Eine spannende Frage nicht nur für unser Wetter: Hat sich der Jetstream verändert?
Der Jetstream ist eine von Meteorologen und Klimaforschern sorgfältig beobachte Windströmung. Er ist mit einer kreisförmigen Windautobahn vergleichbar, die in mittleren Breiten um den Globus zieht und erhebliche Auswirkungen auf unser Wetter hat.
Der Jetstream bestimmt zwischen dem 30. und dem 60. Breitengrad die Route und die Geschwindigkeit der Hoch- und Tiefdruckgebiete in Europa, indem er kalte und warme Luftmassen trennt. Er bewegt sich gegen den Uhrzeigersinn in circa 10 km Höhe und mit einer Geschwindigkeit von bis zu 500 km/h. Einige Annahmen gingen bisher davon aus, dass der Klimawandel Einfluss auf seine Geschwindigkeit und seinen wellenförmigen Verlauf hat. Bei einer Verlangsamung entstehen sogenannte Rossby-Wellen. Diese sorgen dafür, dass sich Tiefdruck- und Hochdruckgebiete länger in den Regionen aufhalten. Eine Folge sind beispielsweise längere und intensivere nasskalte Perioden bzw. Trocken- und Hitzezeiten.
Neue Studie widerspricht einer Verlangsamung
Die Zeitschrift Bild der Wissenschaft berichtete, dass ein Forscher der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz nun analysiert habe, inwieweit die Theorie einer großen Veränderung des Jetstream-Verlaufs der letzten 40 Jahre tatsächlich zuträfe. Die Ergebnisse der Studie widersprächen gängigen Theorien. Demnach habe sich die Wellenbewegung des Windbands nicht signifikant verlangsamt. Allerdings bestätigten die Ergebnisse, dass es sowohl saisonale Schwankungen und regionale Eigenheiten bei den Jetstream-Veränderungen gäbe.
Wie entsteht das Windband?
Druck- und Temperaturunterschiede zwischen verschiedenen Regionen unseres Planeten sind für die Bildung des Jetstreams verantwortlich. Da die Luft im Bereich des Äquators wärmer und weniger dicht ist als an den Polen, entstehen starke Winde im oberen Bereich der Troposphäre, die warme Luft polwärts transportieren. Durch die Erdrotation werden sie nach Osten abgelenkt und umströmen die Erde mit hohen Windgeschwindigkeiten. Da das Windband die Luftdruckverteilung reguliert, beeinflusst es in hohem Maße das Wetter. Bei besonders langsamen, stagnierenden oder stärker ausschlagenden Pendelbewegungen des Jetstreams entstehen Hitzewellen oder anhaltende Starkregenphasen.
Bisherige Theorien stehen auf dem Prüfstand
Gängigen Hypothesen gehen bisher davon aus, dass der menschengemachte Klimawandel den Jetstream verlangsamt, da durch eine Erwärmung der Polregionen sein Antrieb geschwächt wird. Dies betrifft auch die Wellenausschläge des Windbands, die sich durch die veränderte atmosphärische Zirkulation verstärken könnten. Der Autor der Studie, Georgios Fragkoulidis, sagte dazu: »Viele Theorien stellen Vermutungen dazu an, was für den Jetstream zukünftig zu erwarten ist. Allerdings basieren sie alle auf sehr idealisierten Annahmen, denn während sich bei der Klimaerwärmung der CO₂-Eintrag direkt auf die Erwärmung auswirkt, liegen bei der atmosphärischen Zirkulation chaotische Prozesse vor.«
Um herauszufinden, inwieweit sich der Jetstream bislang tatsächlich verändert hat, hat Fragkoulidis für seine Studie dessen Entwicklung in der Zeit von 1979 bis 2019 analysiert. Dabei griff er auf Daten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) sowie der NASA zurück. Fragkoulidis konzentrierte sich vor allem auf zwei wichtige Eigenschaften des Jetstreams, und zwar seine Wellenausprägung und seine Geschwindigkeit, mit der er die Erde umströmt. Sei das Windband sehr wellig, könne kalte Luft von Norden oder heiße Luft aus Süden nach Deutschland strömen. Dies lasse die Wahrscheinlichkeit für Hitze- oder Kältewellen steigen. Ein sich verlangsamender Jetstream wird dagegen mit langanhaltenden Regen-, Hitze- oder Dürreperioden in Verbindung gebracht.
Bisher keine Verlangsamung
Das Ergebnis stellte Fragkoulidis so vor: »Viele Gebiete der nördlichen Hemisphäre verzeichnen im Winter einen positiven Trend bei der Amplitude der Wellen, im Sommer dagegen einen negativen. Anders gesagt: Im Winter wird der Jetstream welliger, im Sommer weniger wellig.« Das widerspräche seinen Ergebnissen zufolge den gängigen Theorien, wonach sich die Pendelausschläge des Jetstreams nicht jahreszeitenbedingt ändern. Zudem stellte er fest, dass die Veränderungen von Region zu Region unterschiedlich seien. So würden über Nordamerika andere Effekte auftreten als über China oder Europa. Nach Aussage seiner Studie gibt es keine einfache Antwort nach dem Motto `Der Jetstream wird welliger oder weniger wellig`. Die Zusammenhänge seien deutlich komplexer.
Auch in Bezug auf die Geschwindigkeit, mit der sich die Wellen des Jetstreams nach Osten bewegen, widerspräche die Studie bisherigen Annahmen zur Verlangsamung des Jetstreams. Fragkoulidis dazu: »Auch wenn es gefühlt anders aussehen mag: In der nördlichen Hemisphäre, insbesondere in Europa, hat sich die Phasengeschwindigkeit der Wellen in den letzten 40 Jahren nicht signifikant geändert,« Seinen Analysen zufolge haben sich in der südlichen Hemisphäre die Wellen seit 1979 sogar deutlich beschleunigt.
Fazit
Nach Einschätzung des Autors bilden die Ergebnisse seiner Studie eine wichtige Grundlage für zukünftige Prognosen zur weiteren Entwicklung des Jetstreams angesichts des Klimawandels. Die beobachteten Muster würden darauf hindeuten, dass zukünftige Trends in der Zirkulation der oberen Troposphäre nicht unbedingt zonal symmetrisch oder homogen seien. Fragkoulidis will in weiteren Studien weitere Erklärungen für seine Befunde suchen. Es ist gut und wichtig, dass sich Wissenschaftsteams intensive mit dem für uns wetterbestimmenden Windband beschäftigen. Dies kann dafür sorgen, dass wir auf Extreme besser vorbereitet sind, als dies bei den verschiedenen Extremwettern in Europa der Fall war.