Die COP 16 in Cali ist zu Ende. Das Ergebnis: Enttäuschung
Mein Vorbericht zu dieser Konferenz hatte bereits eine pessimistische Note. Das Ergebnis übertraf allerdings meine schlimmsten Befürchtungen.
Fatale Signale zum Ende der Weltnaturschutzkonferenz COP 16
Nach einem Marathon von 10 Tagen endloser Sitzungen und Verhandlungen musste die Weltnaturschutzkonferenz am 2.11. abrupt abgebrochen werden. Die ernüchternde Bilanz: kleine Erfolgsgeschichten, aber eine riesige Lücke beim wichtigsten Thema.
Die Länder diskutierten am letzten Tag in einem fast verzweifelt anmutenden Versuch, die vielen offenen Punkte auf der Tagesordnung der COP16 doch noch mit Vereinbarungen abzuschließen
Da sich die Gespräche bis in den Samstagmorgen hinzogen, war eine große Anzahl von Delegierten aus den Entwicklungsländern gezwungen, gebuchte Flüge nach Hause anzutreten. Somit war ein Quorum der verhandelnden Länder unmöglich geworden. Ein Konsens in den Schlüsselfragen der Konferenz konnte nicht erreicht werden.
Gewinnverteilung für Nutzung von Gendaten
Immerhin fanden die teilnehmenden Länder, einen Konsens über einen neuen Verteilungsmechanismus für genetische Ressourcen, den man als „Cali-Fund“ bezeichnete.
Er sieht die Aufteilung von Gewinnen vor, die aus der Nutzung von Gendaten von Pflanzen und Tieren stammen. Unternehmen oder andere Nutzer der Daten, die diese kommerziell verwerten, sollen einen Teil ihrer Profite oder Einnahmen in den weltweiten Fond einzahlen. Nach langen Diskussionen und Textänderungen in letzter Minute, die Indien zum Schutz souveräner Rechte vorgebracht hat, wurde dieser kleine Kompromiss gefunden.
Die Mittel des Fonds sollen unter Aufsicht der Vereinten Nationen zur einen Hälfte an die Staaten gehen, in denen die Arten vorkommen und zur anderen Hälfte an dort lebende indigenen Völker.
Der große Wermutstropfen bei diesem Kompromiss: die Einigung ist für die in dem Dokument genannten Branchen, darunter Pharma- und Kosmetikindustrie, nicht bindend.
Erneut hat es Weltgemeinschaft nicht geschafft, einen solchen Kompromiss völkerrechtlich bindend zu formulieren. So ist auch dieser Kompromiss nichts als ein „Soll-Paragraph“.
Ein Beispiel für die Nutzung von Gendaten wäre der Einsatz eines bestimmten, häufig genutzten Vanille-Aromas, das in Speiseeis Verwendung findet. Das Aroma wird anhand der Gensequenz einer Pflanze produziert, die ursprünglich nur mexikanischen Indigenen bekannt war.
Mehr Rechte für indigene Völker
Die Nationen stimmten einem neuen ständigen, separaten Gremium für indigene Völker zu. Dadurch wird es indigenen Volksgruppen historisch gesehen zum ersten Mal ermöglicht, ihre Positionen zu Biodiversitäts-COPs mit dem Fokus auf Arten- und Naturschutz intern zu beraten und im Plenum der Staatengemeinschaft zur Entscheidung vorzustellen.
Die Vertreterin der indigenen Völker, Camila Romero aus Chile, dazu nach der Einigung:
Hauptthemen: Finanzierung und Fortschrittsüberwachung des Montreal-Abkommens von 2022
Es ist ernüchternd, dass die Weltstaatengemeinschaft bei dieser Konferenz keinerlei Entscheidungen zum Thema der Fortschrittsberichte des Montreal-Abkommens von 2022 oder der zentralen Frage eines neuen Finanzierungsfonds für die Ziele des Abkommens im Rahmen der COP 16 erreicht hat.
Nun kann man politisch durchaus "feiern", dass nur eine Verschiebung von Entscheidungen auf das kommende Jahr erfolgte – und kein generelles Scheitern dieser beiden Themen. Dies wäre gleichbedeutend mit dem Ende des Montreal-Abkommens. So weit wollten es die Delegierten offensichtlich doch nicht kommen lassen. Also hat man sich vertagt und verspricht Entscheidungen nach Zwischensitzungen im Jahr 2025.
Alle Gespräche wurden von bisherigen mangelnden Fortschritten bei der Umsetzung des so genannten „Kunming-Montreal Global Biodiversity Frameworks“ überschattet. So der offizielle Titel dieses als wegweisend bezeichneten Abkommens auf der COP 15 in Montreal, das man auch das „Pariser Abkommen für die Natur“ tituliert hatte.
Eine gemeinsame Untersuchung von Carbon Brief und dem Guardian ergab kurz vor der Eröffnung der Konferenz von Cali, dass die überwiegende Mehrheit der Länder die Frist zur Abgabe von Plänen versäumt hat, in den die Zielerreichung des Montreal-Abkommens noch vor der COP16 vorgestellt werden sollte.
Am Ende des Gipfels in Cali hatten nur 44 von 196 Parteien und damit nur 22 Prozent ihre Biodiversitätspläne entwickelt und zur Verfügung gestellt.
Die Begründung von einigen megaversen Nationen, also den Nationen, die besonders stark von Verlust an Biodiversität betroffen sind, ähnelte im Kern derer von großen Volkswirtschaften.
Die Haltung der Entwicklungsländer gibt diese Aussage wieder:
Die einen hatten also seit 2022 keine Zeit, sich um die Zielumetzung des Weltnaturschutzabkommens von 2022 zu kümmern - und die anderen hatten kein Geld dafür.
Kritikhagel von Umweltverbänden
Die Umweltverbände kritisierten besonders die Haltung der Industrieländer. Dass es beim globalen Biodiversitätsfonds keine Einigung gegeben habe, treffe das bereits schwer belastete Vertrauensverhältnis zwischen Industriestaaten und den Ländern im Globalen Süden empfindlich.
Durch die gescheiterte Verabschiedung einer Finanzierungsstrategie aufgrund des abrupten Endes der Konferenz sei schließlich auch der Mechanismus aus dem finalen Beschluss geflogen, mit dem die Länder ihre Umsetzungsergebnisse hätten messen sollen.
Ein Sprecher der COP16 sagte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP in Cali, dass man das Treffen zu einem späteren Zeitpunkt fortsetzen wolle, um die Themen abzuschließen, bei denen eine Einigung noch ausstehe.
An dieser Stelle sei die Bemerkung erlaubt, dass Entscheidungen zu diesen beiden wesentlichen Punkten als nicht sehr wahrscheinlich erscheinen, wenn man eine zehntägige Konferenz ohne Ergebnisse abschließt und sich dann auf unverbindliche Nachverhandlung vertagt.
Die mageren Ergebnisse der Konferenz von Cali erlauben die Bemerkung, dass auch nach diesen sicherlich sehr intensiven Tagen weiterhin nur die Bedürfnisse des Menschen im Fokus stehen und nicht der Schutz von Naturflächen und den bekannten Pflanzen- und Tierarten.
Besonders bezeichnend erscheint es, dass der vorhandene Handlungsbedarf durchaus anerkannt wird. Neueste Untersuchungen unterstreichen, dass mehr als ein Viertel der Artenvielfalt vom Aussterben bedroht ist.
Links:
Komplette Analyse der Ergebnisse der COP 16 von Carbon Brief
DW-Bericht: Ein Viertel der Artenvielfalt vom Aussterben bedroht