Experte Ralf Roschlau klärt auf: Wie war das nochmal mit dem Thema Biodiversität?

Die Woche ab dem 21. Oktober bis zum 1. November sollen ganz im Zeichen des Klima- und Artenschutzes stehen. Falls sie das noch nicht wussten, ist das nicht so überraschend, denn die mediale Berichterstattung darüber ist sehr dürftig.

Auf der COP 16 entscheidet sich die Zukunft der Artenvielfalt auf der Erde

Die COP 16 in Cali – ein Meilenstein für den Schutz der Ökosysteme?

Seit diesem Montag haben sich im kolumbianischen Cali im Rahmen der COP16-Konferenz die Delegierten von 196 Staaten versammelt. Zumindest nach außen behaupten die Teilnehmenden, dass sie viel für Naturschutz und Artenvielfalt getan haben und noch tun wollen.

Wenn man genau hinschaut, ist Vorsicht angebracht. Seit dem vorherigen Gipfel vor zwei Jahren im kanadischen Montreal sind lediglich 25 Unterzeichnerstaaten der damaligen Erklärung mit konkreten Aktionsplänen in Erscheinung getreten.

Zu diesem traurigen Ergebnis kommen die Onlineplattform »Carbon Brief« und der »Guardian«. Nach deren Analyse wird die überwiegende Mehrzahl der Länder der Montreal-Erklärung von 2022 die Frist verpassen, mit der konkrete Pläne zur Einhaltung der Uno-Vereinbarung vorgelegt werden sollten. Diese hatte das Ziel, die Zerstörung der Ökosysteme unserer Erde zu beenden.

Die Konferenz von Montreal im Jahr 2022

Am 19. Dezember 2022 ging ein Aufatmen durch die Reihen der Teilnehmenden in Montréal. Mit ihrer Abschlusserklärung verabschiedeten die Vertragsparteien des UN-Abkommens über die Biologische Vielfalt (CBD) den Weltnaturvertrag. Mit diesem umfangreichen Rahmenwerk sollte weltweit der Erhalt der Ökosysteme, Arten und genetischen Ressourcen erreicht werden.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke freute sich damals über die klar formulierten Ziele. Dazu gehörte, dass ca. 30 Prozent der Flächen an Land und auf See unter Schutz gestellt, der Pestizideinsatz bis 2030 halbiert oder umweltschädliche Subventionen abgebaut werden sollten.

Im "Kunming-Montreal Global Biodiversity Framework" wurden 27 lang- und mittelfristige Ziele formuliert, die in großen Teilen schon bis 2030 umgesetzt werden sollen. Auch das Thema der Vermeidung von Plastikmüll war Teil der Ziele. Die Aussterberate der Arten sollte um das Zehnfache gesenkt werden. 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme waren zur Renaturierung vorgesehen.

Frühe Kritik an der Montreal-Erklärung

Schon damals gab es auch in unserem Land Kritik an der Montreal-Erklärung. So betonte Jörg-Andreas Krüger, Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU) seinerzeit:

Das Papier ist nicht geeignet, um wirklich den Stopp des Ökosystemverlusts und des Artensterbens einzuleiten“

Er forderte Nachverhandlungen, da die Ziele zu schwammig-, der Zeitplan und die Finanzierung zu unkonkret und die Ergebnisse letztendlich zu unkontrollierbar seien.

Die Zeit danach

Die Geschichte seit dem Ende der Konferenz und das Ergebnis der Analyse von »Carbon Brief« und dem »Guardian« bestätigen die damalige Skepsis von Jörg-Andreas Krüger. Insgesamt 170 Länder werden die Frist zur Abgabe verbindlicher Pläne nicht einhalten, darunter auch drei der G7-Staaten. So haben Deutschland und Großbritannien bislang keinen konkreten Zeit- und Maßnahmepläne vorgelegt. Die USA hatte die Konvention überhaupt nicht unterzeichnet.

Ein weiteres Ergebnis der Analyse zeigte auf, dass nur fünf von 17 der sogenannten »megadiversen Länder« konkrete Zusagen zur Bekämpfung des Naturverlustes gemacht haben. Unter diesen Begriff werden die Länder zusammengefasst, in denen sich zusammen 70 Prozent der weltweiten Artenvielfalt befindet.

Im Vorfeld der Konferenz von Cali erscheint es besonders bedenklich, dass Brasilien, Peru und auch der Gastgeber Kolumbien es bisher versäumt haben, konkrete Pläne zur Einhaltung der Montreal-Erklärung vorzulegen. Diese drei Länder umfassen geografisch den größten Teil des Amazonas Regenwaldes, dessen Erhalt einer der wesentlichen Pfeiler für das globale Klima und die Biodiversität ist.

Die Situation im zweitgrößten Regenwaldgebiet der Welt, dem Kongobecken, ist ebenfalls kritisch. Alle sechs Länder, die für das Kongobecken verantwortlich sind, haben die Frist für die konkrete Planabgabe ebenfalls verpasst.

So soll die Konferenz in Cali ablaufen

Das Hauptziel der COP 16 ist es, bis zum Jahr 2030 eine verbindlichen Maßnahmenplan festzulegen, um die Naturzerstörung zu beenden und das weltweite Artensterben einzudämmen. Allein in Europa gelten circa 2800 bedrohte Tierarten als akut in ihrem Fortbestand gefährdet.

Auch diese Konferenz wird bestenfalls unter der Überschrift »Hoffnung« stehen. In einem Interview mit der Tagesschau äußerte Heike Vesper, Vorstandsmitglied der Umweltstiftung WWF Deutschland, ihre gedämpften Erwartungen in die COP 16. Ein Grund für ihre Skepsis sei die Tatsache, dass der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen im Moment mit so vielen anderen Krisen weltweit konkurriere.

Dennoch erwartet Vesper von der Konferenz in Cali auch positive Signale. Ganz speziell hofft sie auf ein verbindliches Abkommen zur Beendigung der Plastikmüll-Problematik. Für Vesper ist das aber auch nur einer von den vielen Entscheidungsstränge, um die es in Cali geht. Wichtig ist für sie, dass das in Montreal verabschiedete Rahmenwerk nun endgültig in die Umsetzungsphase geht.

Peace with Nature?

Das Motto der COP 16 lautet: »Peace with Nature«, also »Frieden mit der Natur«. Ob dieses Motto alleine ausreicht, um das Thema Natur- und Artenschutz konkret voranzubringen, erscheint im Hinblick auf die mageren Ergebnisse der letzten zwei Jahre eher zweifelhaft.

Vielleicht wäre es besser gewesen, das Motto, um das Thema von konkreten Kontrollen der vereinbarten Maßnahmen zu ergänzen, also »Control Peace with Nature«.

Dieser Kontrollschritt erscheint schon deshalb wichtig, weil bisher so wenige Staaten ihre Aktionspläne und nationalen Umsetzungsstrategien (NBSAPs) für den Weltnaturvertrag fertiggestellt und veröffentlicht haben.

Die Wissenschaftliche Geschäftsführerin des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese unterstrich gegenüber der Tagesschau, dass auch Deutschland mit seinen Hausaufgaben nicht rechtzeitig fertig geworden ist.

Damit sich potenzielle Verbesserungen aus den NBSAPs zudem auch wirklich messen ließen, so Böhning-Gaese, müsse in Cali auch das Monitoring der Biodiversität weiterentwickelt werden.

Ich werde den Fortschritt der Konferenz beobachten und dann Anfang November über die Ergebnisse der COP 16 bei www.daswetter.com zusammenfassend berichten.