dem Präsidenten Aserbaidschans, unterstrichen. Er sagte den Staats- und Regierungschefs der Welt, dass Erdgas ein »Geschenk Gottes« sei. Länder sollten nicht dafür verantwortlich gemacht werden, diese Ressourcen auf den Markt zu bringen weil »…der Markt sie braucht«.

Zum Übergang von fossilen Brennstoffen

Vor einem Jahr einigten sich in Dubai 196 Länder auf einen

…Übergang von fossilen Brennstoffen auf regenerative, klimaneutrale Technologien«.

Auf der COP29 haben die Delegierten sichtbare Schwierigkeiten, darüber zu entscheiden, wie der Maßnahme- und Zeitplan genau aussehen soll.

Delegierte berichteten meinen KollegInnen, dass es zwar wichtig wäre, Baku mit … starken Signalen über die Notwendigkeit, Öl und Gas auslaufen zu lassen, zu verlassen«. Wie dies genau geschehen solle, bleibt nach der ersten Woche der COP 29 von Baku komplett unklar.

Eine Möglichkeit bestünde darin, den Übergang im Rahmen des Dialogs der COP 28 von Dubai zu diskutieren. Dieser habe sich auf die letztjährige globale Bestandsaufnahme konzentriert. Gleichgesinnte Entwicklungsländer, darunter auch China und Indien, lehnen dies ab. Ihre Forderung gipfelt darin, sich nur auf die Diskussionen der Finanzierungsfragen zu konzentrieren, was sich bisher als Sackgasse erwies.

Die Europäische Union und das Vereinigte Königreich haben in der ersten Woche darauf gedrängt, dass auf der Konferenz im Rahmen des Arbeitsprogramms zur Minderung der Klimafolgen über diesen Punkt gesprochen wird. Darin seien auch die Intensivierung der Emissionssenkungen als direkte Maßnahme zur Abkehr von fossilen Brennstoffen genannt. Saudi-Arabien und China hätten diese Forderung bisher kategorisch abgelehnt.

Ein gestern dazu veröffentlichter Textentwurf schlug vor, die gleiche Sprache wie auf der letztjährigen Konferenz nach dem dort erfolgten Global Stocktake zu verwenden.

Die heute verkündete Nominierung des neuen US-amerikanischen Energieministers Chris Wright deutet darauf hin, dass zumindest vier weitere Jahre intensiver Nutzung fossiler Energieträger vor uns liegen. Chris Wright kommt aus der Fracking-Industrie und war bisher CEO des US-Öldienstleisters Liberty Energy. Wright gilt als vehementer Klimaskeptiker, der den menschengemachten Klimawandel nicht nur anzweifelt, sondern in der Konsequenz komplett leugnet. Wright verglich den Kampf der Demokraten gegen die globale Erwärmung kürzlich mit dem Sowjet-Kommunismus. EIn Zitat von Chris Wright vom vergangenen Jahr in einem Video auf LinkedIn:

Es gibt keine Klimakrise, und wir befinden uns bei der Energie auch nicht in einem Umbruch

Falls der Senat Trumps Vorschlag zustimmt, gilt es als wahrscheinlich, dass er eine komplette Kehrtwende in der US-Klimapolitik zurück zu fossilen Brennstoffen einleiten wird.

Amerikanische KollegInnen aus dem Klimaressorts ihrer jeweiligen Medien sehen mit dieser Ernennung die gesamte Weltklimapolitik der nächsten vier Jahre vor einem Stillstand bei den Maßnahmen im Kampf gegen die Folgen des Klimawandels. Sie befürchten durch die Umsetzung des Trump-Wahlkampfslogans »Drill, Baby, Drill« eine weitere Erhöhung der klimaschädlichen Treibhausgase der nächsten vier Jahre.

Grüner Klimafond

Die wichtigsten multilateralen UN-Klimafonds, der Green Climate Fund (GCF), die Global Environment Facility (GEF) und der Fund for Responding to Loss and Damage (FRLD) – sind durch die gescheiterten Gespräche auf der COP29 mit dem Ziel eines Finanzierungsschubs für die drei Fonds das bisher größte Hindernis der Konferenz.

Der jüngste Text wird den Delegierten in der kommenden Woche zur Entscheidung vorgelegt. Er behandelt das neue, kollektive und quantifizierte (Fianzierungs-) Ziel (NCQG) und damit das möglichste wichtigste Ergebnis der COP29. Darin würde beschlossen, dass die Regierungen mindestens 20 Prozent ihrer jeweiligen »Klima-Vorsorge-Finanzmittel» über die wichtigsten UN-Klimafonds zu lenken.

