Nächste Ausfahrt: Baku - Die Weltklimakonferenz COP 29
Vom 11. bis 24. November 2024 ist Aserbeidschan das Gastgeberland der nächsten Weltklimakonferenz. Mit diesem Vorbericht gebe ich ein Ausblick auf die nationalen Klimabeiträge der kommenden Jahre, eines der Kernthemen der Konferenz.
Quo vadis, nationale und internationale Klimapolitik?
Das Wort »Ausfahrt« im Titel dieses Artikels hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen bezeichnet eine Ausfahrt eine Reise von großen Gruppen zu einem bestimmten Ziel. In diesem Fall nach Baku in Aserbaidschan. Die Reisegruppe aus Tausenden Teilnehmenden der politischen Weltgemeinschaft, begleitet von Lobbyverbänden, Nichtregierungsorganisationen und internationalen Pressevertretern trifft sich in einem der führenden öl- und gasproduzierenden Länder der Erde, um über den möglichen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu beraten. Mehr als 90 % des Exportvolumens Aserbaidschans entfallen auf Erdöl, erdölbasierte Erzeugnisse und Gas.
Die zweite Bedeutung des Wortes »Ausfahrt« in meinen Titel bezieht sich auf die uns bekannte Ausfahrt auf einer Schnellstraße, ist also in diesem Kontext metaphorisch zu verstehen. Die Welt befindet sich auf einer Straße, an deren Ziel, die Findung und die endgültige Lösung zu den Fragen und den Folgen der Klimaveränderungen steht. Ist die Ausfahrt Baku nun nur eine Etappenausfahrt oder bereits eine der letzten Ausfahrten, bevor wir erkennen, dass wir mit unserer derzeitigen Weltklimapolitik in eine Sackgasse steuern?
Kernthema: Die nationalen Klimabeiträge
Leider ist es nicht möglich, in diesem Vorbericht speziell auf Deutschland oder die europäische Unions als „leuchtende Beispiele“ einzugehen. Bekannterweise haben sowohl unsere deutsche Regierung und die Opposition als auch das europäische Parlament derzeit andere Prioritäten als den Klimawandel.
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass in den verbleibenden 14 Tagen während der COP 29 neue nationale Klimabeiträge für unser Land oder die EU bzw. einzelne Länder der EU vorgelegt werden. Damit gelten für Deutschland und die EU die Kriterien der letzten Veröffentlichung vom 19.10.2023. Der Link dazu findet sich am Ende dieses Artikels. Im weiteren Text des Artikels verwende ich für die nationalen Klimaziele.die Abkürzung NDC (Nationally Determined Contributions)
Ambitionierte Klimapolitik außerhalb der EU
Die NDCs beinhalten das Versprechen jedes Landes, die Treibhausgasemissionen mit spezifischen Zielen zu reduzieren. Sie enthalten Maßnahmen, die Länder ergreifen, um sich an den Klimawandel anzupassen, sowie Umsetzungsstrategien und Zeitrahmen, um diese Ziele zu erreichen.
Wie es die Bezeichnung „National“ schon sagt, sind sie für jede Nation einzigartig. Sie reflektieren damit dern spezifische, politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Umstände.
Die ersten NDCs waren Teil der COP 15, auch bekannt als das Pariser Abkommens, seinerzeit unterzeichnet von196 Vertragsparteien. Das erste NDC-Update fand im Jahr 2020 statt. Derzeit läuft die Frist zur Aktualisierung dieser Verpflichtungen bis Februar 2025. Der Zielkorridor für die NDCs endet im Jahr 2035.
In Vorberichten zur Konferenz in Baku wird erwähnt, dass man von den großen Emittenten USA, Brasilien, China und Großbritannien die Abgabe neuer NDCs vor oder während der COP 29 erwartet.
Für die USA gibt es den großen Vorbehalt der Ausgang der Präsidentschaftswahl am 5. November. Sollte Donald Trump wieder zum Präsidenten gewählt werden, ist davon auszugehen, dass es keine neuen NDCs der USA geben wird. Der bekennende Klimaskeptiker Trump könnte für sein Land sogar den Ausstieg aus allen bisherigen internationalen Vereinbarungen zur Klimapolitik erklären, wie er das bereits bei seiner ersten Amtszeit getan hat. Die amerikanische Delegation in Baku hätte bei einem Harris-Sieg entweder Handlungsspielraum oder wäre bei einem Trump-Sieg die oft zitierte „lame duck“, denn sie hätte dann im Hinblick auf die neue Präsidentschaft von Trump keine Entscheidungsbefugnis mehr.
