Energieziele 2030: Kann Deutschland den Anteil der erneuerbaren Energien auf 80% steigern oder droht das Scheitern?

Nach der Veröffentlichung meiner Betrachtung des europäischen Sektors der Stromerzeugung liegt der Fokus dieser Analyse auf Daten und Fakten zur Netto-Stromerzeugung und dem Stromverbrauch in Deutschland.

Windkraft - eine entscheidende Komponente der Energiewende

Der deutsche Strommix von 2015 bis 2023

Mit Daten der Bundesnetzagentur, dem Datenprotal Statista und den „Energy-Charts“ des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE entstand ein schlüssiges Bild, mit dem auch ein Vergleich zum europäischem Strommarkt möglich war.

Der Zeitraum meiner Analyse betrachtet die Jahre 2015, 2019 und 2023. So werden die Einflüsse aus der Pandemiezeit sowie der Energiekrise als Folge des Ukraine-Krieges mitberücksichtigt.

Netto-Stromproduktion in Deutschland im Jahr 2015

Im Jahr 2015 lag die Netto-Stromproduktion in Deutschland bei 610 Terrawattstunden (TWh) und entsprach damit 18,6 Prozent des europäischen Wertes.

Dies entsprach einer Steigerung von 3,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr und lag damit über der prozentualen Steigerung in der EU.

Der reine Strombedarf in Deutschland lag 2015 bei 562 TWh. Der „Produktionssaldo“ von 48 TWh wurde in andere EU-Länder exportiert. Die nachfolgende Betrachtung beschränkt sich auf den reinen Strombedarfswert.

Von der Gesamtmenge entfielen 198 TWh, oder 35,2 Prozent, auf regenerative Energien, d.h., Solar-, Wind- und Wasserenergie sowie Strom aus Biomasse. Damit lag der Anteil um mehr als 6 Prozent über dem Wert der europäischen Union.

Die Stromgewinnung aus Kernkraft betrug 87,1 TWh. Der Anteil von Strom aus Kernenergie am deutschen Strommix lag im Jahr 2015 damit bei 15,5 Prozent.

Die restlichen 272 TWh, verteilten sich auf Strom aus fossilen Brennstoffen, vor allen Dingen auf Braunkohle mit 139 TWh, gefolgt von Steinkohle mit 103 TWh sowie Gas und anderen fossilen Energieträgern mit 30 TWh. Dies ergab für die Fossilen einen Anteil von 48,5 Prozent.

Trendwende ab dem Jahr 2019

Der Marktbericht 2019 zeigte eine Abnahme der Netto-Stromproduktion auch in Deutschland.

Diese lag mit 576 TWh unter dem Wert von 2015. Aus der Stromproduktion wurden 31 TWh exportiert. Somit ergab sich ein Stromverbrauch von 545 TWh.

Auch in Deutschland hatte zwischen den Jahren 2015 und 2019 die Energiewende an Dynamik gewonnen, denn 237,3 TWh oder 43,5 Prozent dieser Gesamtmenge entfielen bereits auf regenerative Energien. Vor allen Dingen die Solar- und Windenergie trugen zu dieser Steigerung bei.

Der Anteil der Kernenergie ging im Jahr 2019 auf 71,1 TWh oder 13 Prozent des Stromverbrauches in Deutschland zurück.

Wie auch in der EU ergab sich ein enormer Rückgang am Mix des Strombedarfs bei den fossilen Brennstoffen. Mit 205 TWh schrumpfte ihr Anteil auf 37,6 Prozent. Der Anteil von Erdgas nahm im Vergleich zum Jahr 2015 zu, was den günstigen Importpreisen von russischem Gas und einer besseren CO₂-Bilanz gegenüber der Kohleverstromung zugeschrieben wurde. Die Verstromung aus Braunkohle hatte sich auf 102,2 TWh um knapp 30 Prozent reduziert. Der Anteil von Steinkohle lag lediglich mit 48,7 TWh um mehr als die Hälfte niedriger als im Jahr 2015.

2023 - Das Jahr nach der Energiekrise, dem Beginn des Ukraine-Krieges und dem Atomausstieg in Deutschland

Die Pandemiejahre 2020 und 2021 wirkten sich auch auf die Volkswirtschaft unseres Landes aus. Das Jahr 2022 begann mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine – und einer weltweiten Energiekrise durch das Ende von billigen Gaslieferungen aus russischen Erdgasleitungen. Am 31. März 2023 gingen die letzten Kernkraftwerke in Deutschland vom Netz. Bemerkenswert:

All diese Ereignisse haben zu keinem Moment dazu geführt, dass es in unserem Land zu dem oft kolportierten „Strom-Blackout“ kam.

Der Stromverbrauch lag in Deutschland im Jahr 2023 bei 448 TWh und entsprach damit der Tendenz eines Rückgangs beim Stromverbrauch in der gesamten EU. Als Gründe für dafür wurden die hohen Strompreise und höhere Temperaturen genannt. Auch der Rückgang des industriellen Strombedarfs sowie der gestiegene Selbstverbrauch von Solarstrom durch eine deutliche Zunahme bei privaten und gewerblichen PV-Anlagen sind ursächlich.

Strom sparen war im Jahr 2023 das Gebot der Stunde.

