Webb-Weltraumteleskop beobachtet Sternenpopulation, die alle bisherigen Modelle zur Galaxienentstehung infrage stellt
Dem Webb-Weltraumteleskop ist die Beobachtung einer Galaxie gelungen, deren Alter bestehende Theorien über Galaxienentstehung und dunkle Materie ins Wanken bringt. Die Sternpopulation ist ungefähr 13 Milliarden Jahre alt und größer als die Milchstraße.
Das Webb-Weltraumteleskop (James Webb Space Telescope, JWST) hat eine Galaxie beobachtet, deren Alter und Größe auf Lücken in unserem Verständnis bei frühen Sternpopulationen hinweisen. Einem in Nature veröffentlichten Artikel zufolge zeigen die Aufnahmen eine massereiche Galaxie im frühen Universum – von vor 11,5 Milliarden Jahren (kosmische Rotverschiebung von 3,2) – mit einer extrem alten Sternpopulation, die noch weit früher – etwa 1,5 Milliarden Jahre früher – gebildet wurde (Rotverschiebung von etwa 11).
Es werden drei Sternenpopulationen unterschieden: Sterne der Population I sind blau, jung und haben eine hohe Metallizität. Sie sind überwiegend in Spiralarmen anzutreffen. Population-II-Sterne hingegen sind rot, alt und von geringer Metallizität, wie etwa rote Zwergsterne oder rote Riesen. Zur hypothetischen Population III schließlich gehören uralte Überreste oder Halos aus den Anfangszeiten der Galaxien. – Sternpopulationen werden mit der Entstehungsgeschichte von Galaxien in Verbindung gebracht
Die Entdeckung der Sternpopulation könnte darauf hindeuten, dass es Populationen früher Galaxien gibt, die bisher noch nicht entdeckt wurden. Auch könnte es sein, dass frühe Sternpopulationen und die Galaxienbildung – im Zusammenhang mit dunkler Materie – noch nicht richtig verstanden wurden.
Spektralanalyse nur noch mit dem Webb-Weltraumteleskop möglich
Das Bild zeigt eine rote Scheibengalaxie, eingefangen vom JWST NIRCam, einem Infrarotinstrument des JWST. Vom Bild allein lässt sich noch keine Aussage über die Unterschiede zu anderen Objekten treffen. Durch eine Spektralanalyse des Lichts lässt sich jedoch erkennen, dass sich das Objekt vor ungefähr 13 Milliarden Jahren gebildet hat, und das, obwohl es viermal mehr Sterne enthält als unsere Milchstraße heute. – Messungen des Planck-Weltraumteleskops zufolge ist das Universum 13,81 +/- 0,04 Milliarden Jahre alt.
Im Jahr 2010 sei mit den Infrarot-Himmelsdurchmusterungen begonnen worden. Über das Keck-Observatorium und das Very Large Telescope sei versucht worden, das Objekt als ungewöhnlich einzustufen. Bestätigungen sei jedoch nicht möglich gewesen, "bis zum letzten Jahr, wo wir enorme Anstrengungen unternommen haben, um herauszufinden, wie wir die JWST-Daten verarbeiten und dieses Spektrum analysieren können", so Glazebrook.
"Das verschiebt die Grenzen unseres derzeitigen Verständnisses"
Die Bildung von Galaxien ist ein fundamentales Paradigma, das der modernen Astrophysik zugrunde liegt und einen starken Rückgang in der Anzahl großer Galaxien in frühen Zeiten des Kosmos annimmt. Extrem massereiche, ruhende Galaxien wurden bereits ein bis zwei Milliarden Jahre nach dem Urknall beobachtet, was bisherige theoretische Modelle in Frage stellt.
"Die Entstehung von Galaxien hängt weitgehend davon ab, wie sich dunkle Materie konzentriert", so Claudia Lagos von der University of Western Australia und dem International Centre for Radio Astronomy Research (ICRAR). "Diese extrem massereichen Galaxien so früh im Universum zu haben, stellt unser Standardmodell der Kosmologie vor große Herausforderungen." – Die Forscher hoffen, dass durch weitere Beobachtungen früher Galaxien das Verständnis von Galaxienentstehung und dunkler Materie erweitert werden kann.