Bürgerforschende suchen Mikroplastik entlang der deutschen Küsten

Das Alfred Wegener Institut (AWI) hat mit seinem Citizen Science-Projekt Menschen motiviert, an den Küsten Deutschlands Sandproben zu sammeln. Nach Auswertung durch das AWI ist daraus ein Bild entstanden, inwieweit die deutschen Strände von Plastikmüll betroffen sind.

Mikroplastik: wie stark sind die deutschen Strände belastet?

Mikroplastikdetektive sammeln 2,2 Tonnen Sand

Die weltweite Plastikproduktion und der daraus resultierende Plastikmüll nehmen permanent zu. Die Folgen sind in der Umwelt all Plastikmüll gegenwärtig geworden. Auch an der deutschen Nord- und Ostseeküste findet sich Plastik in unterschiedlichen Größen.

Es gab zwar im Vorfeld des Citizen Science-Projekts bereits einzelne Studien zur Mikroplastik-Belastung an deutschen Stränden. Diese beschränkten sich jedoch auf wenige Standorte. Mit der Erweiterung auf das Sammeln von Proben durch Bürgerinnen und Bürgern konnten die Forschende des AWI nun Proben von Stränden entlang der gesamten deutschen Küste auf Mikroplastik untersuchen.

Das Ergebnis ist ein Datensatz, der erstmals groß genug ist, um verlässliche Aussagen über die Ausbreitung der Belastung zu treffen. Das Forschungsteam hat seine Ergebnisse am 25.September in der Fachzeitschrift Frontiers in Environmental Science vorgestellt.

Mikroplastik ist ein globales Problem

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) schätzt, sich die Plastikproduktion bis 2060 fast verdreifachen könnte. Das würde auch zwangsläufig zu einer weiteren Anreicherung von Plastik in Gewässern führen, wo der immer noch zu einem Großteil dort entsorgte Plastikmüll zu Mikroplastik zerfällt. Mit diesem Begriff sind Teilchen definiert, die kleiner oder gleich fünf Millimeter sind.

Diese unumkehrbare Plastikverschmutzung beeinträchtigt Arten, Populationen und Ökosysteme, auch an deutschen Küsten.

Dr. Bruno Walther, Erstautor
der nun erschienenen Studie.

Breites Datenspektrum

Insgesamt konnte das Forschungsteam mit Hilfe der Bürgerforschenden 2,2 Tonnen Sand von 71 Orten entlang der deutschen Küste auswerten und damit eine Fläche von insgesamt 68,36 Quadratmetern beproben. Damit konnten 1139 vergleichbare Proben zu einem großen Datensatz zusammengefügt werden, was in einer höheren geografischen Abdeckung resultierte.

Die Proben wurden dann am AWI getrocknet, gesiebt und unter dem Mikroskop nach Plastikpartikeln ab einem Millimeter Größe durchsucht. Die Forschenden konzentrierten sich bewusst auf großes Mikroplastik, um eine Verunreinigung mit Mikroplastikteilchen über die Luft auszuschließen.

Die Ergebnisse überraschten:

Obwohl wir an 52 von 71 Stränden Plastik gefunden haben, war die Belastung durch großes Mikroplastik an der Nord- und Ostsee mengenmäßig geringer im Vergleich zu anderen Studien

erklärt Bruno Walther.

Hätten wir kleinere Mikroplastikteilchen mit untersucht, wären wir sicherlich auf deutlich höhere Konzentrationen gekommen

ergänzt Melanie Bergmann, Co-Autorin der Studie und Biologin am AWI.

Von den 1139 untersuchten Proben enthielten 177 insgesamt 260 Plastikpartikel. Das entspricht im Durchschnitt etwa vier Plastikteilchen pro Quadratmeter. Bei einem zehn Hektar großen Strand wären das schon 400.000 Plastikteilchen. Die Analyse zeigt aber auch, dass die Belastung mit Mikroplastik je nach Standort stark variiert.

Wie gut greifen politische Maßnahmen, wo muss nachjustiert werden?

Die Studie liefere erstmals vergleichbare Daten zur großräumigen Verteilung der Plastikbelastung entlang der gesamten deutschen Küste mit einheitlichen Methoden. Diese sind unter anderem notwendig, um den Status quo zu kennen und den Erfolg politischer Maßnahmen zur Begrenzung der Plastikverschmutzung beurteilen zu können.

Monitoringergebnisse deuten darauf hin, dass Gesetzesänderungen dazu geführt haben könnten, dass in den letzten 25 Jahren weniger Plastiktüten auf dem Meeresboden in Nordwesteuropa gefunden wurden.

Melanie Bergmann sagte dazu:

Wir brauchen strengere Vorgaben, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen und verbindlich regeln, wie wir Plastik vermeiden, verringern und verwerten.

Konkret ginge es um Maßnahmen, welche die Herstellung und Verwendung von Plastik auf unverzichtbare Anwendungen beschränken, gefährliche Inhaltsstoffe verbieten, die Abbaubarkeit in der Natur erhöhen und so einen echten Kreislauf ermöglichten.

Das Projekt der „Mikroplastikdetektive“ zeige auch, dass sich Monitoringprogramme bewähren, die Bürgerinnen und Bürger für eine breite und zeitnahe Datenerhebung einbeziehen. Die Forschenden waren überrascht, wie viele Bürgerforschende mit großem Enthusiasmus mehrere Stunden am Strand verbrachten, um die Proben gewissenhaft zu sammeln, sie zu verpacken und zu versenden.

Das ideale Ergebnis des Projekts wäre es laut dem Forschungsteam des AWI, wenn es als Blaupause für ein langfristiges und räumlich noch dichteres Monitoring zur Mikroplastikbelastung an deutschen Sandstränden dienen würde.

Nur so könne man die Maßnahmen überprüfen und anpassen, die dringend notwendig seien, um die Plastikflut und ihre negativen Folgen für die Küstenumwelt, den Tourismus und die menschliche Gesundheit anzugehen.

Das Projekt „Mikroplastikdetektive“ ist inzwischen ausgelaufen. Bürgerforschende können sich jedoch weiter an Aktionen beteiligen. Ein Beispiel dafür ist das Citizen Science Projekt Plastikpiraten. Mit diesem europaweiten Projekt sollen Daten über die Plastikverschmutzung an den Küsten und in den Flüssen unseres Kontinents zu erheben.

Links:

Citizen Science Projekt Plastikpiraten

OECD Global Plastic Outlook 2060

Studie des AWI zum Projekt "Mikroplastikdetektive"