Mit diesem Beschluss würden die drei genannten Klimafonds alle eine Erhöhung der Finanzmittel erhalten. Der bisherige Textvorschlag stammt von den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) und wird von kleinen Inselentwicklungsstaaten (SIDS) und der AILAC-Koalition fortschrittlicher lateinamerikanischer Länder unterstützt.

Derzeit gehen weniger als 5 % der Klimafinanzierung über Fonds - wobei der größte Rest entweder von Regierung zu Regierung, über Hilfsorganisationen wie USAID oder über multilaterale Entwicklungsbanken (MDBs) wie die Weltbank geht.

Die beantragten 20 Prozent wären ein deutlich höherer Anteil des Beitrages der Industrieländer an den Ausgleichsmaßnahmen zu den Folgen des Klimawandels.

Entwicklungsländer haben mehr Mitspracherecht darüber, wie Klimafinanzierungen ausgegeben werden, wenn sie über den GCF erfolgen. Dort stellen sie die Hälfte der Vorstandsmitglieder und können mehr Gelder verteilen, als wenn sie in Form von Zuschüssen durch die multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) verteilt werden. Die Stimmrechte für die MDBs hängt von der Beteiligung jeder Regierung an der Bank ab, was bedeutet, dass größere, reichere Nationen mehr Macht haben.

Geschlechtergerechtigkeit: Fehlanzeige

Die Delegationen streiten sich auch über eine weitgehend unbeachtete Entscheidung zum Thema Geschlechtergerechtigkeit. Vor neun Jahren wurde auf der COP20 das so genannte Lima-Arbeitsprogramm ins Leben gerufen. Diese zielte darauf ab, das Geschlechtergleichgewicht bei den UN-Klimagesprächen gefördert werden müssen und die Überlegungen und Entscheidungen dazu effektiver in die Klimapolitik und allen damit verbundener Maßnahmen zu integrieren seien. Die Entscheidung sollte in Baku bewertet und erneuert werden.

Wie bei allen anderen Verhandlungen sind die Gespräche auch bei diesem Thema langwierig und sehr schwierig. Die wichtigsten Hindernisse sind die sprachlichen Formulierungen nach Menschenrechtskriterien und die Finanzierung der Entscheidung, mit der die geschlechtsspezifische Kluft im Klimaschutz geschlossen werden soll. Aus Beobachterkreisen verlautet, dass der Irak, Saudi-Arabien, Ägypten und der Vatikan - neben anderen sozialkonservativen Ländern – bisher die Hauptblockierer beim Zustandekommen einer Vereinbarung waren.

Die Spaltung bei diesen Fragen ist so groß, dass weitere Gespräche komplett scheitern könnten. Zwei Verhandlungsführer sagten gegenüber meinen KollegInnen von Climate Home, dass die Gefahr bestünde, keine Einigung zu erzielen und damit die Entscheidung auf die COP 30 im nächsten Jahr zu verschieben.

Auch habe die aserbaidschanische COP-Präsidentschaft das Thema nicht priorisiert. Ein Beispiel dafür war die Tatsache, dass ihr COP29-Komitee zunächst aus 28, rein männlichen Mitgliedern bestand. Erst nach Interventionen und Protesten ergänzten sie die aserbeidschanische Delegation um 12 Frauen.

Fazit

Mein Kollege Ed King schrieb zur ersten Woche der Konferenz:

Es ist schwer, dem Gefühl zu entkommen, dass die erste Woche der COP29 in den kommenden Jahren als Fallstudie darüber gelten wird, wie man die Kommunikation rund um ein wichtiges Ereignis unterdrücken kann, wie man Schlüsselgäste einer Konferenz beleidigt, wie man exorbitante Hotelpreise für Gäste aus Entwicklungsländern verlangt und wie man generell für die Presse Verwirrung über die Ergebnisse der Veranstaltung stiftet

Hinzu komme eine Serie bedeutungsloser Diskussionsbeiträge. Die Konferenzräume seien weitgehend fensterlos, was bestens zu den bisherigen Ergebnissen passe. Ed betont, dass

die freiwilligen Helfer auf der Konferenz wunderbare Menschen seien, die etwas Licht in die betongeprägte, dunkle Welt der Konferenz brächten.

Natürlich gibt es auch andere Stimmen: Mohamed Hamel, Generalsekretär des Forums für gasexportierende Länder, lobte die »…außergewöhnliche Koordination und akribische Vorkehrungen« sowie »…die Erfolge, die bisher auf der COP29 erzielt wurden«.

Wenn Sie sich die obige Zusammenfassung betrachten, wird Sie die gleiche Frage beschäftigen, die auch mich beschäftigt hat:

War Mohamed Hamel auf der gleichen Konferenz, wie alle anderen, denn was wurde bisher als Erfolg erzielt?

Quellenhinweis: