Was passiert im Gehirn, während man einen Film anschaut? Eine neue Studie lüftet dieses Geheimnis.
Eine neue Studie zur Gehirnaktivität beim Filmsehen bietet faszinierende Einblicke in die funktionelle Architektur des Kortex und zeigt, wie spezialisierte und allgemeine Netzwerke miteinander interagieren.
Neue Einblicke in die Gehirnaktivität: Eine Studie zur funktionalen Organisation des Kortex beim Filmsehen
Neurowissenschaftliche Forschungen bieten spannende Einblicke in die Frage, wie das Gehirn sensorische und kognitive Informationen verarbeitet, wenn wir einen Film schauen. Eine aktuelle Studie in der Zeitschrift Neuron zeigt, wie die verschiedenen Netzwerke im Gehirn zusammenwirken, um Sinneseindrücke und Denkprozesse zu synchronisieren.
Mithilfe von funktionellen Magnetresonanztomografie-Scans (fMRT) haben Forscher die detaillierteste Karte der funktionalen Architektur des Kortex erstellt, die bisher verfügbar ist. Die Ergebnisse zeigen, dass das Gehirn beim Filmsehen sowohl spezialisierte als auch generalisierte Netzwerke aktiviert, die sich dynamisch an die jeweiligen Anforderungen anpassen.
Methodik
Die Forscher verwendeten Filmausschnitte als Stimuli, um eine möglichst realistische Aktivierung der Hirnaktivität zu erzeugen und natürliche Reaktionen hervorzurufen.
Insgesamt 176 gesunde Erwachsene sahen eine 60-minütige Filmszene, während ihre Gehirnaktivität in einem hochauflösenden 7-Tesla-Scanner aufgezeichnet wurde (Human Connectome Project, 2024). Der Ansatz ermöglichte eine breite Aktivierung des Kortex, sodass verschiedene sensorische, emotionale und kognitive Reaktionen hervorgerufen werden konnten.
Um eine genaue funktionelle Analyse zu erhalten, setzten die Forscher eine hierarchische Clusteranalyse ein, mit der die Gehirnregionen in verschiedene funktionelle Cluster unterteilt wurden.
Diese Cluster wurden sowohl über verschiedene Läufe des Experiments als auch über verschiedene Testpersonen hinweg analysiert, um die Zuverlässigkeit der Ergebnisse zu überprüfen.
Ein zentrales Maß für die Analyse war der Fowlkes-Mallows-Index, der die Ähnlichkeit zwischen verschiedenen Datenclustern quantitativ bewertet. Diese Analyse zeigte, dass die Cluster bei realen Daten stabiler und differenzierter waren als bei zufälligen Daten, was die Validität der Methode stützt.
Ergebnisse
Die Clusteranalyse ergab insgesamt 24 funktionelle Netzwerke im Gehirn, die eine Vielzahl von sensorischen und kognitiven Prozessen widerspiegeln.
Zu den wichtigsten Clustern gehörten Netzwerke, die mit visuellen und auditorischen Reizen korrelierten, aber auch Netzwerke, die höhere kognitive Prozesse unterstützen, wie Sprachverarbeitung und soziale Kognition.
Eine bemerkenswerte Entdeckung war das Vorhandensein einer „Push-Pull“-Interaktion zwischen generalisierten Exekutivnetzwerken und spezialisierten Bereichen des visuellen, auditorischen und sprachlichen Kortex.
Umgekehrt dominieren bei klar verständlichen Szenen die spezialisierten Kortexbereiche, die spezifische Reize wie visuelle und auditive Eindrücke verarbeiten.
Zusätzlich analysierte die Studie die hierarchische Organisation der funktionellen Cluster im Korte
Die Forscher fanden heraus, dass bestimmte funktionelle Bereiche in hierarchische Strukturen eingeteilt werden können, die der visuellen Verarbeitung unterschiedlicher Inhalte entsprechen.
Solche hierarchischen Unterschiede weisen auf eine klare funktionelle Parzellierung im visuellen Kortex hin, bei der unterschiedliche Regionen auf spezifische Reize wie Gesichter oder Szenen spezialisiert sind. Diese Entdeckung unterstützt Modelle der Hirnorganisation, die vorschlagen, dass die Gesichtswahrnehmung und die Szenenverarbeitung im Kortex voneinander getrennt sind.
Bedeutung der Ergebnisse
Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass das Gehirn durch eine dynamische Aufteilung in spezialisierte Netzwerke und generalisierte Exekutivbereiche geprägt ist. Die 24 identifizierten Cluster umfassen nicht nur Bereiche für die sensorische Wahrnehmung, sondern auch Netzwerke, die an komplexen kognitiven Aufgaben beteiligt sind und sich je nach Herausforderung des Stimulus aktiv koordinieren.
Diese verdeutlicht, dass sowohl die Wechselwirkung zwischen spezialisierten als auch generalisierten Bereichen für die kognitive Verarbeitung von Bedeutung ist.
Bereich des Kortex | Aufgaben |
---|---|
Visueller Kortex | Verarbeitung visueller Informationen wie Gesichter, Objekte, Bewegung (Hubel & Wiesel, 1962). |
Auditiver Kortex | Verarbeitung auditiver Reize, einschließlich Sprache und Musik (Amedi et al., 2005). |
Somatosensorischer Kortex | Wahrnehmung von Berührungen, Schmerz, Temperatur und Körperwahrnehmung (Penfield & Rasmussen, 1950). |
Motorischer Kortex | Planung und Ausführung von Bewegungen (Fritsch & Hitzig, 1870). |
Präfrontaler Kortex | Höhere kognitive Funktionen wie Problemlösung, Entscheidungsfindung und soziale Interaktionen (Miller & Cohen, 2001). |
Sprachzentren (Broca & Wernicke) | Broca: Sprachproduktion, Wernicke: Sprachverständnis (Broca, 1861; Wernicke, 1874). |
Assoziationsrinde | Integration verschiedener sensorischer Informationen für komplexe Denkprozesse. |
Funktionelle Parzellierung des Kortex beim Filmsehen
Eine detaillierte funktionelle Kartierung auf der Ebene von 24 Clustern, die im Film-Modus aktiviert werden, ermöglichte Einblicke in die Zusammensetzung der Netzwerke und deren räumliche Ausbreitung im Gehirn.
Besonders bemerkenswert ist die Entdeckung eines ausgedehnten, szenenselektiven Netzwerks im lateralen präfrontalen Kortex:
Weitere Cluster sind auf die Verarbeitung von Sprache, sozialen Interaktionen und Bewegungen spezialisiert und bilden gemeinsam ein dynamisches Netzwerk, das sich flexibel an unterschiedliche Filmszenen anpasst.
Schlussfolgerung
Die Nutzung von Filmen als Stimulus stellt einen bedeutenden Fortschritt in der neurowissenschaftlichen Forschung dar. Die Erstellung einer funktionalen Karte des Kortex bei natürlicher Stimulation zeigt, wie sich verschiedene Hirnareale bei der Verarbeitung komplexer audiovisueller Reize organisieren.
Die Forschung weist darauf hin, dass generalisierte und spezialisierte Netzwerke im Kortex miteinander interagieren, um kognitive Prozesse zu unterstützen und eine effiziente Informationsverarbeitung zu ermöglichen. Diese Karte der Gehirnaktivität könnte zukünftige Forschungen fördern, die neuronale Aktivität in realistischen Szenarien untersuchen und so ein besseres Verständnis der funktionellen Organisation des Gehirns ermöglichen.