Könnte es helfen, Wildtiere zu Haustieren zu machen, um sie zu retten? Experten erklären, warum es nicht so einfach ist

Einheimische Tiere als Haustiere zu halten, mag attraktiv erscheinen. Doch Experten betonen die komplexen Herausforderungen, die Risiken für die Tiere und die möglichen Auswirkungen auf den Naturschutz.

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Das Einfangen und Halten von Wildtieren ist mit erheblichen Risiken verbunden.

Einheimische Tiere als Haustiere: Potenzial und Risiken

In Europa wecken australische Wildtiere wie der Gleitbeutler oder der Quoll oft Faszination. Doch die Vorstellung, bedrohte Arten durch ihre Haltung als Haustiere zu bewahren, ist problematisch.

Besonders in Australien, wo einzigartige und empfindliche Ökosysteme existieren, gibt es strenge Gesetze und kontroverse Debatten rund um die Haltung einheimischer Tiere.

Herausforderungen bei der Haltung von Wildtieren

Tiere wie Gleitbeutler (Sugar Gliders) wirken auf den ersten Blick wie ideale Haustiere. Doch sie haben anspruchsvolle Bedürfnisse:

Sie sind nachtaktiv, benötigen artgerechte Gehege und haben spezielle Ernährungsanforderungen. Eine falsche Ernährung, etwa zuckerhaltige Früchte, kann schnell zu Gesundheitsproblemen wie Übergewicht und Zahnerkrankungen führen.

Zudem sind viele dieser Tiere soziale Wesen, die ohne Artgenossen Verhaltensstörungen entwickeln können.

Die RSPCA, eine führende Tierschutzorganisation in Australien, hat in ihrer Richtlinie „Policy E4: Utilisation of Wild Animals“ festgelegt, dass das Einfangen und Halten von Wildtieren mit erheblichen Risiken verbunden ist. Diese Risiken umfassen sowohl die physischen und psychischen Bedürfnisse der Tiere als auch die potenziellen negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme, aus denen sie stammen. Besonders problematisch sind die Gefahren durch Stress beim Einfangen, Transport und in langfristiger Gefangenschaft.

Domestizierung und ihre Folgen

Die Haltung von Wildtieren als Haustiere birgt ein weiteres Risiko: Domestizierung. Tiere, die über Generationen gezüchtet werden, verändern sich – sowohl äußerlich als auch in ihrem Verhalten.

Ein Beispiel hierfür ist der Wellensittich: Durch Zucht wurden diese Vögel größer und träger als ihre wilden Artgenossen.

Ähnliches könnte auch bei Quolls passieren, die für die Haustierhaltung gezüchtet werden. Innerhalb weniger Generationen verlieren sie ihre natürlichen Instinkte und Schutzmechanismen, wie Studien gezeigt haben. Dies macht sie unfähig, in der Wildnis zu überleben. Die RSPCA argumentiert, dass solche Eingriffe langfristig sowohl den Tieren als auch den Ökosystemen schaden können.

Naturschutz durch Haustierhaltung?

Arten ist, dass sie durch Zuchtprogramme gerettet werden könnten. Tatsächlich gibt es erfolgreiche Beispiele aus Australien: Das östliche Streifenbeuteltier (eastern barred bandicoot) galt in Victoria als ausgestorben, bis gezielte Zucht- und Auswilderungsprogramme auf fuchsfreien Inseln seine Population stabilisierten. Doch solche Programme erfordern strenge Kontrollen, Ressourcen und Planung.

In der Haustierhaltung fehlt es oft an diesen Standards. Der Fokus liegt häufig auf Merkmalen, die für Menschen attraktiv sind, anstatt auf der Überlebensfähigkeit der Tiere in der Natur.

Ein drastisches Beispiel ist die Situation der Tiger in den USA:

In den Vereinigten Staaten leben schätzungsweise mehr Tiger in Gefangenschaft – etwa 5.000 bis 10.000 – als in der freien Wildbahn weltweit, wo die Population auf etwa 3.900 Tiere geschätzt wird.

Viele dieser Tiere befinden sich in privaten Händen, in Zoos oder in sogenannten „Roadside Zoos“.

Diese Situation wird oft kritisiert, da die Haltung nicht den Anforderungen artgerechter Pflege entspricht und domestizierte Tiger in der Regel nicht wieder ausgewildert werden können.

Die Population in Gefangenschaft trägt daher wenig bis gar nichts zur Erhaltung der wildlebenden Tiger bei und birgt Risiken, etwa durch unzureichende Kontrollen, die den illegalen Handel mit Wildtieren fördern können.

Die Zucht in Gefangenschaft trägt also kaum zum Schutz der Wildpopulationen bei, da domestizierte Tiere oft nicht mehr auswilderungsfähig sind. Ähnliches könnte bei australischen Arten wie Quolls oder Gleitbeutlern passieren.

Ethische und ökologische Bedenken

Neben den praktischen Herausforderungen wirft die Haltung von Wildtieren auch ethische und ökologische Fragen auf. In Australien sind viele Wildtierarten durch Gesetze geschützt, um ihre Populationen und Lebensräume zu sichern.

Die RSPCA betont, dass das Einfangen und Halten von Wildtieren nicht nur mit erheblichen Belastungen für die Tiere verbunden ist, sondern auch das Risiko birgt, invasive Populationen zu schaffen, wenn Tiere aus Gefangenschaft entkommen. Diese könnten lokale Arten verdrängen und empfindliche Ökosysteme aus dem Gleichgewicht bringen.

Verantwortung und Vorsicht

Die Haltung australischer Wildtiere als Haustiere mag auf den ersten Blick wie eine interessante Möglichkeit erscheinen, bedrohte Arten zu schützen. Doch die Realität ist komplex. Die Risiken, die mit der Domestizierung und Haltung dieser Tiere einhergehen, können den Naturschutzgedanken konterkarieren und sowohl Tieren als auch Ökosystemen schaden.

Um Wildtiere effektiv zu schützen, ist es entscheidend, strenge gesetzliche Regelungen zu implementieren und auf bewährte Naturschutzmaßnahmen zu setzen. Programme wie die gezielte Zucht und Auswilderung gefährdeter Arten in ihrer natürlichen Umgebung haben bereits gezeigt, dass sie erfolgreich sein können. Die Haltung von Wildtieren als Haustiere sollte hingegen mit größter Vorsicht betrachtet werden, um sicherzustellen, dass weder die Tiere noch die Ökosysteme, aus denen sie stammen, Schaden nehmen.