Die Atmosphäre kümmert unsere Meinungen nicht!

Über diesen Satz lohnt es sich, etwas länger nachzudenken, denn er beschreibt das momentane Dilemma der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Diskussionen um die Massnahmen gegen die Klimaveränderungen.

Die Waage des Klimawandels
Wohin schlägt das Pendel der Erderwärmung aus?

Viele Meinungen gehen in die Richtung, dass man die Dinge nicht radikal verändern darf, um den Volkswirtschaften keinen Schaden zuzufügen. Die Industrie, speziell die Vertreter der fossilen Energieträger weisen auf »Maß und Ziel“ hin. Oder auf »Vernunft vor Transformation«.

Von kleinen Siegen und der Reaktion der Natur

Kleine Siege im Kampf gegen die Klimaveränderungen werden frenetisch bejubelt. Ja, man muss sich für einen Sprint erst warmlaufen. Aber versteht das auch die Atmosphäre, in der sich die Treibhausgasemissionen weiterhin nahezu unverändert erhöhen?

Kaum vorstellbar, dass sich die Natur nach den Gesetzen von Maß und Ziel richtet. Die Atmosphäre reagiert auf CO₂-Moleküle – und wir senden davon entweder weniger nach oben oder eben nicht. Als Resultat reagiert die Erde mit dem Resultat, dass sie entweder lebenswerter wird – oder eben nicht. Die Naturgesetze unseres Erdballs, von denen die Atmosphäre ein Teil ist, sind ziemlich schwarz-weiß und damit auch eher kompromisslos.

Fossile Bollwerke

Der GUARDIAN berichtete am 20.3. von der CERA-Woche in Houston/Texas. Diese globale Energiekonferenz hat sich sehr eindeutig zum Thema der Klimaveränderungen positioniert. So sagte zum Beispiel Meg O’Neill, frühere Exxon Vicepräsidentin und heute CEO bei Woodside Energy: »Die Debatten zur Klimapolitik sind nur noch emotional. Wenn Themen nur noch emotional geführt werden, ist es zunehmend schwierig, eine pragmatische Diskussion zu führen«.

Wie sie haben die Chefs der weltweit führenden Öl- und Gasunternehmen die Bemühungen zur Abkehr von fossilen Brennstoffen eher verächtlich gemacht. Sie haben gleichzeitig geäußert, dass der Übergang zu sauberer Energie »sichtbar gescheitert« sei und in einem »unrealistischen Tempo« vorangetrieben werde.

Die Ölmanager haben sich der Anprangerung von Forderungen nach einem raschen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen abgewechselt. Ein Beispiel dafür lieferte Amin Nasser, Vorstandsvorsitzender von Saudi Aramco, dem größten Ölkonzern der Welt. Der GUARDIAN zitiert ihn wie folgt: »Wir sollten die Fantasie vom Ausstieg aus Öl und Gas aufgeben und stattdessen angemessen in diese Energiebereiche investieren«. Unter Beifall im Saal wies er Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) zurück, dass die weltweite Nachfrage nach Öl und Gas bis 2030 ihren Höhepunkt erreichen werde.


Vielmehr behauptete er, dass steigende Energiekosten dazu führen würden, dass die Menschen »die Bedeutung der Öl- und Gassicherheit« fordern würden, anstatt auf erneuerbare Energien umzusteigen. Seiner Ansicht nach scheitere die aktuelle Strategie in der realen Welt an den meisten Fronten. Er kritisierte Solar- und Windenenergie sowie die Elektromobilität für die seiner Meinung nach minimalen Auswirkungen auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen. Seine Klagerede: »Trotz unserer Hauptrolle für den globalen Wohlstand wird unsere Branche als Erzfeind des Übergangs dargestellt«.

Pragmatismus sieht anders aus!

Das klingt nach sehr einseitigem Pragmatimus der fossilen Branche. Pragmatisch ist in diesem Fall gleichbedeutend mit »Weiter wie bisher« und darauf hoffen, dass sich die Atmosphäre in ein paar Jahrzehnten auf magische Weise anders verhält als prognostiziert. Oder so tun, als ob die Entnahme und Speicherung von CO2 aus den Schornsteinen der fossilen Energieproduzenten irgendwie zu bedeutend weniger CO₂-Emissionen führen würde?

Der Aussagen von O'Neill, Nasser und ihren Öl- und Gasmanagerkollegen stehen sehr im Kontrast zu ihren Forderungen nach einer pragmatischen Debatte. Wenn jemand behauptet, dass ein Plädoyer für den Klimaschutz zu emotional, irrational, radikal oder nicht pragmatisch sei, ist es in der Regel der Sprecher, der jeglichen Bezug zur Realität verloren hat. Er stellt damit in den Raum, dass ihre oder seine Gefühle und Meinungen auf magische Weise zu neuen Tatsachen geworden seien, die die Gesetze und Aussagen der Wissenschaft missachten könnten. Sie stellen sich damit gegen die Meteorologie und die Klimawissenschaft, denen die Veränderung der Funktionsweise der Atmosphäre sehr klar ist.

Ist es also angesichts eindeutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse nicht der radikalste, irrationalste, emotionalste und keineswegs pragmatischste Schritt, etwas anderes vorzuschlagen als das, was uns die Wissenschaft sagt?

Reaktion der Klimaaktivisten

Wie zu erwarten, haben Klimaaktivisten die Kommentare der fossilen Industriebosse umgehend angeprangert. So sagte Jeff Ordower, Nordamerika-Direktor von 350.org, dass die fossilen Branchenvertreter »…Tag und Nacht daran arbeiten, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu torpedieren«. Ordover weiter: »Die CERA-Woche sollte eigentlich eine globale Vision für eine saubere und gerechte Zukunft hervorheben. Stattdessen holen uns Gesprächsthemen aus den 1970er Jahren wieder ein«.

Das Thema der Konferenz war eine »Energiewende in mehreren Dimensionen, mit mehreren Geschwindigkeiten und mit mehreren Brennstoffen«. Entgegen der wissenschaftlich begründeten Notwendigkeit einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen haben mehrere große Öl- und Gasunternehmen angekündigt, ihre Pläne zur Produktionskürzung umzukehren und damit die Ziele zur Reduzierung von schädlichen Emissionen in der Atmosphäre zu torpedieren. Wie wohl die Atmosphäre auf diese Vorgehensweise reagieren wird?