Außer Spesen wenig gewesen: der Abschluss der COP 29 in Baku

Nach 14-tägigen Beratungen verabschieden die Delegierten ein Abschlussdokument, das von der Mehrzahl der Entwicklungsländern mit der Schulnote »Mangelhaft« versehen wurde. Zeitpläne zum Ausstieg aus fossilen Energien wurden ebenso wenig beschlossen wie nationale Klimaschutzpläne.

Die COP 29 in Baku ging heute Nacht zu Ende!

Erwartungen erfüllt: die Analyse der COP 29 in BAKU

Wenn man die Überschrift liest, erkennt man natürlich nicht sofort den sarkastischen Unterton, den ich als Autor dieses Artikels dahinter versteckt habe. Wenn man meine Vorberichte dazu liest, wird schnell klar, dass es aus meiner Sicht keine großen Erwartungen zum Ausgang der COP 29 gab.

Auch den lange anhaltenden Abschlussapplaus der Delegierten zu den Beschlüssen der Klimakonferenz könnte man als Bestätigung für einen Erfolg deuten. Doch der Schein trügt auxch da.

Das Abschlussdokument mit alle seinen Facetten inklusive der vereinbarten Finanzmittel-Zusagen für die von der Erderwärmung besonders betroffenen Staaten ist für mich und die Mehrzahl meiner Kolleg:innen aus Journalistenkreise alles andere als ein Durchbruch.

Wie schon bei der letzten Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai muss leider auch festgehalten werden, dass die politische Lage der Welt nicht mehr hergab.

Finanzpaket 300 Milliarden US-Dollar ab 2026

Nach Verlängerung der Konferenz gab es heute Nacht um kurz vor 3 Uhr in Baku einen schnellen Abschluss. Nur Sekunden dauerte es, bis der aserbaidschanische Konferenzleiter Muchtar Babajev mit einem Hammerschlag die COP 29 beendete.

Der Kernpunkt des Abschlussdokuments: Mindestens 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr sollen Industrienationen ab 2026 an Entwicklungsländer zahlen. Mit diesen Finanzmitteln solle es diesen möglich sein, Klimaschutz und -anpassung in ihren Volkswirtschaften umzusetzen.

Entrüstung bei einigen Teilnehmern

Kurz nach dem Hammerschlag von Babajev gab es von mehreren Delegierten im Plenum Wortmeldungen. Einer der Wortführerinnen war die Vertreterin der indischen Delegation mit der Kernbotschaft

Wir sind absolut gegen diese unfaire Art der Beschlussannahme

Die Zusagen seien viel zu gering. Weitere internastionale Pressestimmen entnehmen Sie bitte der Zusammenfassung, die ich am Ende dieses Artikel verlinkt habe.

Der Beschluss für das neue globale Finanzziel gilt - trotz der Kritik - als formal angenommen, sobald der Hammer fällt.

Wie auch der Abschluss der COP 28 wird die COP 29 in Baku nur eine Randnotiz in der Geschichte der Weltklimakonferenzen bleiben. Die bedauernswerte Realität der politischen und wirtschaftlichen Lage in der Welt unterstreicht die Aussage einen Journalistenkollegen aus Großbritannien:

Die aktuelle Situation der Weltwirtschaft und die damit verbundene Sorgen und Nöte vieler Volkswirtschaften sowie die geopolitische Realität des Jahres 2024 hat es nicht zugelassen, dass mehr erreichen werden konnte

Klimaabgaben auf Schiff- und Luftfahrt?

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte nach der Einigung am frühen Morgen:

Wir haben selber deutlich gemacht, dass es mehr braucht, aber die Welt besteht nicht aus dem was man sich wünscht, sondern dem, was man wirklich bereitstellen kann.

Neben der Summe von mindestens 300 Milliarden US-Dollar jährlich ist immerhin die Hauptforderung der Entwicklungsländer im Abschlusstext enthalten. Darin werden

… alle Länder aufgefordert, 1,3 Billionen US-Dollar jährlich an Entwicklungsländer fließen zu lassen.

Wie sich diese Mittel genau zusammensetzen sollen, also »wer zahlt wieviel« übergibt man als Hauptaufgabe an die nächste Klimakonferenz COP 30 in Belem in Brasilien. Vertreter von Nichtregierungsorganisationen betonen, dass mit diesem hohen Finanzierungziel auch das internationale Finanzsystem unter der Lupe gerät.

Es wurde in der Konferenz sehr deutlich, dass öffentliche Haushaltsgelder in Anbetracht der vielen Etatprobleme der Volkswirtschaften derzeit nur eine unsichere Finanzierungsquelle darstellen. Auch private Investitionen sind weder spezifiziert noch sicher.

Damit geraten Abgaben und Steuern von klimaschädlichen Verkehrsbereichen, die heute weitgehend abgabefrei sind in den Fokus. Dies trifft insbesondere auf Schifffahrt und Luftfahrt zu. Insgesamt erwarten viele Delegationsteilnehmer einen deutlichen Beitrag zur Finanzierung aus Sektoren, wie diese beiden beispielhaft genannten, die mit ihren Treibhausgasemissionen signifikant zur Erderwärmung beitragen.

Klimawissenschaftler des PIK reagieren befremdet

Die aserbaidschanische Konferenzleitung gab in den harten Verhandlungen ums Geld ein schwaches Bild ab. Zielführende Gespräche begannen viel zu spät und erfolgten in vielen Fällen unter Ausschluss der von der Klimakrise am meisten betroffenen Länder.

Die wissenschaftlichen Direktoren des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Ottmar Edenhofer und Johan Rockström, kommentierten den Ausgang der Konferenz wie folgt

Der Klimagipfel von Baku war kein Erfolg, sondern allenfalls die Vermeidung eines diplomatischen Desasters

so Edenkofer

Er betonte, dass es nach Baku überdeutlich sei, dass für den globalen Kampf gegen die Klimakrise ergänzende Verhandlungsformate einzuführen. Damit es vorangeht, müssten nicht zwangsläufig alle fast 200 Unterzeichnerstaaten der UN-Klimarahmenkonvention an einem Tisch sitzen.

Für die in Baku hauptsächlich diskutierte Klimafinanzierung für den globalen Süden sei es jetzt wichtig, sie in doppelter Weise mit Emissionsminderung zu verknüpfen. Erstens sollten die Geberstaaten im reichen Norden die Mittel durch Bepreisung von Öl, Kohle und Gas mobilisieren. Und zweitens sollte das Geld idealerweise nur fließen, wenn das Empfängerland nachweislich den Treibhausgas-Ausstoß verringert.

Sein Kollege Johan Rockström, Erdsystemwissenschaftler und PIK-Direktor ergänzte dies wie folgt:

Die Vereinbarung von Baku, bis 2035 jährlich 300 Milliarden Dollar öffentliche Gelder aus verschiedenen Quellen aufzubringen, scheitert aus mehreren Gründen. Zu wenig, zu spät, aus zu vielen Quellen.

Die globalen Emissionen müssten nach Einschätzung des PIK um 7,5 Prozent pro Jahr reduziert werden. Nur so wären unkontrollierbare globale Folgen zu vermeiden, wenn die Welt das 1,5-Grad-Limit über einen längeren Zeitraum überschreite. Rockström weiter:

Um die Klimakrise zu bewältigen, müssen wir die gesamte Weltwirtschaft von einem auf fossilen Brennstoffen basierenden Wachstum abbringen.

Private Finanzierung sei nach Rockströms Einschätzung notwendig, und zwar deutlich über die wichtige öffentliche Klimafinanzierung hinaus, vor allen Dingen durch gemeinsames Handeln der Nationen in der Welt.

Die Finanzierungsfrage wird 2025 auf der COP 30 in Brasilien als eines der zentralen Themen weiterverhandelt. Ferner stehen auch die konkreten Ausstiegsszenarien für fossile Energieträger und die von den Teilnehmerländern bis dahin vorzulegenden nationalen Klimaschutzpläne auf der Tagesordnung.

Außer Spesen wenig gewesen

Mehr als 60.000 Delegierte sind quer durch die Welt nach Baku geflogen, völlig ungeachtet der Treibhausgasemissionen ihrer Reisemittel. Sie haben 14 Tage lang darüber diskutiert, wie die Welt mit dem Klimawandel und seinen Folgen umgehen soll.

Heraus kamen sechs Seiten Worte, deren Inhalt ich zusammen mit der Mehrheit der internationalen Medien metaphorisch so kommentiere: Der Berg kreißte und gebar eine Maus.

Wieder einmal.

Lesen Sie dazu bitte auch die gesamte COP 29-Zusammenfassung meiner Journalisten-Kolleginnen und - Kollegen von Carbonbrief, die ich ebenfalls verlinkt habe.

Quellenhinweise:

Zusammenfassung der diskutierten Themen und Beschlüsse auf der COP 29 von Carbonbrief

Abschlussdokumente COP29 - Uneditierte Fassung

Internationale Pressestimmen

Reuters

Associated Press (AP)

New York Times

Le Monde

The Guardian