Das europäische Gesetz zur Wiederherstellung der Natur
Am 27. Februar verabschiedete das EU-Parlament das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. Es wurde 2022 inhaltlich vorgeschlagen und hat das Ziel, in den kommenden Jahrzehnten viele natürliche Lebensräume in Europa wiederherzustellen.
Bevor das in Teilen umstrittene Gesetz in Kraft tritt, muss es noch vom Europarat genehmigt werden. Seine Verabschiedung durch das Parlament war aber angesichts des starken Widerstands von Parlamentariern des konservativen und liberalen Teils des Parlaments ein Etappensieg für den Naturschutz.
Um was genau geht es bei dem Gesetz?
Die EU-Mitgliedstaaten verpflichten sich mit der Vereinbarung verbindlich, bis 2030 mindestens 30 % an geschädigten Ökosysteme (einschließlich Wäldern, Feuchtgebieten und Flüssen) wiederherzustellen. Dieser Anteil steigt im Jahr 2040 auf 60 % und im Jahr 2050 auf 90 %. Das Gesetz bedeutet nicht, dass bis dahin 90% des europäischen Territoriums zu Naturschutzgebieten werden. Für einige Lebensräume wie Wälder, Grasland und Flüsse zielt die Richtlinie darauf ab, die reiche Artenvielfalt wiederherzustellen.
Das Gesetz umfasst auch Ziele für städtische Ökosysteme, zum Beispiel die Vergrößerung städtischer Grünflächen. Landwirtschaftliche Ökosysteme sind mit Erhöhung des Bodenreichtums und der Anzahl an Vögeln und Schmetterlingen ebenfalls Teil des Gesetzes.
Ein besonderer Fokus liegt auf Meereslebensräumen mit hohem Potenzial zur Kohlenstoffaufnahme. Hierbei geht es um Gebiete, in denen Arten leben, die für das Funktionieren mariner Nahrungsketten wichtig sind, wie etwa Haie und Delfine.
Wie geht es den europäischen Ökosystemen?
Obwohl es gute Nachrichten über die Zunahme der Wälder in den letzten Jahrzehnten gibt, verschlechtert sich die insgesamt die Gesundheit der Ökosysteme. Im Jahr 2020 galten 81 % der Lebensräume als in einem schlechten oder sehr schlechten Erhaltungszustand. Diese Bewertung hängt von mehreren Faktoren ab, darunter der abnehmenden Größe der Ökosysteme, dem Überlebensrisiko der dort lebenden Arten oder den Zukunftsaussichten zur Erhaltung der Lebensräume.
In Europa gelten Feuchtgebiete wie Sümpfe und Torfmoore sowie Dünen als die am meisten betroffenen Zonen: Die Hälfte dieser Ökosysteme wird als »schlecht« oder »sehr schlecht« eingestuft. Die Ursache für die Verschlechterung dieser Ökosystem sind menschliche Aktivitäten. Dazu gehören insbesondere die Ausbreitung von Schadstoffen, die Zerstörung natürlicher Lebensräume zugunsten der Landwirtschaft oder die Nutzung für Industrie, Gewerbe, Handel und Wohnbau, inklusive der jeweiligen Infrastruktur. Hinzu kommen die Auswirkungen des Klimawandels: neue, stark veränderte klimatische Bedingungen bedeuten für viele Arten den Verlust ihrer natürlichen Lebensräume.
Die Folgen davon wirken sich vor allem auf die Landwirtschaft und die Lebensmittelproduktion aus. Der Europarat schätzt, dass jährlich ein materieller Wert von ca 5 Milliarden Euro an Agrarprodukten von der Wirkung bestäubender Insekten abhängt, die aufgrund der Zerstörung ihrer Lebensräume verschwinden.
Auch der Fischereisektor leidet unter einem Rückgang der Fischbestände. Die Folgen spüren nicht nur das Fischereigewerbe, sondern wirken sich auch auf die Verschlechterung der Meeresumwelt als Ganzes aus
Die Besonderheit von Feuchtgebieten
Ein Ziel der Richtlinie stößt in der Landwirtschaft auf besondere Kritik. Es sieht eine schrittweise Renaturierung der ursprünglich für die Landwirtschaft genutzten europäischen Moore vor, und zwar ebenfalls um mindestens 30 % bis zum Jahr 2030. Moore sind Teil von Feuchtgebieten, zu denen auch Seen und Flüsse mit ihren Mündungen, Teiche, Lagunen oder Sümpfe gehören.
Während diese Gebiete im letzten Jahrhundert zunehmend entwässert und damit zerstört wurden, machen Wissenschaftler heute wieder auf ihre ökologische und klimarelevante Bedeutung aufmerksam. Feuchtgebiete sind oft Gebiete mit einer reichen Artenvielfalt. Auch fungieren als Pufferzone für durch den Klimawandel bedingte Wettereignisse, wie Überschwemmungen oder Sturmfluten. Feuchtgebiete an den Küsten wirken der Küstenerosion entgegen.
Die besondere Rolle von Mooren
Ein besonderer Fokus des Naturschutzgesetzes liegt auf den Torfmooren. Diese Lebensräume sind deshalb so wichtig, weil sie wie kein anderes terrestrisches Ökosystem Kohlenstoff absorbieren und speichern: Laut der International Union for Conservation of Nature IUCN enthalten sie mehr Kohlenstoff als alle anderen Vegetationstypen zusammen. Die schlechte Nachricht für den Klimawandel liegt darin, dass sie durch ihre Zerstörung zu einer Hauptquelle von CO2-Emissionen werden. So gehen ca. 5 % der gesamten anthropogenen Emissionen auf die entweichenden Treibhausgase von vernichteten Feuchtgebieten zurück.
In Torfmooren führt das ganzjährig stehende Wasser dazu, dass sich die Pflanzen langsam zersetzen und absterben. Dadurch sammeln sich organische Stoffe im Boden an, der damit sehr kohlenstoffreich wird. So entstand über Jahrtausende der Torf in den Mooren, der früher durch Schneiden in Blöcke gewonnen- und als Brennstoff oder Rohstoff für die Bodenverbesserung verwendet wurde.
Wenn Moore trockengelegt werden, um das Land in landwirtschaftlich genutzten Boden umzuwandeln, beginnt der Torf nach Freilegung an der Luft Kohlenstoff freizusetzen. Bei Trockenheit steigt die Brandgefahr, was ebenfalls zu enormen CO₂-Emissionen führt. So gelten in verschiedenen Teilen der Welt, von Russland bis Indonesien, Torfbrände als gravierendes Phänomen.
Der besondere Schutz dieser Gebiete und die Wiederherstellung ihrer natürlichen Funktionen ist eine der vielen Lösungen, die wir heute zur Bekämpfung des Klimawandels umsetzen müssen: Sie sind zu wertvoll, um zerstört zu werden.