Europa sucht sortenreinen Plastikmüll - Experte Ralf Roschlau kennt die erstaunlichen Details
Anfang Oktober berichtete ich in einem Artikel von Mikroplastik an den Stränden der Nord-und Ostseeküste. Sehr wenig bekannt ist dagegen, dass die Entsorgungsfrage von Kunststoffen eine andere, sehr lukrative Kehrseite hat,
PET – Flaschen: ein wertvolles Recyclinggut
In einem Bericht der österreichischen Tageszeitung DER STANDARD stieß ich auf einen Artikel, der sich mit der Kreislaufwirtschaft am Beispiel von Einweg-PET-Flaschen beschäftigte. Der komplette Name dieses speziellen Kunststoffes lautet »Polyethylen–Terephthalat« - abgekürzt als PET.
Deutschland, Europa und die Welt sind PET-hungrig. Pro Minute werden nach einem Bericht des Medienunternehmens FORBES ca. 1 Million Getränkeflaschen aus PET in der Welt verkauft. Dies entspricht einer Jahresmenge von mehr als 500 Milliarden PET-Flaschen – oder 65 Stück pro Kopf und Jahr.
In Deutschland werden stündlich 1,9 Millionen Einweg–Plastikflaschen gekauft. Dies entspricht pro Tag einer Stückzahl von 45 Millionen bzw. pro Jahr einem Verbrauch von 16,4 Milliarden PET-Flaschen. Damit verbraucht im Schnitt jede/r Deutsche fast 200 Einweg–Plastikflaschen pro Jahr. PET-Getränkeflaschen stellen inzwischen mit einem Anteil von deutlich über 50 Prozent das dominierende Packmittel bei Getränken dar.
PET-Berge – ein kostbarer Schatz für Recyclingbetriebe
PET benötigt ca. 400 Jahre bis zur natürlichen Auflösung, ist aber bestens recycelbar. Und genau bei diesem Punkt setzt mein Bericht an.
Die weltweite Recyclingquote liegt knapp unter 30 Prozent, steigt aber kontinuierlich an. Es hat den Anschein, dass der Markt den wahren Wert der leeren, aber zu 100 Prozent recycelfähigen Flaschen entdeckt hat.
Europa hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 mindestens 90 Prozent aller PET-Getränkeflaschen einer Kreislaufwirtschaft zuzuführen. Die „Sammelrate“ von PET-Einwegflaschen stieg von 45 Prozent in 2020 auf fast 60 Prozent in 2022 an.
Die Quote an PET-Flaschen, die dem sortenreinen Recycling zugeführt wurden, stieg von 61 Prozent in 2020 auf 75 Prozent im Jahr 2022.
Deutschland gilt durch die seit langem verabschiedete Getränkepfand-Regelung als Musterland. Die Recyclingquote von Einweg-Getränkeflaschen in unserem Land liegt bei über 90 Prozent – und hat damit das EU-Zeil deutlich übertroffen.
Auf das Material kommt es an
Sauber sortierter Kunststoff ist in Europa so knapp wie teuer. International hat der Wettlauf um sortenreinen, bestens recyclebaren Plastikmüll längst begonnen – und wird zusehends härter.
Auf Auktionen wurden zu Ballen verpresste PET-Flaschen zeitweise doppelt so teuer angeboten als neue Gebinde. Recyclingbetriebe zahlen derzeit für sogenannte Sekundärrohstoffe immer noch bis zu einem Drittel mehr als für neue Ware.
Der Bedarf an Rezyklaten wächst rasant. Dies hängt auch mit einer EU-Entscheidung zusammen, nach der die Industrie verpflichtet wird, den Anteil an Rezyklaten in Plastikflaschen bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen.
Neben Deutschland investierten etliche andere Länder in die Aufbereitung von Rezyklaten, was die Nachfrage zusätzlich anheizt.
Für eine gute funktionierende Kreislaufwirtschaft ist die Versorgung mit ausreichend gut getrenntem Verpackungsmaterial die größte Herausforderung.
Die schwankenden Preise bestimmten die Ströme des internationalen Plastikhandels, was dazu führt, dass die Kreislaufwirtschaft von einer umwelt- und klimagerechten Verwertung weit entfernt ist. Die Organisation Greenpeace bemängelt die langen Transportwege, die tausende Tonnen PET-Müll jährlich „im Dienste der Wiederaufbereitung“ zurücklegen.
Noch vor zehn Jahren haben sich viele Unternehmen gescheut, recycelte Rohstoffe in Kunststoffverpackungen einzusetzen
Mittlerweile ist jeder froh über zusätzliche PET-Mengen, die in den Markt fließen.. Hinzu kommt, dass die derzeit einzige hochwertige Quelle dafür die gesammelten Plastikflaschen sind.
Die Hälfte des weltweiten PET-Bedarfs verbirgt sich in Textilien, konkret in zu Fasern versponnenem Polyester. Die Recyclingbilanz der Textilbranche gilt mit nur drei bis vier Prozent als katastrophal. Ein Fünftel des PET wird in Folien eingesetzt, die nach kurzer Lebenszeit vielerorts verbrannt werden.
Wichtig ist auch: endet das begehrte Rezyklat in einem bunten Gartenzwerg oder als Parkbank, ist es für jeden sinnvollen Recyclingprozess verloren.
Das Verfahren
Eine Tonne sortierte PET-Verpackungen werden in den Recyclinganlagen zu mehr als 700 Kilo Granulat. Der Rest sind Kappen und Etiketten, die im Wasserbad vom Rest des Kunststoffes getrennt werden. Aus einer Tonne Granulat lässt sich danach dieselbe Menge an Flaschen erzeugen. Je genauer die PET-Flaschen sortiert werden, desto höher ist die Qualität des Rezyklats.
Auch die Verschlusskappen sollen zukünftig ein „zweites Leben“ als Verschlüsse haben.
Deutschlands Flaschenpfand System als Vorbild
Die Einführung des Flaschenpfandes war ein entscheidender Meilenstein für die hohe Recyclingquote leerer PET-Flaschen in Deutschland. Auch in Skandinavien, den baltischen Staaten, Belgien, Kroatien und den Niederlanden sind Pfandsysteme in Anwendung. Österreich folgt am 1. Januar 2025. Die Europäische Kommission hat eine europaweite Pfandpflicht bis 2028 vorgeschlagen, aber noch nicht beschlossen.
Letztendlich wird nur auf diese Weise das EU-Ziel einer Sammelquote von 90 Prozent bis 2030 erreicht werden können. Dieser Anteil ist nicht zu schaffen, solange die Verpackung für Konsumenten keinen Wert darstellt.
Der Gedanke einer Plastik-Kreislaufwirtschaft muss über die PET-Flaschen hinausgehen, denn es gibt weitere sehr gut recycelbare Kunststoffe, deren Wertigkeit über Pfandsysteme hervorgehoben werden sollten.