Sollen stillgelegte Atomkraftwerke wieder ans Netz gehen? Ein Experte geht dieser Frage nach- das ist die Antwort
Nach dem Ausstieg Deutschlands aus der Kernkraft haben die Diskussionen über die Richtigkeit diese Entscheidung nie nachgelassen. In zwei Artikeln betrachte ich die Perspektiven von Atomstrom beim deutschen Strommix.
Im bevorstehenden Bundestagswahlkampf fordern vier der sieben Parteien,
die sich Hoffnungen um einen Einzug in den Bundestag machen, eine Rückkehr der Erzeugung von Atomstrom in Deutschland.
Die dahinterliegende Begründung lautet „Technologieoffenheit“. Hintergrund dazu ist auch der EU-Vorschlag, nicht nur Gas, sondern auch Atomkraft als klimafreundliche Technologie in ihre Taxonomie aufzunehmen. Damit wird der Bau von Kernkraftwerken als nachhaltige und förderwürdige Wirtschaftsaktivität klassifiziert und für Investitionen empfohlen.
Ich betrachte das Thema in diesem Artikel aus Sicht der Energiewirtschaft, speziell unter dem Aspekt von Kosten/Nutzen und der Preisgestaltung der Energiekosten.
Ich vermeide bewusst die gesellschaftliche und politische Divergenz zum Thema Atomstrom.
Stillgelegte Atomkraftwerke (AKWs) wieder ans Netz nehmen?
Alle drei Betreiber der letzten drei AKWs Emsland, Neckarwestheim II und Isar 2 sind sich einig:
So sagte Guido Knott, Chef von PreussenElektra zu Isar 2 gegenüber der Augsburger Allgemeinen:
Ähnlich äußerte sich Jörg Michels, Kernkraftchef von EnBW im SPIEGEL:
Auch RWE-Chef Markus Krebber lehnte vor wenigen Tagen eine Rückkehr zur Atomkraft in Deutschland ab.
so Krebber zur Rheinischen Post
Damit sollte sich die Diskussion (und jede weitere Nebelkerze) in Bezug auf Wiederaufnahme der drei letzten abgeschalteten AKWs – oder ihrer bereits abgeschalteten „Schwestern“ in Deutschland in Luft aufgelöst haben.
Neue Kernkraftwerke als Option?
Während Deutschland aus der Atomenergie zumindest bis dato ausgestiegen ist, setzen andere Länder weiterhin auf die Stromerzeugung aus Kernkraft.
Laut dem „World Nuclear Industry Status Report“, also dem Statusbericht der weltweiten Nuklearwirtschaft sind in zwölf der 27 EU-Staaten Atomkraftwerke am Netz.
Frankreich und andere Länder planen eine Fortsetzung des Ausbaus, meist parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien Wind und Photovoltaik. Polen will neu einsteigen, da das kohleabhängige Land dringend nach einem Ersatz für seine konventionellen Kraftwerke sucht. Auch Italien hat sich grundsätzlich für eine Wiederaufnahme eines Programms zur Errichtung neuer Atomkraftwerke ausgesprochen.
Weltweit sind rund 90 neue Reaktoren in Bau oder Planung, allein 40 davon in China. Dennoch ist der weltweite Ausbau der Atomenergie seit 50 Jahren rückläufig. Viele Projekte scheitern an den immensen Kosten und jahrelangen Bauverzögerungen.
Kosten und Risiken
Die möglichen gesundheitlichen Risiken der Kernkraft bei AKW-Störfällen sind bekannt. Die Welt sieht diese derzeit im Ukraine-Krieg durch den Kampf um die Meiler des AKW Saporischschja. Auch die Erinnerungen an die letzte große Havarie nach einem Tsunami im japanischen Fukushima mit all ihren Folgen sind in bleibender Erinnerung.
Die Endlager-Frage von hochradioaktivem Atommüll bleibt bis heute weltweit ebenfalls ungelöst. Für schwach- und mittelradioaktiven Abfälle gibt es in Deutschland bereits ein nach Atomrecht genehmigtes Endlager, und zwar das Endlager Konrad in Salzgitter.
Von großer Bedeutung sind die Kosten des erzeugten Atomstroms, die immer wieder als Argument für günstige Strompreise genannt werden. Bei der Betrachtung ist eine Differenzierung notwendig, und zwar in Stromgestehungskosten (den reinen Produktionskosten) sowie in den damit verbundenen Investitions- und Folgekosten.
Dahinter liegen komplizierte mathematische Formeln, die alle Kosten eines Anlagenbetreibers über die Lebensdauer seine Anlage enthalten. Diese werden heruntergebrochen auf die Anzahl an Kilowattstunden, die die Anlage in dieser Zeit produziert. Zu den Kosten gehören neben dem Aufbau einer Anlage auch deren Wartung und Instandhaltung.
Derartige Berechnungen enthalten zum Beispiel auch den Rückbau eines Windrades sein oder die Lagerung von Atommüll. Viele dieser Folgekosten lassen sich bei manchen Stromarten nur schätzen, bei anderen sind sie sehr genau berechenbar.
Statista hat Anfang 2022 auf Basis einer Untersuchung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (PDF-Download im Link) veröffentlicht. Diese zeigt, dass die gesamtgesellschaftlichen Folgekosten bei Atomstrom so hoch wie bei keiner anderen Stromerzeugungsart sind. Neben dem Marktpreis und staatlichen Förderungen sind auch Folgekosten wie Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschäden mit eingepreist.
Leider liegen keine aktuelleren Zahlen vor, die z.B. die nach dem Beginn des Ukraine-Krieges die gestiegenen Gaspreise oder die Verbilligung der Stromerzeugung aus Windenergie berücksichtigen.
Zwischenfazit
Dieser Artikel wird in wenigen Tagen durch einen zweiten Teil ergänzt. Basis ist dann der neue Statusbericht der Internationalen Energie Agentur IEA zur nuklearen Stromerzeugung mit speziellen Betrachtungen von möglichen neuen technischen Konstellationen bei Kernkraftwerken. Die IEA veröffentlicht ihre Zusammenfassung am 17.1.25.
Die CO2-Bilanzen von Atomkraftwerken über den gesamten Lebenszyklus eines AKW sowie die Verfügbarkeit und Kostenentwicklung für Uran werden im Statusbericht der IEA ebenfalls enthalten sein.
Uran ist der Brennstoff in Kernreaktoren zur Erzeugung elektrischer Energie. Angereichertes Uran wird bei der Kernspaltung verwendet, bei der sich Uran-235-Kerne in kleinere Kerne aufspalten. Dabei setzen sie eine große Energiemenge in Form von Wärme frei. Diese Energie wird in Strom umgewandelt.
Fazit aus diesem ersten Teil:
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