Massiver Sternentstehungskomplex in der Großen Magellanschen Wolke eingefangen
Sternentstehungsgebiete sind große interstellare Wolken aus Gas, in denen sich über einen Zeitraum mehrerer Millionen Jahre einige tausend Sterne bilden können. Das James-Webb-Teleskop lieferte nun Aufnahmen eines solchen H-II-Gebiets in der Großen Magellanschen Wolke (LMC N79).
Das Bild des James-Webb-Weltraum-Teleskops zeigt einen farbenfrohen Nebel mit einem hellen jungen Stern. Der Stern ist umgeben von sechs großen Licht-Spikes, die sich auf die sechseckige Symmetrie des Webb-Hauptspiegels zurückführen lassen. Eine Reihe anderer heller Punkte befindet sich ebenfalls in den Wolken, die in vielen Details und Farben zu erkennen sind.
Auf dem Foto sieht man ein sogenanntes H-II-Gebiet in der Großen Magellanischen Wolke (Large Magellanic Cloud, LMC). Der Nebel N79, eine Region aus interstellarem, atomarem und ionisiertem Wasserstoffs, wurde hier von einem Infrarotinstrument des James-Webb-Teleskops erfasst.
Der Nebel N79 ist ein massiver Sternentstehungskomplex mit einer Ausdehnung von etwa 1630 Lichtjahren in der eher unerforschten südwestlichen Region der LMC.
Nebel und interstellare Wolken
Als Nebel werden heutzutage vornehmlich interstellare Wolken aus Gas und Staub bezeichnet, bei denen man zwischen hellen Gasnebeln und Licht absorbierenden Dunkelnebeln unterscheidet. Früher wurden auch Sternnebel, also Galaxien und Sternhaufen, zu den Nebeln gezählt, weil diese aus der Ferne genauso aussahen.
Zu den wichtigsten Nebelarten gehören nach dem heutigen Begriff Licht abgebende Emissionsnebel wie der Orionnebel M 42, Reflexionsnebel, die das Licht anderer Sterne lediglich reflektieren, wie der Barnards Merope-Nebel IC 349oder Supernovaüberreste wie Keplers SNR 1604. Planetarische Nebel werden am Ende der Sternenentwicklung zurückgelassen und bestehen nur aus Hülle, Gas und Plasma, so etwa der Ameisennebel Mz 3. Dunkelnebel gehen meist H-II-Gebieten voraus, Beispiel hierfür wäre der berühmte Pferdekopfnebel B 33.
Nebel N79 schließlich ähnelt dem Sternentstehungskomplex 30 Doradus (Tarantelnebel), ein Emissionsnebel in der Großen Magellanschen Wolke und eines der größten derzeit bekannten Sternentstehungsgebiete. N79 dürfte allerdings wesentlich jünger sein. Forschungsergebnissen zufolge war die Sternentstehungsrate von N79 in den in den letzten 500.000 Jahren doppelt so hoch wie die von 30 Doradus.
Webb liefert seit Juli 2022 Bilder
Das übergeordnete James-Webb-Programm, in dessen Rahmen N79 untersucht wurde, beschäftigt sich mit zirkumstellaren Scheiben und Hüllen von sich bildenden Sternen. Die Leistungsfähigkeit von Webb ermöglicht es den Forschern erstmals, sich bildende Staubscheiben um Sterne mit ähnlichen Ausmaßen wie die Sonne in der Entfernung der LMC zu beobachten.
Das James-Webb-Weltraumteleskop startete am 25. Dezember 2021 seine Reise in den Weltraum und erreichte am 24. Januar 2022 den sogenannten Lagrange-Punkt L2. Erste Bilder konnten am im Juli 2022 geliefert werden. Das Gerät ist mit etlichen Infrarot-Instrumenten ausgestattet, so etwa mit dem Mid-InfraRed-Instrument (MIRI), das auch N79 aufgenommen hat. Technisch steht Webb in direkter Nachfolge des Hubble-Weltraumteleskops, das bereits am 24. April 1990 in den Weltraum gestartet war, und des Spitzer-Weltraumteleskops, dessen Mission am 25. August 2003 begonnen hatte.
Sternentstehungsgebiete wie LMC N79 sind für Astronomen interessant, weil ihre chemische Zusammensetzung derjenigen von Sternentstehungsgebieten ähnelt, die beobachtet wurden, als das Universum nur wenige Milliarden Jahre alt war und die Sternentstehung ihren Höhepunkt erreichte. Webb bietet den Astronomen nun die Möglichkeit, die Sternentstehung in N79 mit fernen Galaxien im frühen Universum zu vergleichen.