Tödliche Botschaften aus der Bronzezeit: Pfeilspitzen enthüllen das grausame Geheimnis der ältesten Schlacht Europas

Vor 3.250 Jahren tobte im Tollensetal die erste bekannte Schlacht Europas. Hunderte Krieger kämpften erbittert, Pfeile durchbohrten Schädel und Knochen. Archäologische Funde wie brutale Pfeilspitzen erzählen von diesem blutigen Konflikt. Neue Analysen zeigen, dass Kämpfer aus weit entfernten Regionen beteiligt waren – ein früher Beweis für überregionale Kriegsführung in Mitteleuropa. Was löste diesen Kampf aus?

Nahaufnahme des Schädels mit eingeschossener Bronzepfeilspitze Foto: Volker Minkus
Nahaufnahme des Schädels mit eingeschossener Bronzepfeilspitze Foto: Volker Minkus

Europas ältester Krieg: Die Pfeilspitzen von Tollense enthüllen blutige Geheimnisse

Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland – In den friedlich anmutenden Auen des Tollensetals fand vor über 3.000 Jahren eine der blutigsten Schlachten der europäischen Frühgeschichte statt.

Knochenfunde, Waffen und insbesondere Pfeilspitzen haben in den letzten Jahrzehnten das Bild eines erbitterten Krieges im Herzen Mitteleuropas gezeichnet – eine Geschichte von Gewalt, Tod und möglicherweise der Kontrolle über einen strategisch wichtigen Handelsweg.

Bereits 1996 wurden die ersten Überreste entdeckt, doch systematische Ausgrabungen begannen erst 2007. Seitdem haben Archäologen mehr als 13.000 Fragmente freigelegt, darunter 12.000 menschliche Knochen, von denen viele Spuren schwerer Verletzungen aufweisen. Besonders die Pfeilspitzen, die in den Knochen der Getöteten steckten, erzählen von der brutalen Realität dieses bronzezeitlichen Konflikts.

Solche Pfeilspitzen mit Widerhaken kommen vereinzelt im Tollensetal vor und haben ihr Verbreitungsgebiet im südöstlichen Mitteleuropa. Foto: Leif Inselmann
Solche Pfeilspitzen mit Widerhaken kommen vereinzelt im Tollensetal vor und haben ihr Verbreitungsgebiet im südöstlichen Mitteleuropa. Foto: Leif Inselmann

Pfeilspitzen: Schlüssel zur Herkunft der Krieger

Im Zentrum der archäologischen Untersuchungen stehen die Pfeilspitzen – stille Zeugen der Schlacht, die tiefe Einblicke in die Herkunft der Krieger ermöglichen.

Die Pfeilspitzenfunde sind ein entscheidender Schlüssel, um mehr über die Kämpfer und deren Herkunft zu erfahren,

erklärt Leif Inselmann von der Freien Universität Berlin. Während viele der gefundenen Feuerstein- und Bronzespitzen lokaler Herkunft sind, gibt es Hinweise auf Pfeilspitzen, die aus weit südlicheren Regionen stammen. Dies wurde durch eine detaillierte Analyse der Pfeilspitzen und ihrer geografischen Verteilung festgestellt.

Einige der Pfeilspitzentypen, besonders solche mit Widerhaken, stammen eindeutig aus einem Gebiet zwischen dem heutigen Bayern und Tschechien,

so Inselmann weiter.

Diese Waffen waren weit komplexer und tödlicher als die in Norddeutschland üblichen Pfeile – sie rissen Fleisch auf und blieben tief im Körper stecken.

Es scheint also, dass in dieser Schlacht nicht nur lokale Stämme aufeinandertrafen, sondern auch Kämpfer aus dem Süden Europas.

Ausgrabungen im Tollensetal im Jahr 2013 förderten eine große Zahl menschlicher Gebeine ans Tageslicht. In der Grabungsfläche sind zahlreiche Schädel zu erkennen. Foto: Stefan Sauer
Ausgrabungen im Tollensetal im Jahr 2013 förderten eine große Zahl menschlicher Gebeine ans Tageslicht. In der Grabungsfläche sind zahlreiche Schädel zu erkennen. Foto: Stefan Sauer

Ein bronzezeitlicher Krieg um Macht und Kontrolle

Warum aber kämpften diese Krieger, die mehrere Hundert Kilometer gereist waren, im Norden?

Eine Theorie vermutet, dass der Kampf um die Kontrolle über einen wichtigen Handelsweg tobte:

Die Tollense war in der Bronzezeit eine bedeutende Handelsroute, und es könnte um die Kontrolle dieses Flusses und der dortigen Übergänge gegangen sein. Die neu entdeckten Pfeilspitzen und die Rekonstruktionen der Schlachtabläufe legen nahe, dass der Konflikt weitreichende Auswirkungen hatte und möglicherweise Teil eines größeren geopolitischen Streits war.

Tod im Pfeilhagel

Die Funde zeigen auch, wie tödlich dieser Krieg war. Einige Pfeilspitzen sind noch heute in den Knochen der Opfer sichtbar. Ein Schädel, der von einer bronzenen Pfeilspitze durchbohrt wurde, zeugt von der Wucht und Präzision der damaligen Bogenschützen. Andere Pfeilspitzen wurden in Schultern und Rücken gefunden – sie trafen die Opfer offenbar im Rückzug, was das Chaos und die Brutalität des Kampfes unterstreicht.

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Dieser Schädel mit eingeschossener Bronzepfeilspitze wurde in der Tollense entdeckt. Den Pfeilschuss in den Hinterkopf hat das Opfer nicht überlebt. Foto: Leif Inselmann

Überregionale Kriegsführung: Eine neue Ära der Gewalt

Die Schlacht an der Tollense markiert den frühesten archäologischen Nachweis überregionaler Kriegsführung in Mitteleuropa.

Die neuen Ergebnisse stützen die These, dass einheimische Kräfte und Krieger aus dem Süden aufeinandertrafen,

sagt der Archäologe Thomas Terberger von der Universität Göttingen.

Damit wird das Tollensetal zum ältesten bekannten Schlachtfeld Europas – einem Schlachtfeld, dessen Hintergründe sich nur langsam enthüllen, doch das Zeugnis eines Krieges ist, der lange vor den schriftlichen Aufzeichnungen stattfand.

Die Geschichte der Pfeilspitzen, die bis heute in den Knochen der Toten stecken, bietet jedoch einen faszinierenden Einblick in eine längst vergangene Welt voller Konflikte und Gewalt.

Die neuen Erkenntnisse aus dem Tollensetal zeigen, dass die Bronzezeit, einst als friedliche Ära betrachtet, durch überregionale Gewaltkonflikte geprägt war.

Der Fund von 54 Bronzepfeilspitzen, von denen einige aus dem heutigen Süddeutschland und Tschechien stammen, deutet darauf hin, dass Kämpfer aus diesen Regionen im Tollensetal auf lokale Truppen trafen.

Dies bestätigt frühere Annahmen, dass im Tollensetal nicht nur einheimische, sondern auch überregional agierende Krieger in Kämpfe verwickelt waren. Diese Ergebnisse basieren auf einer Studie der Universität Göttingen, veröffentlicht in der Zeitschrift Antiquity.