Der Anteil der Regenerativen lag mit 260,7 TWh bei 58,1 Prozent des gesamten Strombedarfs in Deutschland. Solar- und Windenergie blieben die Haupttreiber der Energiewende.

Die Bedeutung der Kernenergie schrumpfte bis zu der Abschaltung der restlichen AKWs am 31.3.2023 auf 6,72 TWh, oder auf 1,5 Prozent des gesamten Strombedarfs.

Die großen „Verlierer“ der Stromproduktion im Jahr 2023 in absoluten Zahlen waren die fossilen Energieträger. Ihr Anteil an der Stromproduktion lag im Jahr 2023 bei 37,6 Prozent oder 169 TWh. Der Rückgang verteilte sich fast gleichmäßig auf Braun- und Steinkohle sowie auf Erdgas.

Deutschland wurde im vergangenen Jahr zumindest für eine Übergangszeit zum Importeur von Strom aus dem europäischen Netz. Die Differenz aus den vorherigen Werten zum gesamten Strombedarf ergibt den Wert des Stroms, den wir 2023 importiert haben: 11,7 TWh oder 2,8 Prozent.

Die Zukunft des deutschen Strommarktes

Wie auch in der EU ging die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zur Stromerzeugung seit dem Jahr 2000 kontinuierlich zurück.

Die Stromerzeugung aus Wind- und Solarenergie hat sich zwischen den Jahren 2002 und 2023 nahezu versechsfacht. Die Stromerzeugung aus Wasserkraftwerken stieg in diesem Zeitraum ebenfalls an, bleibt aber anfällig durch Trockenperioden. Biomasse spielt im deutschen Strommix eine bedeutende Rolle. Stromerzeugung aus Biomasse lag im Jahr 2023 nur wenig unter dem Gesamtwert aller Erneuerbaren aus dem Jahr 2002, und zwar bei 37,9 TWh.

Alle Quellen meiner Recherche bestätigen, dass der Stromverbrauch in Deutschland bis zum Jahr 2030 stark ansteigen wird. Wie auch im Rest Europas sind die Gründe dafür auf Nachfrage der Industrie, des Heizungs- und Klimasektors und der Mobilität zurückzuführen. Ich habe bei meinen Recherchen Schätzwerte zwischen 685 und 750 TWh als Strombedarfswerte des Jahres 2030 gefunden.

Deutschland will bis 2030 das ambitiöse Ziel von 80 Prozent der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien erreichen. Bei einer angenommenen Prognose von 685 TWh wären dies 548 TWh für die Regenerativen. Wenn man für Speicher- und Laufwasser, die Stromerzeugung aus erneuerbarem Müll sowie die Biomasse ein realistisches Ziel von 80 TWh bis 2030 veranschlagt, müssten Wind- und Solarenergie davon 468 TWh „schultern“.

Im Jahr 2023 trugen sie mit 197,5 TWh zur Netto-Stromerzeugung bei. Auf Solarenergie entfielen davon 56 TWh, auf Windenenergie an Land 119 TWh und auf Off-Shore-Windenergie 23,5 TWh. Die Umrechnung auf die Ziele 2030 würde für jede dieser drei Erzeugungsarten mit einem Ausbau um den Faktor 2,3 gleichbedeutend sein.

Für 2023 liegt lediglich der Solarbereich über dieser möglichen Zielmarke. In diesem Jahr wurden bis heute von dem geplanten Kapazitätszubau von 13,3 Gigawatt (GW) immerhin 9,9 GW realisiert. Bei der Windenergie sieht es eher „flau“ aus, denn vom geplanten Zubauziel von 6,2 GW gingen bisher lediglich 1,3 GW ans Netz.

Ob die Ziellinie bis 2030 erreicht wird, erscheint in Anbetracht dieser Entwicklung bei allem Optimismus zumindest zweifelhaft.

Rettungsanker: Kernenergie und fossile Energieträger?

Die Rolle der Energie aus Kernkraft in Europa habe ich im Teil 1 bereits ausführlich betrachtet. Die Diskussionen eines „Revivals“ der Kernenergie in Deutschland nimmt quer über die meisten Parteilinien Fahrt auf. Allerdings sind in Anbetracht der Komplexität von Zeiträumen für Genehmigung- und Bauzeiten ernsthafte Zweifel angebracht, dass Kernkraft bis zum Jahr 2030 in Deutschland eine neue Rolle spielen wird, zumal die Erzeugung der letzten drei vom Netz gegangenen Kraftwerke im Jahr 2023 lediglich einem Jahrespotenzial von 30 TWh entsprach.

Somit werden uns die Fossilen als Brückentechnologien auch bis zum Jahr 2030 begleiten, sei es nun mit 140 TWh, also 20 Prozent der Prognose des Stromverbrauchs 2030, oder mit einem höheren Niveau, wenn die Ausbauziele der Regenerativen verfehlt werden.

Neben einem deutlichen Ausbau der regenerativen Stromerzeugung muss der Ausbau der Stromnetze und der Schaffung von Speichermöglichkeiten im Fokus der Energiepolitik bis 2030 - und danach - liegen.

Quellenhinweise:

Energy-Charts

ISE_Datenbasis erneuerbare Energien

BMWK_Strommarkt der Zukunft