Brasilien ist eine der großen Volkswirtschaften, die sehr stark von den Folgen der Klimaveränderungen betroffen sind. Daher wird damit gerechnet, dass es eine Verschärfung der Klimaziele zur letzten Version vom 3.11.2023 gibt.
China hat bereits im Vorfeld der Konferenz sehr deutlich gemacht, wie ambitioniert das Land seine Klimaziele verfolgen wird. Insofern ist es wahrscheinlich, dass es in Baku zu einer Veröffentlichung der neuen chinesischen NDCs kommt. Die aktuelle Version datiert vom 28.10.2021, wobei es Fortschrittsberichte aus dem Jahr 2022 gibt.
Fallbeispiel Großbritannien
Nach dem britischen Klimaschutzgesetz von 2008 war es das Ziel des Vereinigten Königreichs, die Treibhausgasemissionen bis 2050 auf 60 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Dieses Ziel wurde schon kurz danach auf 80 Prozent erhöht. Über sogenannte 5-Jahres-C02-Budegts sollte der Fortschritt überwacht werden. Die ersten fünf CO2-Budgets umfassten den Zeitraum von 2008 bis 2032 und standen schon im Zusammenhang mit dem 80- Prozent-Ziel.
Im Jahr 2019 hob die konservative Premierministerin Theresa May das langfristige Ziel auf eine einhundertprozentige Reduzierung bis 2050 an. Dieses Ziel steht im Zusammenhang mit einem als weltweit bezeichneten »Netto-Null-Ziel«.
Nachdem das Vereinigte Königreich die EU im Jahr 2020 offiziell verlassen hatte, lieferte das erhöhte Ziel des »Netto-Null-Ziels« den Kontext für den ersten britischen NDC. Dieser versprach, die Emissionen bis 2030 auf mindestens 68 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Emissionen aus der internationalen Luftfahrt und Schifffahrt (IAS) sollten davon ausgenommen sein. .
Im Jahr 2021 hatte die konservative Regierung das sechste britische CO2-Budget gesetzlich verankert. Es sah eine Senkung der Emissionen um 78 Prozent für die Jahre 2033-2037 vor.
Hohe Ziele für die britische NDCS
Die beratende Institution der britischen Regierung ist das Climate Change Committee (CCC). Nach dessen Empfehlung soll das Vereinigte Königreich in Baku mit einem neuen NDC die Zusage abgeben, die Treibhausgasemissionen des Landes bis 2035 auf 81 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Obwohl die Regierung nicht verpflichtet ist, dem Rat des CCC zu folgen, hat sie dies in der Vergangenheit fast immer getan.
Ein solches Ziel wäre „ehrgeizig und im Einklang“ mit dem rechtlich verbindlichen sechsten CO2-Budget des Vereinigten Königreichs, stellt der CCC fest. Damit entstünde ein „glaubwürdiger Beitrag“ zur Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau, wie es in der Weltklimakonferenz COP 15 definiert wurde.
Poltisches Beispiel für Deutschland?
Das Beispiel Großbritannien zeigt aus meiner Sicht, wie wichtig es ist, dass die politischen Entscheider in einem Land nicht nach der Stimmung der Wählerinnen und Wähler verfahren, sondern nach Empfehlungen von Expertengruppen wie dem CCC.
Der Klimawandel kennt keine politischen Verflechtungen, sondern verläuft nach Gesetzen der Naturwissenschaft. In Großbritannien haben konservative Regierungen die Wege für eine veränderte Klimapolitik bereitet, während nun eine Labour-geführte Regierung über weitere Verschärfungen, angepasst an die Lage des Weltklimas, beraten und entscheiden darf.
Ich werde während und nach der Weltklimakonferenz wieder ausführliche Zusammenfassungen zu den Ergebnissen von Baku bei www.daswetter.com veröffentlichen.
Quellenhinweise: